„Bilden, Gründen, Wohnen“ – das soll in dem neuen Quartiert zusammengeführt werden. So jedenfalls sieht es der Masterplan vor, erläuterte Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD). Er wies darauf hin, dass Sartorius, eröffnet 1870 als feinmechanische Werkstatt, eine der ältesten Ausgründungen aus der Universität sei. 50 seien es über die Jahre geworden, „fast alle noch am Markt, fast alle noch in Göttingen“. Köhler: „Damit das weitergeht, braucht es Baulichkeit.“ Die soll auf dem Sartorius-Gelände entstehen.
Was dort entstehen soll, erläuterte Christoph Kleiner, Chef der Projektentwicklungsfirma Hamburg Team. Auf einer Fläche von etwa 17820 Quadratmeter sollen 125 Miet- und 90 Eigentumswohnungen entstehen. Bis zu 800 Menschen sollen dort wohnen können, etwa 500 arbeiten. Tiefgaragenplätze für 380 Fahrzeuge sollen gebaut werden – „unter allen Neubauteilen“, erläuterte Kleiner. Eine Unterkellerung der erhaltenen Gebäude sei zu aufwendig.
Gewerbe und Gesundheitscampus
Im Zentrum des Geländes sollen Gewerbe und der Gesundheitscampus angesiedelt werden, der bereits seit 2016 Mieter in einem der historischen Gebäude ist. Der Campus ist aus einer Kooperation der Universitätsmedizin und der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst entstanden. Der Sartorius-Vorstandsvorsitzende Joachim Kreuzburg plant, die Sartorius Life Science Factory dort unterzubringen und damit Wissenschaft und unternehmerische Kompetenz zusammenzuführen. Der Südniedersachsen Innovationscampus hat schon Räume in dem Gebäude an der Weender Landstraße bezogen, die abgerissen werden, ein neuer Ort für die Unterstützer von Gründern wird sich auf dem Gelände finden. Und mit der Firma Ottobock aus Duderstadt seien die Gespräche über eine Ansiedlung auf dem Sartorius-Gelände weit fortgeschritten, berichtete Kreuzburg.
Am Nordende des Geländes zur Daimlerstraße hin ist bislang neben Wohnungen auch der Bau einer Kindertagesstätte geplant. Gespräche mit der Arbeiterwohlfahrt als möglichem Betreiber laufen, sagt Kleiner. Und der Gebäuderiegel an der Weender Landstraße soll einem Hotel-Neubau mit 124 Zimmern, einer Bar und 114 sogenannten Smartapartments für das Wohnen auf Zeit weichen. Der Betreiber der Anlage ist mit Freigeist & Friends bereits gefunden. „Die Verträge sind unterschrieben“, erklärte Kleiner. Sehr neu in den Planungen ist die Idee, dort auch „eine lustige Kochschule zu etablieren“, schilderte Kleiner. Ebenfalls dort sollen ein kleines Café und Einzelhandel zur Nahversorgung angesiedelt werden.
Nur noch die Fassade
Einige Gebäude mit historischer Bedeutung sollen erhalten bleiben. Der Turm im Zentrum soll „das Alte mit dem Neuen verbinden“, so Kleiner. Dessen Nutzungskonzept sei allerdings noch offen. Von der markanten Halle mit dem Sägezahn-Dach, die laut Aussagen bei früheren Informationsveranstaltungen erhalten bleiben sollte, steht allerdings nur noch die Fassade auf einer Seite. Nicht hoch genug sei die Halle gewesen, um sie zu erhalten, sagte Kleiner. Dort sollen Vorlesungen und andere Veranstaltungen Raum finden.Entstehen sollen auch öffentlich nutzbare Außenflächen. Kleiner: „Das Gelände wird nie mehr einen Zaun haben.“
Das Hamburg Team
Die Projektentwickler Hamburg Team sind laut Geschäftsführer Christoph Kleiner eine inhabergeführte Unternehmensgruppe mit mehr als 50 Mitarbeitern. Seit 1997 befasst sich das Unternehmen mit Projektentwicklung, seit 2017 auch mit Gebäudeverwaltung. In Hamburg und Berlin habe seine Firma bereits ähnliche Projekte wie das Sartorius-Quartier in Göttingen umgesetzt. Als ungewöhnlich beschreibt er allerdings den Start in Göttingen: „Wir kamen hier an, und es gab einen Masterplan und schon Nutzer.“ Sonst stehe am Anfang immer „ein blankes Grundstück“.
Der Zeitplan steht auch bereits. Das Jahr 2018 soll noch für die Planung und das Einreichen von Bauanträgen genutzt werden. 2019 soll mit dem Bau begonnen werden. Vorgezogen haben die Planer von Hamburg Team die Eigentumswohnungen, die an der Annastraße entstehen sollen. Der Beginn des Vertriebs ist für das vierte Quartal 2019 vorgesehen. Mit ersten Fertigstellungen rechnen die Organisatoren für das Jahr 2021.
Raum für Kinder
In der anschließenden Bürger-Fragestunde ging es unter anderem um möglichen Raum für Kinder und deren Sport. Hier planen die Organisatoren nichts, erklärte Oberbürgermeister Köhler. Er verwies auf die Möglichkeiten in drei naheliegenden Schulen und auf die Planung einer dritten Gesamtschule. Auch Sportplätze seien vom Sartorius-Gelände aus gut zu erreichen.
Die Sanierung des Bodens auf dem Sartorius-Gelände erklärte Kreuzburg schließlich für erfolgreich abgeschlossen. Er berichtete von der Galvanik, die vor Jahren dort betrieben wurde. Seit gut zwei Jahrzehnten habe Sartorius dort das Grundwasser saniert.
Umzug nach 120 Jahren
„Wir sind herausgewachsen aus dem alten Werk“, erklärt Joachim Kreuzburg, Sartorius-Vorstandsvorsitzender. Dabei ist das Quartiersgelände alles andere als klein. Um 22000 Quadratmeter Fläche geht es und eine Bruttogeschossfläche von 44680 Quadratmetern. In der fünfjährigen Bauzeit bis 2023 sollen dort 116 Millionen Euro investiert werden. Dabei sollen der Geist und das Potenzial des Quartiers spürbar bleiben. Er hoffe, dass es langfristig gelingt, „den Gesundheitscampus hier etablieren zu können“, sagte Kreuzburg.
Der Vorstandsvorsitzende erinnerte er an eine erste Bürgerinformationsversammlung im Februar 2015, damals noch im Christophorushaus. Im April 2016 dann das nächste Treffen, diesmal in einem Zelt. Die dritte Versammlung im November 2016 fand in einem der zentralen Gebäude statt, das inzwischen abgerissen ist. Deutlich sei dabei immer der Einwohnerwunsch gewesen, nicht nur studentisches Wohnen im Sartorius-Quartier zu etablieren.
Die grundsätzliche Idee hinter der Gebäude-Planung laut Kreuzburg: Die Gebäude erhalten, die eine Nachnutzungsqualität – oder aber eine historische Bedeutung.“ Dabei sticht vor allem das 1896/97 errichtete Haus hervor, das erste auf dem Gelände. Auch kündigte Kreuzburg an, dass Sägezahn-Gebäude, von dem nur noch eine Fassade dem Abriss entgangen ist, werde sein markantes Dach wiederbekommen. Die Quartiersentwicklung solle nicht mit überbordenden Mitteln angegangen werden, sondern mit einem Blick fürs Detail, kündigte Kreuzburg an. Eine Monostruktur soll vermieden, dafür aber für eine ganztägige Belebung gesorgt werden. Ein Quartirsplatz werde „en passant mitgeliefert“, verkündete Kreuzburg.
Von Peter Krüger-Lenz