Göttingens Helden in der Coronakrise: Der ehrenamtliche Verkäufer im Weltladencafé

Morgens öffnet er die Ladentür und räumt ein, den Tag über berät er Kunden und bereitet Kaffee zu, abends desinfiziert er alle Klinken und die Toilette, dann schließt er ab – um am nächsten Tag wieder aufzumachen. Seit dem 18. März arbeitet Franz Eisele montags bis sonnabends im Weltladencafé an der Nikolaistraße 10. Unbezahlt und ohne Trinkgeld. Nur sonntags hat er frei – da ist der Laden dicht. Seine Kollegin Renate Hildebrandt, seine Mitstreiterin im Laden, hat ihn als Held des Alltags in der Coronakrise nominiert. „Seit vier Wochen schiebt er unermüdlich, ehrenamtlich, unbezahlt Ladendienst“, lobt Hildebrandt. Vor Corona war er nur mittwochs zwischen 10 und 12 Uhr im Laden: „Ich kam über die Awo-Tagesstätte darauf“, sagt der 34-Jährige, der erst seit Mai 2019 in Göttingen lebt. Ein „psychisches Leiden“ habe er – die Abwechslung in der Arbeit tue ihm sehr gut. „Mal kassieren, dann wieder dekorieren, handwerklich arbeiten und Kaffee zubereiten – wir machen hier das meiste selbst und ich habe einige Fähigkeiten“, sagt er. „So sollten wir nicht leben“: Mit dem Kollektivgedanken konnte er sich sofort identifizieren – und mit den vertretenen Werten. „Mir war schon mit 13 Jahren beim Anblick des Plastikmülls an den Stränden klar, dass wir so nicht leben sollten“, sagt Eisele. Nun Fairtrade-Artikel und regional erzeugte Bio-Lebensmittel zu verkaufen und im Laden immer wieder auf spannende Menschen zu stoßen, mache ihm Freude. Das alte Kollektiv hinter dem Laden sei seit den Corona-Beschränkungen kaum mehr im Laden, die Treffen sind pausiert. Zu dritt halten sie die Stellung. „Wenn niemand anderes gekommen wäre, hätte der Laden dicht gemacht“, sagt Eisele. Doch das ist nicht passiert, stattdessen entwickelt er sich weiter: Eisele hat die Auslage auf Vordermann gebracht und einen Ersatz für die Café-Ecke in Form von Sitzkissen, mobiler Tischplatte und einem Teppich erdacht. „Jetzt können Menschen mit ihrem Kaffee die 50 Meter Mindestabstand einhalten und am Nikolaikirchhof ihr Getränk zu sich nehmen“, erklärt er. Auch Kunsthandwerk wird wieder verkauft: Die Menschen seien sehr glücklich, dass der Weltladen weiterhin öffnet. Meist treffen sie auf Eisele, oft auch schon weit vor 10 Uhr. „Unsere Lebensmittel durften wir die ganze Zeit über verkaufen, seit der vergangenen Woche auch wieder das Kunsthandwerk“, erzählt er. Das sei wichtig, weil sie daran am meisten verdienen – wobei das Geld an die Hersteller in den meist fernen Ländern fließt. „Wir als Laden kommen immer bei Null raus, unser Trinkgeld investieren wir zurück in Toilettenpapier und anderes nötiges“, sagt er. In der kommenden Woche kommen Fairtrade-Mund-Nasen-Masken an, mit deren Kauf man eine weitere Maske für einen Menschen in einem ärmeren Land mitfinanziert. Bis dahin können Menschen mit geringen finanziellen Mitteln eine selbstgebastelte Maske von Eisele bekommen – aus Küchenrolle und Kordel hat er sie gefertigt. „Es muss auch Masken geben für Leute, die sich keine leisten können“, sagt er mit Nachdruck. „Ich mache anderen Menschen gern eine Freude“, sagt er sanft. Für Menschen, die derzeit nicht einkaufen gehen wollen, haben die Weltladen-Mitarbeiter einen Lieferservice eingerichtet. Bestellen kann man telefonisch zu den Ladenöffnungszeiten von Montag bis Sonnabend zwischen 10 und 18 Uhr unter 0551 /486739. Ärzte und Apotheker, Krankenpfleger und Polizisten, Verkäufer und Zeitungsausträger: Ohne sie alle geht es nicht. Auch in der Corona-Krise halten diese stillen Helden des Alltags für uns alle die Stellung, um unser Leben am Laufen zu halten. Das Tageblatt stellt einige dieser Helden vor – doch es gibt noch viel mehr von ihnen in Göttingen und Umgebung, in Duderstadt und im gesamten Eichsfeld.Das Tageblatt möchte Menschen in den Mittelpunkt rücken, die mit ihrer Arbeit zur Versorgung aller beitragen. Jene, die für unsere Sicherheit einstehen oder solche, die auf eine ganz andere, stille und unbemerkte Art und Weise das Leben ihrer Mitmenschen ein bisschen besser machen. Kennen auch Sie einen oder mehrere stille Helden des Alltags, die trotz der Corona-Krise nicht zu Hause bleiben? Dann schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@goettinger-tageblatt.de oder rufen Sie uns an unter der Telefonnummer 05 51 / 90 17 66. Mehr zum Thema: Diese Menschen setzen sich für das Wohl anderer in der Corona-Krise ein. Wir sagen DANKE! Göttingens Helden in der Corona-Krise: Der Müllentsorger Sie erreichen die Autorin per E-Mail an l.lang@goettinger-tageblatt.de. Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Von Lea Lang

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