Life-Science-Start-Up-Day in Göttingen

Seit drei Jahren existiere die Idee, eine Life-Science-Factory zu gründen, sagt Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender des Göttinger Konzerns Sartorius. In Boston habe er sich ähnliche Modelle angesehen. Klären wollte er dann die Frage: „Passt die Idee zu Göttingen.“ In München habe er dann den sehr gut vernetzten Unternehmensgründer Marco Janezic getroffen. Ihn habe er engagiert, um das Potenzial in Südniedersachsen zu testen. Der habe zahlreiche Interviews beispielsweise mit Heyo K. Kroemer, damals im Vorstand der Universitätsmedizin Göttingen, und der damaligen Universitätspräsidentin Ulrike Beisiegel geführt. Das Ergebnis seiner Arbeit laut Kreuzburg: Die Lücke zwischen Potenzial und dem, was da ist, sei nirgends so groß wie in Göttingen. Bettelarmer Nobelpreisträger: Also gründete Sartorius die Life-Science-Factory, Geschäftsführer ist Janezic, der den Life-Science-Start-up-Day mit entwickelte und entspannt durch den Donnerstag moderierte – an seinem Geburtstag. Am Vormittag sprach Hell sehr launig von seinem Werdegang und den Hürden, die er als Wissenschaftler, aber auch als Firmengründer überwinden musste. Für seine Entwicklung des hochauflösenden Mikroskops erhielt er 2014 den Nobelpreis. Die Idee sei ihm in Turku/Finnland gekommen, wo er zwischen 1993 und 1996 forschte. Finanzieren wollte weder vorher noch hinterher jemand die Arbeit an der „radikalen Idee, die eine ganze Sparte begründet hat“, so Hell. „Bettelarm“ sei er damals gewesen, einen „alten, verbeulten Opel Kadett E“ habe er gefahren. Über Expertengutachten hinweg gesetzt: Das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie sei dann 1997 auf ihn aufmerksam geworden und habe ihm eine Fünfjahresstelle angeboten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung habe allerdings seine Arbeit an der hochauflösenden Mikroskopie erst nicht fördern wollen. Der Chef der Behörde habe sich dann allerdings über ein Expertengutachten hinweg gesetzt und die Finanzierung genehmigt. Den Nobelpreis erhielt er 2014 dafür, die Grenzen der Mikroskopie, die mehr als 100 Jahre Bestand hatten, verschoben zu haben. Heute sei die Auflösung um das 100-fache größer als vor seiner Erfindung. Mit meist ehemaligen Mitarbeitern aus seinem Forschungsteam gründete er eine Firma, die das sogenannte Sted-Mikroskop zur Marktreife entwickelte, „alles organisch gewachsen und profitabel vom ersten Tag an“. Den angehenden Firmengründern sagte er mit Blick auf das Gründungsumfeld: „Ich kenne das Ökosystem wie meine Westentasche.“ Als wesentlich für die Gründung einer Firma nannte er den Wissensvorsprung, den es zu nutzen gelte, auch wirtschaftlich. Das Wissen müsse vermarktet werden. Bekräftigung vom Minister: Vorab hatte zum Auftakt bereits Stefan Muhle, Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, die Unterstützung seines Hauses für den Life-Science-Standort Südniedersachsen verkündet – was sein Minister Bernd Althusman (CDU) bei einer Podiumsrunde am Nachmittag eindrücklich bekräftigte. Das Ministerium sei Mitinitiator des Life-Science-Start-up-Days, „weil wir den Life-Science-Bereich im Göttinger Raum für sehr stark halten“, sagte Muhle anschließend im Tageblatt-Gespräch. Neben Mobilität, Energie und Ernährung sei dies eine der Säulen in Niedersachsen. In Südniedersachsen gebe es mit der Universitätsmedizin, Sartorius und Otto-Bock eine besondere Kompetenz“. Sogar eine Vorreiterrolle traut der Staatssekretär der Region zu, „weil der Wille da ist und die Verbundenheit mit der Region. Der Plan: „Ideen realisieren zu den bestmöglichen Bedingungen.“Zehn Start-up-Center in Niedersachsen würden gefördert, erklärte Muhle, eines davon in Göttingen. Forschung sei notwendig, „doch irgendwann muss es auf die Straße“. Das gehe in anderen Ländern einfacher als in Deutschland. In den USA gebe es dafür beispielsweise mehr Geld. Die Antwort der Ministeriums auf diesen Mangel: die Gründung eines Start-up-Beirates, der unter anderem privates Kapital mobilisieren solle. Förderprogramme wie ein Gründungsstipendium seien aufgelegt worden. Muhle: Ich will Dinge möglich machen, nicht sagen, das machen wir.“ „Die Saat ist da, jetzt müssen wir nur noch düngen und gießen“, meinte Janezic. Lesen Sie auch: Nobelpreisträger Stefan Hell will Wirtschaftsstandort Göttingen stärken „Dynamik aufsaugen“: Zu den Organisatoren der Konferenz zählt auch der Prothetik-Weltmarktführer Ottobock in Duderstadt. Dessen Vorstandschef Philipp Schulte-Noelle erhoffte sich im Tageblatt-Gespräch „viele neue Impulse“ von der Konferenz. Er wolle „die Dynamik des Gründerumfelds an diesem Tag aufsaugen“. Ziel sei es auch, das Netzwerk zu erweitern. Ziel sei es, „die Sartorius-Inititive zu verstetigen“. Auch im kommenden Jahr soll es einen Life-Science-Start-up-Day geben, Schulte-Noelle will „alles dafür tun, wieder dabei zu sein“. Mit dieser Konferenz sei eine neue Plattform geschaffen, ergänzte Ottobock-Sprecher Mark C. Schneider.Dass Sartorius die Life-Science-Factory in das Sartorius-Quartier, dem ehemaligen Stammsitz, verlegen wird, war bereits im Vorfeld klar. Neu allerdings ist das, was der Duderstädter Konzern dort plant. Einige Stockwerke in einem der Gebäude werde Ottobock belegen, verriet Schulte-Noelle. Eine „Leuchtturmwerkstatt“ soll dort entstehen. Die Verträge mit einem Partner würden in den kommenden Wochen unterschrieben. „Das Sanitätshaus der Zukunft“ plane Ottobock, erläuterte Digitalisierungschef Güngör Kara. Mit Scantechnologie werde ein digitaler Abdruck beispielsweise eines Stumpfes hergestellt und direkt in die Produktion weitergeleitet. Ein Industrie-3D-Drucker fertige dann passgenau die Prothese. „Wir profitieren ein Stück weit von der Strahlkraft von Sartorius“, fügte Schulte-Noelle an. Beide Konzerne kooperieren auch in den Gebäuden auf dem Gelände der ehemaligen Bötzow-Brauerei in Berlin. „Von Ihren Ideen leben wir“: Zu den Referenten zählte auch Isabel Gekel vom Südniedersachsen-Innovations-Campus (SNIC). Diese Einrichtung fördert Unternehmen, die nicht älter als fünf Jahre alt sind, „bislang ein reines Förderprojekt“. Beratung, Räume, Netzwerke, mögliche Kunden, PR und Marketing sind nur einige der Bereiche, in denen junge Start-ups unterstützt werden können. Fast zwei Jahre ist SNIC am Start, 16 Gründungen hätten sie begleitet, drei davon in Göttingen, berichtete Gekel.Zum Abschluss kamen Kreuzburg und Schulte-Noelle mit Minister Althusman zu einem Podiumsgespräch zusammen. Mit dabei Stefan Beerhalter, zuständig für das Knüpfen von Kontakten für deutsche Start-ups in den USA, Lothar Germeroth, der bereits einige Firmen gegründet und vor allem verkauft hat sowie die beiden jüngeren Unternehmer Andrea Jochheim-Richter und Philip Mertes. Althusman würdigte die Start-Up-Gründer: „Sie wollen unser Land voranbringen. Von ihren Ideen leben wir.“ Und zu dem Life-Science-Start-Up-Day sagte er: „Ich möchte, dass das eine feste Institution wird.“ Mehr zu der Konferenz: Nobelpreisträger Stefan Hell spricht beim Life Science Start-up Day in Göttingen Darum engagiert sich Sartorius beim Life-Science-Start-Up-Day Göttinger Life-Science-Start-up-Day will Szene vernetzen und inspiriere Von Peter Krüger-Lenz

Life-Science-Start-Up-Day in Göttingen - Nobelpreisträger Hell: „Wissen muss vermarktet werden“