Göttinger Abgeordneter Fritz Güntzler berichtet aus dem Wirecard-Ausschuss

Der Wirecard-Skandal hat die deutsche Wirtschaft erschüttert. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre beschäftigt sich auch der Göttinger Bundestagsabgeordnete, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Fritz Güntzler (CDU) mit der Frage, wie das Unternehmen 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten im asiatischen Raum bilanzieren konnte, die aber nicht existierten – und niemand es gemerkt hat. „Wirecard hat eine Geschichte erzählt und sie mit gefälschten Zahlen untermauert. Und alle haben es geglaubt“, sagt Güntzler. Mit „alle“ meint er sowohl die Abschlussprüfer als auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Finanzministerium. „Warum haben diese Institutionen nichts gemerkt?“, fragt Güntzler. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, seien bereits Zeugen gehört worden, unter anderem Ex-Wirecard-Chef Markus Braun, der aus der Haftanstalt nach Berlin gebracht wurde. Doch er und seine ehemaligen Mitarbeiter hätten allesamt von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, berichtet Güntzler. Wirtschaftsprüfer verweigern Aussage: Auch die Wirtschaftsprüfer der Firma Wirecard hätten keine Erkenntnisse preisgegeben: „Sie wurden zwar vom Insolvenzverwalter von ihrer Verschwiegenheitsklausel entbunden“, dies hätte ihrer Meinung nach aber auch die ehemalige Wirecard-Geschäftsführung tun müssen, weshalb dieser Vorgang nun richterlicher Klärung bedarf. Bislang spreche aber vieles dafür, dass die Abschlussprüfer ihren Job nicht ordnungsgemäß wahrgenommen hätten, berichtet Güntzler. Denn die deutsche Wirecard AG habe das Geld von einem Treuhänder in Thailand verwalten lassen, mit dem sich die Prüfer unterhalten hätten. Aber: „Wenn es das Geld gibt, muss es ja in einem Kreditinstitut liegen.“ Das sei jedoch vermutlich nicht geprüft worden. „Da haben sich die Wirtschaftsprüfer nicht mit Ruhm bekleckert“, sagt der CDU-Politiker. Lesen Sie auch Wirecard-Ausschuss: Göttinger Politiker prüft Versagen der Finanzaufsicht Ausschuss zu Wirecard-Skandal: Opposition fürchtet Beeinflussung von Zeugen „Wir hatten Angst“: Aktionärsschutzorganisation warnte schon 2008 vor Wirecards Geschäftspraktiken In den nächsten Wochen und Monaten würden noch weitere Zeugen gehört: „Wir haben Riesenlisten mit Namen“, sagt Güntzler. Allein mit den Aussagen werde der neunköpfige Ausschuss bis Mai beschäftigt sein, hinzu kämen noch Tausende von Akten, die das Untersuchungsgremium wälze. „Wir haben uns teilweise übernommen“, gibt der Christdemokrat zu. So seien manchmal bis zu sieben Zeugen an einem Tag geladen worden – das habe teilweise bis in die frühen Morgenstunden gedauert. Am Ende habe die Konzentration bei allen dann sehr unter der späten beziehungsweise frühen Stunde gelitten. „Wenn man im Gerichtssaal einen Zeugen morgens um 5 Uhr vernehmen würde, würden alle am Rechtsstaat zweifeln“, meint Güntzler. Derzeit werde diskutiert, wie dies zukünftig vermieden werden könne. Sorgfalt und Eile gleichermaßen: Denn neben Sorgfalt sei auch Eile geboten: „Wir müssen bis zum Ende der Legislaturperiode im Oktober mit unserem Bericht fertig sein“, erklärt Güntzler. Man sei derzeit mittendrin und habe noch viel vor sich. Ein Knackpunkt sei die Frage: „Was hat eigentlich die BaFin gemacht?“ Das werde noch „eine spannende Geschichte“. Denn als Reporter der Financial Times die Behörde auf Ungereimtheiten bei Wirecard hingewiesen hätten, habe die BaFin mit Anzeigen gegen die Journalisten reagiert und damit dem Unternehmen „in die Karten gespielt“. Wer ist dafür verantwortlich, dass die Geschehnisse nicht aufgedeckt wurden: Bundesfinanzministerium, Bafin oder Abschlussprüfer? Darauf fokussiert sich die Arbeit des Untersuchungsausschusses, erklärt Güntzler. Nach einem Sonderbericht des Wirtschaftsprüfernetzwerks KPMG spreche vieles dafür, dass die Abschlussprüfer versagt hätten. Zudem legten interne Dokumente den Schluss nahe, dass die Bafin ihren Job nicht anständig gemacht habe. Ebenfalls fraglich sei, ob der Aufsichtsrat der Wirecard AG seine Überwachungsfunktion wahrgenommen habe. „Ich würde das bezweifeln“, sagt Güntzler. Der Untersuchungsausschuss sei von der Bundesregierung dazu aufgefordert, den Fall so weit es geht aufzuklären, und für die Zukunft Maßnahmen zu treffen. So wurde bereits das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz entworfen und vorgelegt. Dieses soll die Bilanzkontrollen verschärfen. Auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) werde noch angehört. Der Kanzlerkandidat der SPD werde sich einige unangenehme Fragen gefallen lassen müssen, glaubt Güntzler, wenn es darum geht, aufzudecken, wie viel das Bundesfinanzministerium gewusst habe. Nun werden am Donnerstag, 14. Januar, die (ehemaligen) Chefs der Deutschen Bank und der Commerzbank angehört, blickt Güntzler auf den nächsten Tag im Ausschuss voraus. Von Tobias Christ