Mehrbelastung durch Anschlussfinanzierung: Was Sie als Immobilienbesitzer aktuell beachten müssen
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Hohe Inflation, hohe Kaufpreise, steigende Zinsen: Bauherren müssen ihre Finanzen aktuell gut im Blick haben. Es drohen erhebliche finanzielle Mehrbelastungen.
© Quelle: dpa
Von weniger als ein Prozent Anfang 2022 auf über 4 Prozent im Herbst dieses Jahres – die Steigerung bei den Bauzinsen ist in Deutschland historisch einmalig. Für viele Bauvorhaben oder geplante Immobilienkäufe hat das erhebliche Folgen. Der tatsächliche Nachfragerückgang bei Darlehensverträgen sei zwar schwer zu beziffern, sagt Carsten Zimmermann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverband Baufinanzierung e. V. Schätzungen gingen aber von bis zu 50 Prozent aus. „Fakt ist, dass alle Banken, Vermittler und Vermittlerplattformen gerade mächtig unter Druck stehen“, sagt er.
Seiner Ansicht nach sind allerdings nicht allein die gestiegenen Zinsen das Problem. Denn das aktuelle Niveau entspricht ungefähr dem langjährigen Mittel der vergangenen 30 Jahre. Noch 1994/1995 waren Bauzinsen sogar etwa doppelt so hoch. Allerdings sind seither die Kauf- und Baupreise dramatisch gestiegen. Zwar beruhige sich der Markt seit einigen Wochen, aber das führe nicht dazu, dass „sich Angebot und Nachfrage auf ein für Käufer bezahlbares Niveau einpendeln“, erklärt Zimmermann.
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Baugenehmigungszahlen gehen stark zurück
Erschwerend kommt eine hohe Inflation von teilweise über 10 Prozent hinzu, die vor allem auf gestiegene Energiekosten zurückzuführen ist. Potenziellen Bauherren und Käuferinnen oder Käufern steht derzeit also weniger Geld zur Verfügung als noch vor einigen Monaten. Darüber hinaus wurden Anfang des Jahres bei Neubauten die Fördermittel für KfW-Effizienzhäuser 55 eingestellt. Da außerdem viele Banken die Anforderungen für eine Kreditvergabe hochschraubten, indem sie zum Beispiel einen höheren Eigenkapitalanteil verlangen, können immer weniger Menschen ihren Traum vom Eigenheim verwirklichen.
„Laut Statistischem Bundesamt gehen die Baugenehmigungszahlen stark zurück“, sagt Erik Stange vom Bauherren-Schutzbund (BSB). Teilweise werden sogar Aufträge storniert. Die Bau- und Kaufzurückhaltung wird sich allerdings erst im Laufe der kommenden Monate stark auswirken. Denn geplante oder begonnene Bauvorhaben werden nach Aussage von Stange in der Regel zu Ende gebracht, weil die Finanzierung bereits steht.
Tilgungsrate fällt heute deutlich geringer aus
Sollte es trotzdem zu finanziellen Problemen kommen, sei eine Beendigung des Hausbaus die letzte Notbremse, sagt Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbands Privater Bauherren (VPB). Rechtlich ist das möglich, wenn schlüsselfertig gebaut wird. Damit seien aber finanzielle Verluste verbunden. Eine Alternative könne sein, das Bauvorhaben zu verkleinern. Werde mit einem Bauträger gebaut, besitze die Käuferin oder der Käufer kein Kündigungsrecht. Dann könne nur versucht werden, das Objekt an einen Dritten zu verkaufen, erklärt Freitag.
Der Staat greift unter die Arme
Auch Eigentümerinnen und Eigentümer können staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten – vorausgesetzt, sie bewohnen die Immobilie selbst. Analog zum Wohngeld, das an Mieterinnen und Mieter gezahlt wird, gibt es den Lastenzuschuss. Berücksichtigt werden insbesondere Zins und Tilgung sowie Kosten für die Instandhaltung und die Grundsteuer. Der Lastenzuschuss muss bei der zuständigen Behörde beantragt werden und wird in der Regel für einen Zeitraum von zwölf Monaten gewährt. Anschließend ist ein Neuantrag erforderlich.
Zimmermann warnt jedoch davor, die Situation für Bau- und Kaufwillige zu dramatisieren. Denn wenn heute eine Baufinanzierung abgeschlossen wird, fällt die Tilgungsrate in der Regel deutlich geringer aus: Wer sich im Januar dieses Jahres 100.000 Euro von der Bank lieh und einen Vertrag mit zehnjähriger Laufzeit, einem Prozent Zinsen und 3 Prozent Tilgung abschloss, zahlte eine Rate von 333,33 Euro, rechnet der Finanzexperte vor. Bei aktuell angenommenen 4 Prozent Zinsen und 1,5 Prozent Tilgung beträgt die monatliche Rate 458,33 Euro, also weniger als das Anderthalbfache. Bis der Kredit getilgt ist, vergehen im ersten Fall knapp 29 Jahre und im zweiten gut 32 Jahre. Allerdings beträgt beim höheren Zinssatz die Summe der Zinsen etwa das Fünffache.
Schlechtere Konditionen bei Anschlussfinanzierungen
Besonders problematisch kann die Situation für Menschen werden, die ihr Darlehen vor zehn Jahren aufgenommen haben und nun eine Anschlussfinanzierung benötigen. Sie müssen eventuell deutlich schlechtere Konditionen akzeptieren und können im schlimmsten Fall die Raten nicht mehr bedienen. Dann drohe als Worst Case eine Zwangsversteigerung der Immobilie, erklärt Stange.
Freitag rät in dem Fall dazu, frühzeitig das Gespräch zu suchen. „Alle können und sollten das Problem bei der eigenen Bank proaktiv kommunizieren. Banken wollen gar nicht so gerne zwangsvollstrecken, denn das macht viel Arbeit, dauert lange und ist relativ teuer.“ Außerdem sei nicht sicher, dass der gewünschte Betrag erzielt werde. Verhandelt werden können etwa Umschuldungen, die Anpassung der Tilgung oder Stundungen von Raten.
Eine allgemeine Notlage sieht Zimmermann derzeit nicht: „Es gibt keine Zwangsversteigerungen über Maß.“ Er empfiehlt, sich rechtzeitig über Anschlussfinanzierungen zu informieren und eventuell ein Forward-Darlehen abzuschließen, mit dem vor Ablauf des bestehenden Vertrages gegen Aufpreis aktuelle Konditionen gesichert werden können. Außerdem sollten Angebote mehrerer Banken eingeholt werden. Pauschallösungen gebe es aber nicht, betont er: „Baufinanzierung ist immer individuell.“