Es gibt Dinge, die weder Ochs‘ noch Esel in ihrem Lauf aufhalten können, um es mal mit einem ehemaligen deutschen Staatsmann auszudrücken. Eines davon ist die Digitalisierung des Klassenzimmers. Dass die kommt, steht völlig außer Frage, da sind sich Politiker aller Länder ungewohnt einig und deshalb haben letzte Woche rund 400 Lehrer beim Schulmedientag an der Uni diskutiert, was Kinder eigentlich konkret mit Tablets und Laptops im Unterricht anstellen sollen, außer sich die Augen endgültig zu verderben, weil sie dann nicht mehr nur in ihrer Freizeit aus kurzer Distanz auf Bildschirme mit hohem Kaltlichtanteil glotzen.
Lehrer und Schüler können einem dabei wirklich leid tun, denn die Politik droht nun die nächste Sau planlos durch das Schulsystem zu jagen, nachdem sie erst mit G8 gescheitert ist und beim Thema Inklusion mehr Probleme geschaffen als gelöst hat. Außerdem ist ja noch nicht mal die grundsätzliche analoge Unterrichtsversorgung gewährleistet, also die schulische Basisleistung. Montag las ich, dass viele Schulen nur noch einen Musiklehrer haben. Und ein Musiklehrer ist ja viel wichtiger als ein Breitbandanschluss. Unsere Kinder müssen doch erstmal grundlegend musisch, kulturell und sozial gebildet werden und schwimmen lernen, bevor wir sie digitalisieren.
Natürlich sollen sich Kinder auch selbstbewusst und sicher im virtuellen Sozialraum bewegen können; aber vielleicht sollte man da erstmal eine Wochenstunde Smartphonekunde unterrichteten, statt den großen Wurf mal wieder zu versemmeln.
PS: Für die Geschwister-Scholl-Schule allerdings steckt in der Digitalisierung eine echte Chance. Wird die räumliche Teilung der Schule tatsächlich realisiert, könnte der Lehrer nämlich im Stammhaus bleiben und die Klasse in der ehemaligen Heinrich-Heine-Schule virtuell unterrichten.
Sie erreichen den Autor per E-Mail an redaktion@goettinger-tageblatt.de.
Von Lars Wätzold