Neu Bethlehem in Göttingen: Eine Geburt ist kein "Trimm-dich-Pfad"

Dr. Dietrich Kulenkampff, Chefarzt am Agaplesion Krankenhaus Neu Bethlehem in Göttingen, hat im Jahr 2019 mit seinem Team 1142 Kindern auf die Welt geholfen. „Die meisten hier in Göttingen“, sagt der Gynäkologe nicht ohne Stolz. Damit ist im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Anstieg zu verzeichnen, denn 2018 waren es 1064. Der Anteil der werdenden Mütter, die über 40 Jahre alt sind, steigt weiter an. „Dies ist mit dem medizinischen Fortschritt zu erklären“, berichtet Kulenkampff. Zu 99,9 Prozent lassen es sich die werdenden Väter nicht nehmen, bei der Geburt dabei zu sein. In der Klinik besteht die Möglichkeit, sich in einem sogenannten Familienzimmer, davon gibt es insgesamt neun, aufzuhalten. „Es ist wichtig, dass die Männer an der Seite der werdenden Mütter sind, denn sie müssen ja passiv erleiden, was die Partnerin durchmacht. Denn in einer Schmerzsituation kann man nicht diplomatisch sein“, erzählt der Klinikchef aus langjähriger Erfahrung. Mit Plan in die Klinik: Er hat es schon oft erlebt, dass die Frauen mit einem „Geburtsplan“ in die Klinik kommen. Der aber häufig komplett über den Haufen geworfen wird. „Es ist gut möglich, dass eine werdende Mutter zu uns kommt, die den festen Plan hat, ihr Baby im Wasser zu bekommen, weil sie auch sonst gern badet. Doch dann steckt sie nur den kleinen Zeh ins Wasser und empfindet es als so unangenehm, dass der Plan von einer Minute auf die andere hinfällig ist.“ Eine Geburt sei kein Trimm-dich-Pfad, erläutert er. Nichts von dem, was auf die werdende Mutter während der Geburt warte, könne im Vorfeld vorausgesagt werden. „Man kann es sich einfach nicht vorstellen. Für viele ist es dann im Nachhinein ein Problem, dass man es nicht mehr unter Kontrolle hat“, sagt Kulenkampff. Lesen Sie auch: Duderstädterin bringt Sohn im Pool mitten im Wohnzimmer zur Welt Eine Zertifizierung als babyfreundliches Krankenhaus hat Neu Bethlehem. „Hebamme und Arzt stellen ein gutes Team dar“, erklärt der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der seinen Beruf seit 25 Jahren ausübt. Für den es aber selbst nach dieser langen Zeit immer noch Situationen gibt, bei denen er angespannt ist, beispielsweise bei einer Beckenendlagegeburt. Kaiserschnitte in der Minderzahl: Nicht so häufig vor kommen in seinem medizinischen Alltag Kaiserschnitte. 26,8 Prozent der Mütter haben im vergangenen Jahr auf diese Weise entbunden. „Wir sind in Göttingen die Klinik mit den wenigsten Kaiserschnitten“, berichtet Kulenkampff. Er und seine Kollegen versuchen schon im Vorfeld, die werdenden Eltern optimal zu unterstützen. Durch Geburtsvorbereitungskurse, Hebammensprechstunden, ärztliche Gesprächsabende und Rundgänge durch die Wochenstation und Entbindungsräume wird versucht, Geborgenheit und Vertrauen im Zusammenspiel mit der medizinischen Funktion zu vermitteln. Nicht zuletzt aus diesem Grund lautet der Grundsatz in der Geburtsabteilung der Klinik auch: So natürlich wie möglich und so sicher wie nötig. Lesen Sie auch Geburtshilfe ausgebaut Die Autorin erreichen Sie per E-Mail an v.schwarze@goettinger-tageblatt.de Von Vicki Schwarze