Tibus in Rhumspringe: Ersatzteile für Boots-Oldtimer

„Bootszubehör und Bootsersatzteile für Motorboote der schon etwas älteren Generation“ – die Firma Tibus in Rhumspringe gilt unter Eignern von Oldtimer-Booten als gute Adresse, wenn sie Ersatzteile für ihre Schätzchen suchen. Seniorchefin ist Leopoldine Tibus. Die 81-Jährige und ihre langjährige Mitarbeiterin Violetta Krieter können oftmals helfen, wenn für ein Boot des US-amerikanischen Herstellers Glastron ein neuer Vergaser oder ein neuer Sitzbezug benötigt wird. Restbestände an Originalteilen: Das Tibus-Ersatzteil- und Zubehörlager befindet sich in einer der Hallen auf dem Gelände der ehemaligen Schickert-Werke in Rhumspringe. Heute werden nur noch die Restbestände der Originalteile und des Bootszubehörs verkauft, sagt die Geschäftsfrau. Über die Jahre ist sie in Sachen Boote und Zubehör zur Spezialistin geworden. Das hat sie ihrem 1998 verstorbenen Mann Bruno zu verdanken. Der gelernte Flugzeugbauer gründete 1954 die Firma „Bootsimport B.J. Tibus“ und machte sich in den folgenden Jahren bald einen Namen in der Szene. Anfang der 60er-Jahre begann er mit dem Import von Glastron-, Formula- und Falcon-Booten, schnittigen Sport- und Freizeitbooten made in den USA und wurde später Glastron-Generalimporteur für Deutschland, Österreich und die Schweiz, berichtet Leopoldine Tibus. „Der Mercedes auf dem Wasser“: „Glastron war der Mercedes auf dem Wasser“, erklärt die 81-Jährige. Das Modell Glastron GT 150, heute ein Klassiker, 1973 im James-Bond-007-Film „Live and let die“ berühmt geworden, erzählt Tibus. Das Besondere an den Booten sei, „dass sie ganz flach im Wasser liegen.“ Egal ob Messebesuche oder Verkaufsgespräche, „ich war immer dabei und bin dann so reingerutscht“, sagt sie rückblickend. Auch James Bond fuhr Glastron-Boot: Das Geschäft mit den Booten lief gut und am Firmen- und Wohnsitz des Ehepaars Tibus in Bad Lauterberg reichten die Platzkapazitäten nicht mehr aus. 1976 kauften sie das rund 170000 Quadratmeter große Gelände der „Schickert-Werke“ in Rhumspringe, auf dem der Energiekonzern Preussen Elektra bis 1972 ein Kohlekraftwerk betrieb. Noch heute stehen alle sechs Hallen und das einstige Kraftwerksgebäude. Die zwei großen Schornsteine auf dem Areal sind schon von weitem zu sehen. In fünf der sechs Hallen standen die Boote, erinnert sich Leopoldine Tibus. Bis zu 600 Stück hätten sie pro Jahr importiert. Die Lage in Rhumspringe – mitten in Deutschland – sei ideal gewesen. Als Bruno Tibus 1998 starb, übernahm Leopoldine das Ruder, um die „Hallen voller Boote“ leer zu bekommen. „Das letzte Boot wurde 2016 verkauft“, sagt sie. Jetzt sind noch die verbliebenen Ersatz- und Zubehörteile an der Reihe – eine Fundgrube für Eigentümer von Oldtimer-Booten bestätigt Violetta Krieter, die Leopoldine Tibus seit 1978 zur Seite steht. „Die Kunden sind so glücklich, wenn wir ihnen helfen können“, erzählt Krieter. Hallen bieten Platz für Mieter: Die Hallen auf dem großen, gepflegten Grundstück seien vermietet, sagt die Seniorchefin. Ein Großteil der Flächen nutze beispielsweise die Harzer Papierfabrik (Smurfit Kappa) als Zwischenlager. Auch ein Tischler zählt zu den Mietern. Eine ihrer drei Töchter kümmere sich vorwiegend um die Vermietung, sagt die 81-Jährige, doch zuhause bleiben komme für sie nicht in Frage. „Dreimal pro Woche bin ich in Rhumspringe, denn Zuhause ist es mir zu langweilig“, sagt Tibus. Mieter, Kunden wie auch Mitarbeiter – Tibus freut sich über „das ganz tolle Miteinander“ auf dem Gelände. Im einstigen Kraftwerksgebäude parkt übrigens so mancher sein Wohnmobil, Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen, Mobiliar oder seine Kübelpflanzen. Sogar der Wagen der Nixe Rhuma steht hier. Und manchmal stellen auch Bootseigner in Rhumspringe ihre Schiffe unter. Die zwei 80 Meter hohen Schornsteine weisen schon von weitem den Weg zum Gelände der früheren Schickert-Werke in Rhumspringe. Sie zählen zum Kohlekraftwerk, das von der Preussen Elektra bis 1972 betrieben worden ist. Das Areal hatte sogar Bahnanschluss, über den die Kohle angeliefert wurde. Ursprünglich errichtet wurde der Industriekoloss mit einer Fläche von 17,61 Hektar in der nationalsozialistischen Zeit. Genauer: mit dem Blut und Schweiß von 1600 Zwangsarbeitern. Hier sollte Wasserstoffperoxid hergestellt werden, als Treibstoff für U-Boote und V2-Raketen – über den Probebetrieb kam man nicht hinaus. Dennoch hält sich bis heute die Geschichte, hier sollte „schweres Wasser“ für den Bau von Atombomben produziert werden. Die Heimatforscher sind sich sicher: Das Schickert-Werk in Rhumspringe ging nicht mehr in Betrieb. Um das Werk Rhumspringe mit Strom zu versorgen, wurde ein eigenes Kraftwerk gebaut, welches nach dem Krieg im Frühjahr 1949 in Betrieb ging. Sie erreichen die Autorin per E-Mail an b.eichner-ramm@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499712. Von Britta Eichner-Ramm