"Haben wir zu hoch gepokert?“, hat sich der Direktor des GDA-Wohnstifts, Klaus Brandl, gefragt. Morgens auf dem Flur sprach ihn ein Geschäftsmann auf Englisch an und erkundigte sich nach dem Weg zum Frühstücksbuffet. Das Wohnstift bietet über eine Buchungsplattform im Internet Hotelbetten an.
Das ist eine von mehreren Maßnahmen, um das Haus, das vor 40 Jahren in der Charlottenburger Straße 19 gegründet worden ist und von 600 Senioren bewohnt wird, zu öffnen.
Auch Schulkinder trifft Brandl mittlerweile im Stift. Eine Hortgruppe der evangelischen Kindertagesstätte St. Martin nutzt dort mehrere Appartements. Die Kinder füttern die Koi-Karpfen im Teich, spielen im angrenzenden Wald und schaffen die Treppen bis in den zwölften Stock in 150 Sekunden. In den Ferien dürfen sie die Bowlingbahn benutzen. Zu Gast sind sie unter anderem bei der Schach- und der Malgruppe gewesen.
Für Rentner der neuen Generation attraktiv
Mit der Öffnung will das Stift, deren Bewohner ein Durchschnittsalter von 87 Jahren haben, für Rentner der neuen Generation attraktiv werden. „65-Jährige sind heute noch sehr leistungsfähig“, berichtet Brandl. Das Stift sorgt für schnelle Internetverbindungen. Eine Plattform im Netz soll Kontakte zwischen Leuten, die Hilfen bieten, und solchen, die Hilfen suchen, herstellen. Das Stift denkt auch über die Einrichtung von Wohngemeinschaften nach. Eine neue Mitarbeiterin informiert über Demenzerkrankungen. So ermöglicht es die Einrichtung Betroffenen, noch möglichst lange im vertrauten Umfeld zu leben.
„Das Stift ist 1972 am Ortsrand von Geismar gegründet worden, um Senioren Wohnen auf hohem Niveau zu bieten“, berichtet der Direktor. Die Einrichtung liegt am Waldrand und bietet einen phantastischen Weitblick ins Leinetal. Bekannt ist es für ein umfassendes Kultur- und Veranstaltungsprogramm. Damals entstanden viele ähnliche Häuser.
Einführung der Pflegeversicherung brachte Einschnitt
Anfang der 1990er-Jahre gab es eine Konkurswelle aufgrund eines Überangebots. Seither hat sich der Markt wieder stabilisiert. Einen Einschnitt brachte die Einführung der Pflegeversicherung. Sie sorgte einerseits für eine sichere Finanzierung der Leistungen. Andererseits werden sie seither formalisiert und in einem straffen Zeitplan erbracht. „Im Stift trauern noch immer einige den alten Hausdamen nach, die sich einst jeweils um die Bewohner einer Etage kümmerten“, erzählt Brandl.
Das Stift gehört zur gemeinnützigen GmbH Gemeinschaft Deutsche Altenhilfe (GDA) mit Hauptsitz in Hannover. Das Unternehmen betreut mit 1500 Mitarbeitern acht Wohnstifte mit angeschlossenen Pflegestationen, ein betreutes Wohnen sowie ein Pflegeheim mit insgesamt 2500 Bewohnern. In Göttingen sind es 300 Mitarbeiter.
Von Michael Caspar