Karten gegen Trainer: Das sagen Offizielle aus der Region Göttingen

Bislang konnten nur Fußballer für ihr Fehlverhalten auf dem Platz mit einer gelben oder roten Karte bestraft werden. Seit Saisonbeginn können die Unparteiischen von der Bundesliga bis zur Kreisklasse auch Trainer und Teamoffizielle mit den neonfarbenen Signalkarten disziplinieren. Eine Bilanz – wie hat sich die Regeländerung auf den Plätzen der Region ausgewirkt? „Das Verhalten der Trainer verändert sich dadurch nicht“, sagt Mario Birnstiel, Schiedsrichterlehrwart des NFV-Kreises Göttingen-Osterode und aktiver Regionalliga-Schiedsrichter. „Ich bin ein Riesenfreund dieser Möglichkeit, weil es durch das Zeigen der Signalkarten, für alle sichtbar ist“, so Birnstiel. In der Fußball-Bundesliga sorgt das Thema Verwarnungen gegen Trainer mehr denn je für Diskussionsstoff. So zeigten die Referees bereits zwölf Mal die gelbe Karte und einmal sogar die gelb-rote Karte. Vorreiter sind dabei Gladbachs Marco Rose und der Paderborner Steffen Baumgart. In der Eliteklasse des Fußballs werden die Übungsleiter nach vier gelben Karten für ein Spiel gesperrt. Härtere Strafen gegen Trainer: „In der Bundesliga ist die Anwendung der neuen Regel viel schwieriger, weil es eine deutlich größere Außenwirkung gibt. Auf unserer Ebene kennen sich viele Schiedsrichter und Trainer persönlich – da lässt sich Vieles in einem Gespräch lösen“, ergänzt Birnstiel, der selbst mit der neuen Regel noch keine Erfahrungen gemacht hat. Der Kreislehrwart betont aber, dass die Trainer den Spielern gleichgestellt werden, aber letztlich für Vergehen härter bestraft würden. Beispielsweise kann ein Trainer für ein deutliches „Ballwegschießen“ sogar eine rote Karte kassieren, ein Spieler hingegen nur gelb. In den Ligen der Region haben die Trainer und Schiedsrichter eher weniger Berührungspunkte mit der neuen Disziplinarmaßnahme. „Ich habe das selbst noch nicht erlebt und finde die Möglichkeit auch nicht so gut. Ich muss allerdings meinem Co-Trainer das ein oder andere Mal mitteilen, dass er ruhiger sein muss. Zumindest sehe ich das für unseren Bereich nicht als großes Thema“, sagt Enrico Weiß, Trainer des Bezirksligisten Sparta Göttingen. Etwas anders sind die Erfahrungen vom langjährigen Coach des SCW Göttingen, Marc Zimmermann. „Ich habe ein bemerkenswertes Spiel gegen Northeim II erlebt. Dort sind alle Trainer vom Platz geflogen. Bei Northeim sogar auch der Co-Trainer“, erinnert sich Zimmermann, der bei diesem Spiel als Vertretung einsprang. Die Karten seien nach seiner Meinung eher „wegen Kleinigkeiten“ verhängt worden. „Ansonsten finde ich die Regelung gut. In diesem Spiel wurde es ausgenutzt. Viel wichtiger wäre ein vernünftiger Umgang zwischen Trainern und Schiedsrichtern“, betont Zimmermann. Wichtig sei, dass die Emotionen, die zum Fußball dazu gehören, nicht verloren gingen. „Ich kann mich an eine Szene als Assistent in der Oberliga erinnern, als ein Trainer seine Coaching-Zone etwa 25 Meter verlassen hatte, um beim Assistenten zu protestieren. Früher wäre es schwierig gewesen, den Trainer nicht aus dem Innenraum zu verweisen – jetzt war es gut, dass man Gelb geben konnte“, sagt Nils Haak, Landesliga-Schiedsrichter. „Die Regelung finde ich sehr gut. Die Trainer verhalten sich allerdings nicht auffällig anders. Nach einer Verwarnung sind sie jedoch ein wenig vorsichtiger“, so Haak. Der Unparteiische kann die Diskussion, auch in der Bundesliga, eher weniger nachvollziehen. Zumal die Trainer eine „zweite Chance“ erhielten. Fabian Adam, Teammanager der SG Bergdörfer, erlebte beim Auftritt des Bezirksligisten in Grone am vergangenen Wochenende eine Verwarnung für die Ersatzbank. „Nach einem Foul an der Außenlinie sprang unsere komplette Ersatzbank auf. Der Schiedsrichter hat dann dem Trainer stellvertretend die gelbe Karte gezeigt“, sagt Adam. Der Eichsfelder betont, dass sich durch die Regelung nicht so viele verändert habe. Vielmehr appelliert Adam an einen respektvolleren Umgang. „Es sollte sich jeder eher auf seine Aufgabe konzentrieren – dann wäre dieses Thema gar nicht so im Fokus“, gibt der SG-Teammanager zu bedenken. Wahrnehmung für Zuschauer: Auf Kreisebene hat sich laut Aussage von Klaus Henkel, Vorsitzender des Spielausschusses, recht wenig verändert. Vielmehr glaubt Henkel, dass das Verhalten der Übungsleiter sich verbessert habe. „Die gelbe Karte wird zwar durch den Schiedsrichter erfasst, hat aber erstmal keine Folge. Eine gelb-rote oder rote Karte ist ja dem bisherigen Innenraumverweis gleichzusetzen – der wird, nach wie vor, auch mit einer Geldstrafe geahndet“, so Henkel. Der Spielausschussvorsitzende hat eine Bestrafung mit der gelben Karte noch nicht gesehen, begrüßt aber die Regeländerung. „Jetzt können Außenstehende deutlich sehen, wenn ein Trainer verwarnt wird. Früher gab es ein Gespräch“, ergänzt Henkel. Im Kreis Göttingen-Osterode soll es in der laufenden Saison nur zwei Fälle mit einem Verweis eines Trainers gegeben haben. „Bei uns im Kreis machen die Schiedsrichter von der Möglichkeit bisher wenig Gebrauch“, sagt Kreisvorsitzender Hans-Dieter Dethlefs, der moniert, dass die Schiedsrichter das Verhalten von Trainern und Offiziellen oftmals sehr unterschiedlich bewerten. „Mir fehlt häufig das persönliche Gespräch und das bekannte Fingerspitzengefühl“, so Dethlefs. Besonders verbesserungswürdig sei die Regelung mit der gelben Karte gegen einen Trainer, der bestraft werden kann, auch wenn er nichts gemacht habe. Von Jan-Philipp Brömsen

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