Viele Exemplare aus dem globalen Süden

Augen auf beim Pflanzenkauf: Zimmerpflanzen können mit Pestiziden belastet sein

Zimmerpflanzen sind grün – aber nicht automatisch nachhaltig.

Zimmerpflanzen sind grün – aber nicht automatisch nachhaltig.

Lange Zeit galten sie als spießig, mittlerweile sind Zimmerpflanzen zum unverzichtbaren Wohnaccessoire avanciert: So thronen die grünen Mitbewohnerinnen auf Kommoden und Schränken, klettern Treppengeländer und Wände entlang oder rahmen mit ihren Blättern Sofalandschaften ein. Auf Instagram zeigen sogenannte Plantfluencer ihren „Urban Jungle“ und bieten Pflanzensprechstunden an. Und in jedem größeren Supermarkt gibt es eine Ecke mit Gewächsen fürs Zuhause. „Die Zimmerpflanze steht für Natur, Luftverbesserung, zunehmend auch Design“, sagt Corinna Hölzel, die beim BUND im Bereich Biodiversität arbeitet. Ihr zufolge erfüllen Pflanzen ein Bedürfnis nach Gesundheit, Gestaltung und einem direkten Naturerlebnis. „Und während der Corona-Zeit hat dieser Trend auf jeden Fall noch einmal zugenommen.“

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So natürlich und gesund, wie sie zunächst scheinen, sind Zimmerpflanzen aber oftmals nicht. Eine Erkenntnis, die bislang nicht sonderlich verbreitet ist: „Bei Lebensmitteln fragen mittlerweile viele Menschen, wo sie herkommen, unter welchen Bedingungen Pflanzen gezogen oder Tiere gehalten werden“, sagt Hölzel. „Beim Kauf von Zimmerpflanzen werden diese Fragen noch viel zu wenig gestellt.“

Transport belastet das Klima

Ein Großteil der Zimmerpflanzen, die in Deutschland zum Verkauf stehen, kommt aus dem globalen Süden – „einerseits wegen der klimatischen Bedingungen und andererseits, weil dort die Produktionskosten viel geringer sind“, sagt die BUND-Pflanzenexpertin. Ihr zufolge stammen die Gewächse oft aus afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern. „Kenia ist zum Beispiel ein wichtiger Standort. In Südamerika sind es zum Beispiel El Salvador, Costa Rica und Kolumbien, ein kleiner Teil der importierten Pflanzen kommt auch aus Israel.“ 2021 wurden laut dem Statistischen Bundesamt 363 Millionen Zimmerpflanzen nach Deutschland importiert. Zum Vergleich: Die Zahl der in Deutschland produzierten Zimmerpflanzen lag zuletzt bei rund 274 Millionen Exemplaren, wenn man sowohl Jungpflanzen oder Halbfertigware und Fertigware miteinrechnet. Allerdings sind dabei auch allgemeine Zierpflanzen wie Hortensien, Orchideen, Begonien und Narzissen mitberücksichtigt. Exotische Trendgewächse wie Monstera, Geigenfeige, Calathea oder Efeutute kommen darin nicht vor.

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Das bedeutet: Ehe die Pflanzen unser Zuhause verschönern, legen sie zunächst einmal viele Hundert, wenn nicht sogar einige Tausend Kilometer zurück. „Für Verbraucher und Verbraucherinnen ist es sehr schwer, die Herkunft nachzuvollziehen“, sagt Hölzel. Zwar braucht jede Pflanze in der EU einen Pflanzenpass. Als Herkunftsland ist darauf aber immer der Ort des letzten Kultivierungsschritts angegeben. „Dann kann es gut sein, dass eine Pflanze etwa aus Kolumbien importiert wird, am Umschlagplatz Holland landet, wo sie vielleicht umgetopft wird oder noch ein paar Monate wächst. Am Ende steht Holland im Pass“, sagt Hölzel.

Gefahr durch Pestizide

Das ist aber nicht das einzige Pro­blem. „Im globalen Süden werden beim Pflanzenanbau hochgefährliche Pestizide eingesetzt“, sagt die Expertin. Das gefährdet vor allem die Menschen, die die Pestizide anwenden – insbesondere, weil sie keine Schutzkleidung tragen oder nicht wirklich über die Gefahren aufgeklärt sind. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Pestizidatlas 2022, an dessen Erstellung unter anderem die Heinrich-Böll-Stiftung und der BUND beteiligt waren. Besonders hoch ist die Zahl der Pestizidvergiftungen in Südasien, gefolgt von Südostasien sowie den südlichen afrikanischen Ländern.

Zum Teil sind es Pflanzenschutzmittel, die in EU-Ländern keine Zulassung mehr haben: etwa die extrem bienengefährlichen Neonikotinoide oder das Fungizid Carbendazim, das Erbgut verändert und die Fruchtbarkeit beeinträchtigt. Produziert werden viele dieser Pestizide trotzdem in der EU, um dann in die ganze Welt exportiert zu werden.

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Bei exotischen Pflanzen kann Pestizidbelastung höher sein

Wie belastet Zimmerpflanzen genau sind, ist schwer nachzuvollziehen. Einen Hinweis gibt allerdings eine Publikation, die der BUND und seine österreichische Partnerorganisation Global 2000 im Frühjahr 2022 veröffentlichten. Thema waren speziell als bienenfreundlich deklarierte Zierpflanzen. Fast alle der 44 Pflanzen waren pestizidbelastet, oft auch mit mehreren Wirkstoffen – und sogar mit Wirkstoffen, die Bienen schaden.

Für Zimmerpflanzen gibt es keine solchen aktuellen Untersuchungen. „Ich gehe aber davon aus, dass es bei ihnen genauso ist wie bei den von uns untersuchten Pflanzen“, sagt Corinna Hölzel. „Zierpflanzen für draußen und Zimmerpflanzen haben in der Regel den gleichen Produktionsweg. Und gerade bei exotischen Sorten kann es gut sein, dass die Pestizidbelastung noch höher ist, da diese Pflanzen meist anspruchsvoller sind als Freilandpflanzen.“

Doch es gibt auch Möglichkeiten, wie Pflanzenliebhaberinnen und ‑liebhaber an wirklich gesunde Exemplare kommen. „Die allerbeste und nachhaltigste Lösung ist es, Ableger zu nutzen“, sagt die BUND-Expertin. Fündig wird man oft im eigenen Bekanntenkreis. Andernfalls gibt es auch etliche Pflanzentauschbörsen, sowohl online als auch als Veranstaltung vor Ort.

Label wie bei Lebensmitteln

Wer sich eine neue grüne Mitbewohnerin ins Zuhause holen will, achtet am besten auf Bioqualität. „Für Pflanzen gibt es die gleichen Labels wie im Lebensmittelbereich, etwa Demeter, Naturland, Bioland oder das EU-Biosiegel“, sagt Hölzel. „Für Zimmerpflanzen ist dieser Markt zwar mini – fast nicht existent. Aber manchmal findet man sie trotzdem auf Wochenmärkten, zum Teil in größeren Gartencentern.“ Auch eher lokale Gärtnereien, die selbst Pflanzen anbauen, sind ihr zufolge eine gute Anlaufstelle. Dort könne man direkt fragen, unter welchen Bedingungen die Pflanzen aufwachsen.

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