Landkreis Göttingen: Im Handwerk gibt es trotz Corona offene Ausbildungsplätze

Wer derzeit einen Ausbildungsplatz sucht, hat im Handwerk im Landkreis Göttingen gute Karten. So stammen von den im Januar 2021 bei der Agentur für Arbeit Göttingen gemeldeten 1437 offenen Ausbildungsplätzen 355 aus dem Handwerksbereich – also knapp ein Viertel aller Lehrstellen. Trotzdem sind die Sorgen groß, wie Kreishandwerksmeister Christian Frölich erläutert – denn die Anzahl der Stellen und Bewerber sinkt immer weiter. Lesen Sie auch Göttingen: Fachkräftemangel ist ein großes Thema – auch durch Corona Göttinger Arbeitsmarkt: Mehr Erwerbslose durch Saisonarbeit und Corona „Im Vergleich zu 2019 haben wir in Südniedersachsen einen Rückgang in den neuen Lehrverhältnissen um etwa elf Prozent zu verzeichnen“, sagt Frölich. In den einzelnen Landkreisen reiche die Veränderung von minus sieben bis 14 Prozent. Gründe sind hauptsächlich die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie: Manche Gewerbe mussten komplett schließen, wie zum Beispiel Messebauer, Veranstaltungstechniker oder Kosmetiker. Hohe Umsatzausfälle hätten auch Gebäudereiniger, Wäschereien oder Brauer, die für Hotels oder Gastronomie arbeiten, zu verzeichnen gehabt. Dort sind die finanziellen Rücklagen teilweise aufgebraucht. Und: Es gebe nunmal nicht nur die Personalkosten, es müssten auch Mieten, Kredite und Leasingraten bezahlt werden, erklärt Frölich. Diese zum Teil existenziellen Belastungen führten dazu, dass der ein oder andere Betrieb das Thema Ausbildung nicht so vorantreiben konnte, wie es erforderlich wäre. „Wir haben die große Sorge, dass sich das auch 2021 fortsetzt“, sagt Frölich. Gesucht werden vor allem Mechatroniker: Bei den derzeit 355 gemeldeten Ausbildungsstellen im Handwerk werden 19 Lehrlinge in der Feinwerk- und Werkzeugtechnik, 35 im Fahrzeugbau, 99 in der Mechatronik und Elektrik, 38 in der Lebensmittelherstellung und –verarbeitung, 33 im Ausbau, 30 in der Klempnerei und Installation und 19 in der Medizintechnik gesucht, berichtet Wiebke Saalfrank von der Agentur für Arbeit. „Grundsätzlich haben aktuell die lebensmittelverarbeitenden Handwerksgewerke wie Bäcker oder Fleischer, aber auch Gewerke aus der Baubranche Probleme, Auszubildende zu finden. Da die Maurer bereits im zweiten Lehrjahr 1230 Euro und im dritten 1495 Euro zahlen, kann es also weniger an zu geringen Ausbildungsvergütungen liegen. Vielmehr haben wir im Handwerk in manchen Gewerken ein Imageproblem“, meint Frölich. Bei Schülern und Schülerinnen stehen vor allem Ausbildungen in Tischlereien Hoch im Kurs, teilt Stefan Pietsch von der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen mit. Während sich die Mädchen und jungen Frauen außerdem für Lehrstellen im Büromanagement und bei Augenoptikern interessieren, wünschten sich Jungen und junge Männer häufig eine Ausbildung im Kfz-Gewerbe und als Elektroniker, listet Pietsch weitere favorisierte Berufe auf. Unbeliebt dagegen sind das Bäcker- und Fleischerhandwerk: Für diese Gewerke gebe es kaum Interessenten, das sei geschlechterunabhängig. Bei Jungen ebenfalls nicht favorisiert seien zudem Jobangebote im Lebensmittelverkauf, während die Mädchen das Maurerhandwerk verschmähten. Die Ausbildungsstellen in Lebensmittelherstellung und -verarbeitung im Landkreis Göttingen spiegeln dies wieder: So gibt es aktuell 38 offene Ausbildungsplätze in diesem Segment – das sind 24 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Praktika sind seit Monaten kaum möglich: Erschwerend sei hinzugekommen, dass die Betriebe während der Pandemie nicht mit Schnupperpraktika oder Einstiegsqualifizierungen arbeiten konnten. „In den Monaten der Hochakquise, von März bis Mai, war in unseren Betrieben praktisch gar nichts möglich“, sagt Frölich. Und was die digitale Werbung für eine Ausbildung betrifft: „Handwerk hat eben etwas mit den Händen zu tun, mit der Identifikation über ein Material oder ein Produkt – und da springt digital eben nicht unbedingt der Funke über“, betont er. Doch nicht nur Auszubildende, auch Fachkräfte werden im Handwerk händeringend gesucht: Von den derzeit offenen 2638 Arbeitsstellen im Bereich der Arbeitsagentur Göttingen sind 517 den Handwerksberufen zuzuordnen. Doch Bewerber gibt es nur theoretisch genug für die Jobs. Zwar gaben von den 10 784 Arbeitslosen im Landkreis Göttingen 653 ihren Zielberuf im Handwerk an – davon 33 in der Holzbe- und -verarbeitung, 46 im Fahrzeugbau, 95 im Ausbau, 29 in der Installation und Klempnerei, 28 in der Reinigung, 24 in der Medizintechnik, 67 im Hochbau und 59 im Bereich der Mechatronik/Elektrik, wie die Statistik der Arbeitsagentur im Einzelnen ausweist. Offene Stellen gibt es dagegen jedoch beispielsweise für 120 qualifizierte Mechatroniker und 72 Klempner/Installateure. Von Tobias Christ