AfD in Niedersachsen mit „neuer Qualität des organisierten Rechtsradikalismus“

Für Dr. Katharina Trittel und Dr. Florian Finkbeiner vom Göttinger Institut für Demokratieforschung ist die AfD inzwischen zu dem zentralen Akteur im extrem rechten politischen Spektrum geworden. So schaffe es die Partei einerseits, vormalige rechtsradikale Gruppierungen zu integrieren, wie etwa die Ende 2017 aufgelöste „Pro Deutschland“- Bewegung. Andererseits gelinge es der AfD, auch bis weit in die bürgerlichen Mittelschichten hinein Anklang zu finden. „Hieran zeigt sich die neue Qualität des organisierten Rechtsradikalismus, weil dieser Spagat seit den 1980er Jahren mit den Republikanern keiner Partei rechts der Mitte mehr gelungen ist“, erklären die beiden Wissenschaftler. In ihren Forschungen hätten sie festgestellt, dass die AfD „ungeachtet der relativ niedrigen Wahlergebnisse“ auch in Niedersachsen in allen gesellschaftlichen Gruppen und Regionen Zuspruch finde. „Innerhalb der AfD in Niedersachsen brodelt es“, schildern Trittel und Finkbeiner. Schon länger tobe ein Machtkampf. Dabei gehe es darum, wie innerparteiliche Gruppierungen zum ehemaligen Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel stehen. Damit sei auch eine politische Richtungsentscheidung über den strategischen Weg der Partei verknüpft. „Während Dana Guth als Landesvorsitzende langfristig auf eine realpolitische Koalitionsfähigkeit abzielt und sich daher zumindest partiell und instrumentell von Akteuren, die noch weiter rechtsaußen stehen, abgrenzen will, möchte sich ein anderer Teil der Partei, der sich um den Northeimer Jens Kestner gruppiert, demonstrativ für die Strategie der sogenannten Fundamentalopposition einsetzen “, so Trittel und Finkbeiner. Neujahrsempfang der AfD Northeim mit Flügel-Männern Höcke und Kalbitz: Gepostet von AfD Kreisverband-Northeim am Sonntag, 12. Januar 2020 Dafür stehe auch die Idee des inzwischen aufgelösten „Flügels“ innerhalb der AfD. Das bedeute, so die beiden Wissenschaftler, keine parteipolitischen Konzessionen an den politischen Gegner erbringen und sich auch nicht von Rechtsaußen distanzieren. „Kestner sitzt wie Hampel derzeit im Bundestag, beide möchten aber die Landesvorsitzende Guth stürzen. Von daher wird der Machtkampf in der Partei wohl weitergehen“, prognostizieren Trittel und Finkbeiner. „Rassistische Bilder“ und Abwertungen: Auch Kristin Harney von der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie ordnet den AfD-Kreisverband mit seinem Vorsitzenden Maik Schmitz „durch die Auswahl der eingeladenen Redner*innen und die öffentlich vertretenen Positionen als flügelnah“ ein. Themen wie etwa angebliche „Clan-Kriminalität“, bei der die Beschreibung immer einhergehe mit rassistischen Bildern wie dem von vermeintlich „kriminellen Ausländern“, die Abwertung von demokratischen Akteuren und etablierter Parteien, politisch nicht-rechten Personen und Medien seien Themen, die konsensfähig seien, erklärt Harney. Gerade erschienen: Finkbeiner, Florian; Schröder, Niklas: Die AfD und ihre Wähler in Niedersachsen. Eine Fallanalyse zum Sozialprofil der Wählerschaft und ihrer politischen Einstellungen am Beispiel von Niedersachsen, FoDEx-Studie Nr. 4, Göttingen 2020. Finkbeiner, Florian; Trittel, Katharina; Geiges, Lars: Rechtsradikalismus in Niedersachsen. Akteure, Entwicklungen und lokaler Umgang, Bielefeld 2019. Sie erreichen den Autor unter: E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib Von Michael Brakemeier