Als BahnCard-Kunde wurde mir ein 15-Euro-Reisegutschein zugeschickt, den ich mir beim nächsten Kartenkauf anrechnen lassen konnte; allerdings nicht am Automaten, den ich üblicherweise benutze, sondern nur am Schalter. Also fand ich mich am Sonntagmittag extra früh am Bahnhof ein und zog mir eine Nummer. Es waren drei von sieben Schaltern besetzt und unter den Wartenden herrschte irgendwie eine gereizte Stimmung. Eine Dreiviertelstunde später war ich auch gereizt, denn vor mir waren noch 20 Nummern dran und ich musste doch an den Automaten gehen und entsprechend auf meine Gutschrift verzichten, weil ich meinen Zug ja nicht verpassen wollte. Der Automat verwehrte mir allerdings den Kauf mit der Begründung, der Zug sei bereits überfüllt. Wahrscheinlich hätte ich 45 Minuten vorher noch problemlos eine Karte kaufen können, aber mittlerweile war ich ja auf dem letzten Drücker unterwegs. Also stieg ich einfach ohne Karte in den Zug ein, wurde nicht kontrolliert und hatte am Ende nicht nur 15 Euro weniger, sondern gar nichts bezahlt. Die Ersparnis habe ich dann am Abend beim Italiener verprasst und mein Zorn wich dabei einer tiefen Genugtuung. Das hatte die Deutsche Bahn nun also von ihrem realsozialistischen Serviceverständnis, oder um es mit Andrea Nahles zu sagen: „Ätschibätschi.“
Ebenso gerecht in ihrem Zorn wie die Bahnkunden sind die Göttinger Grundstückseigentümer, die sich gegen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen durch die Stadt aussprechen, zumal die Argumente der Stadtverwaltung zur Beibehaltung der Gebühren von geradezu orwell‘scher Perfidität sind: Die Gebühr stelle keine soziale Benachteiligung dar, denn die Abschaffung „käme nicht allen Bürgern gleichermaßen zugute, sondern bewirkt einzig eine Entlastung der Grundstückseigentümer.“ Dabei ist die Gebühr ja genau deshalb unsozial, weil sie eben nicht alle Bürger betrifft, sondern nur Grundstückseigentümer, auf deren Kosten öffentliche Bereiche ausgebaut werden und vor allem auch nur bestimmte Grundstückseigentümer; nämlich diejenigen, die das Pech haben genau dort Grund zu besitzen, wo Straßen ausgebaut werden. Und das ist ungefähr so, als würden Leute, die zufällig neben einer Außenstelle der Stadtbücherei wohnen, an deren Bücheranschaffungskosten beteiligt werden
Von Lars Wätzold