Landkreis Göttingen: Fachkräftemangel im Lebensmittel-Einzelhandel

Der Fachkräftemangel in Deutschland wirkt sich unterschiedlich auf die Branchen aus. Besonders betroffen ist der Einzelhandel im Bereich Lebensmittel. Das geht aus Äußerungen von Geschäftsführern und Inhabern etwa von Fleischereien und Bäckereien hervor. Aussagen, die eine Bestätigung finden über die Arbeitsagentur: „Es gibt in der Tat einen Mangel an Fachkräften im Bereich Fachverkauf Lebensmittelhandwerk“, erklärt die Sprecherin der Arbeitsagentur Göttingen, Christine Gudd. Auch beim Ausbildungsmarkt spiegele sich das Manko wider. „Das Interesse der Jugendlichen an den Ausbildungen Fachverkäufer Lebensmittelhandwerk ist nicht sehr ausgeprägt“, stellt Gudd für den Agenturbezirk Göttingen (Landkreise Göttingen und Northeim) fest. Deutlich wird das an den vorliegenden Zahlen: Die Statistik der Arbeitsagentur weist für die vergangenen zwölf Monate durchschnittlich 1265 Arbeitslose (Fachkräfte und Anlerntätigkeiten) mit Zielberuf Handel auf, Stellen im Handel gab es insgesamt 267. Aber Arbeitslose mit dem Zielberuf Lebensmittelhandel zählte die Agentur im Monatsdurchschnitt lediglich 75, bei 61 offenen Stellen. Auch wenn die Anlerntätigkeiten herausgenommen werden und der Fokus allein bei den Fachkräften liegt, ergibt sich ein ähnliches Verhältnis. Unattraktive Arbeitszeiten, wenig Geld: „Bereits in einem Bereich von weniger als drei Bewerbern auf eine offene Arbeitsstelle spricht man von einem Fachkräftemangel“, erläutert Gudd. Sie führt weiter aus: „Aus Gesprächen, die unsere Vermittler mit Arbeitsuchenden und unsere Berufsberater mit Ausbildungsuchenden führen, wissen wir, dass es insbesondere zwei Aspekte sind, die immer wieder eine Rolle spielen.“ So stoßen die Arbeitszeiten, das heißt der sehr frühe Beginn, die Arbeit am Wochenende – und im Vergleich zu anderen Bereichen im Einzelhandel auch am Sonntag – auf wenig Begeisterung bei Arbeitnehmern. Die Verdienstmöglichkeiten werden zudem als zu gering empfunden. „Und dann spielt es natürlich auch immer eine Rolle, ob ein Beruf ein gewisses Image hat, besonders für junge Menschen. Wenn sich ein junger Mensch für den Verkauf oder den Einzelhandel interessiert, schlägt das Herz oftmals eher für elektronische Artikel oder Bekleidung, als für Lebensmittel“, weiß die Agentur-Sprecherin. Mangel an Pflegefachkräften: Doch auch andere Branchen oder Berufe hätten mit zu wenig Bewerbern zu kämpfen. „Das ist also kein ausschließliches Problem des Handels“, sagt Gudd. Als klassisches Beispiel verweist sie auf den viel zitierten Mangel an Pflegefachkräften in der Altenpflege oder in den Krankenhäusern. Lesen Sie auch Fachkräftemangel sorgt für deutliche Lohnsteigerungen Handwerk schaut mit Sorge auf den Ausbildungsmarkt Löhne und Jobchancen: Interaktive Grafik zeigt alle Berufe im Vergleich Inwieweit kann die Arbeitsagentur unterstützen? „Wir veröffentlichen die gemeldeten Stellen, sorgen somit für Transparenz und ermöglichen, unabhängig von weiteren Suchstrategien der Betriebe, auch Bewerbungen von Arbeitsuchenden, die nicht gemeldet sind oder in Beschäftigung stehen“, nennt Gudd das Prozedere. Gleiches gelte für Ausbildungsstellen. Fortbildung ist ein Mittel der Wahl: „Dort, wo eine Besetzung voraussichtlich schwierig wird, sprechen wir mit dem Betrieb auch über alternative Besetzungsmöglichkeiten. Ist beispielsweise auch die Einstellung eines Bewerbers ohne Fachkenntnisse möglich, der Teilaufgaben übernehmen kann? Oder der dann – eventuell mit Förderung der Agentur für Arbeit – fortgebildet wird“, zeigt Gudd auf, wie der Fachkräftemangel im Lebensmittelhandel abgemildert werden kann. Fachkräftemangel nimmt zu: Laut einer Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) gibt es in Deutschland derzeit keinen flächendeckenden Fachkräftemangel. Allerdings könnten in bestimmten Regionen und Branchen offene Stellen nicht mit geeigneten Fachkräften besetzt werden, heißt es. Das betreffe vor allem die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) und den Gesundheitsbereich. Besonders in Süddeutschland und den neuen Bundesländern spitze sich die Lage zu. Viele Unternehmen seien „akut von dem Mangel an Fachkräften betroffen“, so das BMWi. Mehr als 50 Prozent der Unternehmen würden darin heute die größte Gefahr für ihre Geschäftsentwicklung sehen. 2010 waren es noch 16 Prozent. Von Ulrich Meinhard