Kunst-Gala 2020 in Göttingen

Die Erinnerung an den „Earth Song“ von Michael Jackson kommt einem automatisch in den Sinn beim Finale der 19. Kunst-Gala im Deutschen Theater. Alle Mitwirkenden singen gemeinsam mit der am Klavier sitzenden Karin Bender den eigens von ihr und ihrer Band The Reason für die Gala komponierten Song „In the heat of the world“. Auf der Leinwand im Hintergrund ist er zu sehen, der Erdball, der in der gut dreieinhalbstündigen Veranstaltung eine Hauptrolle spielt. „Die Gala ist nicht wie sonst, sondern wir haben in diesem Jahr ein Thema in den Mittelpunkt gestellt“, erzählen die Moderatoren Nils König (Vorstand Kunst-Verein) und Silke Inselmann (Gesellschafterin des Beratungsunternehmens Widserve). Es geht um Klimawandel, mit dem sich die Künstler auseinandersetzen sollen. Ein ernstes Thema – dennoch gelingt es den Mitwirkenden, es mit einer gewissen Leichtigkeit herauszuarbeiten, ohne die Tragweite dabei aus den Augen zu verlieren. Auftritt des Jungen Theaters Göttingen: Xara ist eine junge Frau, die den Klimawandel unbedingt aufhalten möchte und Mitstreiter sucht. Eigentlich lebt sie bereits im Jahr 2135, doch sie hat sich auf eine Reise in die Vergangenheit begeben, um herauszufinden, an welchen Schrauben sich noch etwas stellen lässt. Ihre kleine mitgebrachte Drohne spürt viel Kraft und Kreativität im Raum. Doch bei der Entschlossenheit, Dinge auch aktiv umzusetzen, scheint noch viel Luft nach oben zu sein. Auf ihre Fragen, wer Vegetarier werden und nur noch gebrauchte Kleidung tragen würde, sind die in die Höhe gehenden Arme überschaubar, und werden auch bei der letzten Frage nach Handyverzicht nicht mehr. „Wie wollen wir denn Großes bewegen, wenn wir uns nicht einmal auf Kleinigkeiten einigen können“, sagt Xara vorwurfsvoll und lässt die Zuschauer mit dem Beitrag des Jungen Theaters „fridays.future.“ nachdenklich zurück. Sich einmischen, damit haben Ragna Diederichs und Leonard Krayser von „ Fridays for future “ überhaupt kein Problem. Die jungen Aktivisten werden sich nicht aufhalten lassen, weiter für ihre Sache zu kämpfen. „Wir wissen, dass wir unbedingt etwas tun müssen, um den Klimawandel aufzuhalten. Dieses Wissen ist ein Privileg, daraus erwächst die Pflicht, zu handeln. Wir müssen eintreten für unsere Werte, wir streiken, bis ihr handelt“, appelliert er eindringlich. Selbstbewusst und entschlossen auch seine Mitstreiterin Ragna Diederichs. „Fest steht, wir haben recht“, sagt sie und bezieht sich auf die Ausführungen von Moderator Nils König, der zwischen den einzelnen Präsentationen mit Zahlen und Grafiken belegt, worauf die Welt hinsteuert, wenn nicht schnellstmöglich gehandelt wird. Dabei führen seine Redebeiträge keineswegs dazu, dass sie unterbrechend wirken, sondern sind gekonnt als Überleitung eingesetzt. Endzeitstimmung: „So genießen Sie die Tage mit ausreichender Atemluft“, empfiehlt das Ensemble des Theaters im OP/Improsant. Bedrückend wirkt die Szene auf der Bühne: Die auf die Leinwand projizierte Uhr zählt runter, Endzeitstimmung macht sich breit. Wie nutzt man die verbleibende Zeit, was ist einem noch wichtig? Ein betroffenes Publikum bleibt zurück. Sehr einfühlsam und mit einer unglaublichen Grazie behandelt die Göttinger Balletschule „art la danse“ das Thema Klimawandel. Förmlich spürbar ist die Bedrohung, sehr gut herausgearbeitet in Form eines knallroten Tuches – dies droht alles zu ersticken. Björn Jentsch ist zweifelsohne ein Künstler an seinen Instrumenten. Und verdient es, bei seiner Kunst beobachtet zu werden. Doch der Blick schweift automatisch auf die Leinwand, dort kämpft Buster Keaton im Stummfilm „Steamboat Bill jr.“ gegen die Urgewalten eines Hurrikans. Mit mehr oder weniger großem Erfolg, aber Jentsch verleiht dem Film mit seinem Spiel so unglaublich viel Leben, dass die Zuschauer sich immer wieder ablenken lassen. Der Beifall gehört dem sympathischen Künstler dann aber ganz allein. Verlangen, Vernunft, Nähe: Den Nerv des Publikums komplett trifft die Showtanz-AG des Otto-Hahn-Gymnasiums. „Love in the dark“. Es geht um große Gefühle, um Verlangen, um Vernunft, um Nähe, um Hingabe, aber auch um Distanz. Alles fühlt sich extrem gut an, aber ist es auch richtig. Die jungen Tänzerinnen überzeugen mit einer unglaublich stimmungsvollen Performance und werden begeistert gefeiert. Fetzig, mitreißend und gar nicht leise präsentieren sich Ensemble-Mitglieder des Jungen Theaters. „ Wild Thing “ – der Titel der Musikshow ist Programm und reißt das Publikum mit. Den besten Beweis, dass man ein ernstes Thema auch humorvoll aufbereiten kann, liefert die Comedy-Company mit Katrin Richter und Lars Wätzold. Das Duo ließ sich „handelsübliche Gefühle“ aus dem Publikum zurufen, um diese dann anschließend in einen völlig frei improvisierten Dialog einzubauen. Und hatten für den ambitionierten Häuslebauer am Ende einen überraschenden, wenn auch nicht ganz ernst gemeinten Tipp parat: Dämmen Sie mit Hanf, abwechselnd mit Styropor – halbökologisch sozusagen. Kammermusikensemble des GSO: Die Zuschauer brauchen ein paar Minuten, um sich von diesem Highlight zu erholen. Wobei an diesem Abend jeder Auftritt auf seine Art ein Highlight ist. Yair Lantner (Viola) und Albrecht Vogel (Violoncello) vom Kammermusikensemble des GSO verzaubern im Beethoven-Jahr mit einem Duett. Die KAZ -Akrobaten titeln ihren Auftritt zur Klimakrise mit „Hinschauen oder Weggucken? Überzeugen dabei mit perfekter Körperbeherrschung. Einen Vorgeschmack auf die eigentliche Uraufführung, die am 13. März im Deutschen Theater gezeigt wird, bietet der Ausschnitt aus „Bombe“. Und macht Appetit auf mehr. „Adventure“ heißt die von Markus Götz geschriebene Filmmusik zu einem fiktiven Abenteuerfilm, vorgetragen vom sinfonischen Blasorchester Göttingen „göfonio“. Die Gala-Besucher erleben mit, wie der junge, unbeugsame Held Gefahren übersteht und die Liebe einer schönen Prinzessin als Belohnung erhält. Doch er schlägt die Belohnung aus und stellt sich dem Ruf nach neuen Herausforderungen. Front Porch Picking: Diesen Herausforderungen sind sich viele bereitzustellen, so auch die Kids for Future mit ihrem Programm „Denkt mal darüber nach“, die im zweiten Abschnitt der Gala das Publikum im DT-Studio unterhalten. Wie auch das „theater FARB-LOS“ mit „Der Junge mit dem Koffer“ auf Missstände aufmerksam macht. Darüber hinaus überzeugen die Weltenschreiber vom literarischen Zentrum mit einer Poetry-Slam-Performance. Sehr klimaneutral präsentierte sich die Band „Front Porch Picking“. „Mit der Band können sie nach Hawaii fliegen, ohne ein Flugzeug benutzen zu müssen“, scherzt Nils König. Auf eine Klangpoesie und wilde Loops kann sich der Zuschauer mit Sabine Mariss einlassen, die mit ausdrucksstarker Stimme, Klarinette und Wippkordeon intensive Klanglandschaften im Bellevue zaubert. Nach dreieinhalb Stunden, die von bester Unterhaltung bis hin zu wertvoller Information alles beinhalten, demonstriert das Schlussbild mit sämtlichen Künstlern große Einigkeit und die Botschaft: Nur gemeinsam können wir es schaffen, den Klimawandel zu stoppen. Lesen Sie auch: Werbung für Kunst und Kultur in Göttingen Die Autori n ereichen Sie unter: E-Mail: v.schwarze@goettinger-tageblatt.de Von Vicki Schwarze

Deutsches Theater - Kunst-Gala in Göttingen: Klimawandel im Mittelpunkt – Erlös wird gespendet