Warum gehen wir krank zur Arbeit?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SJP42JQRGBFB5PBKR34IZZL2WY.jpg)
Das schlechte Gewissen treibt viele Beschäftigte ins Büro, auch wenn sie krank sind. Präsentismus wird dieses Phänomen genannt.
© Quelle: Christin Klose/dpa-tmn
Die kürzlich veröffentlichte Studie „Arbeiten 2022″ der Betriebskrankenkasse Pronova BKK offenbart: Jeder zehnte Beschäftigte geht trotz Corona-Infektion zur Arbeit. Aber auch andere physische und psychische Erkrankungen sind oftmals kein Grund für Betroffene, der Arbeit fern zu bleiben. Dieses Phänomen nennt sich Präsentismus. Laut Fachleuten ist dieses Verhalten eher kontraproduktiv als hilfreich. Sowohl Arbeitnehmende als auch Arbeitgebende leiden darunter.
Wie aus einer Studie vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung aus Konstanz für die Techniker Krankenkasse hervorgeht, ist die Hälfte der in Deutschland Beschäftigten schon einmal krank zur Arbeit gegangen. Eine aktuelle Befragung des AOK-Bundesverbandes zeigt, dass davon besonders die Pflegebranche betroffen ist. 36 Prozent der Führungskräfte in der Pflege geben an, trotz Krankheit arbeiten gegangen zu sein. Der AOK-Bundesverband weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass ein niedriger Krankenstand nicht zwangsläufig bedeutet, dass sich der Gesundheitszustand der Belegschaft verbessert. Ein sinkender Krankenstand kann demnach auch auf einen steigenden Leistungsdruck innerhalb eines Unternehmens hinweisen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/XOGJIPH4EZHJ5DYEZMXELK7JPY.jpg)
Die Pandemie und wir
Die wichtigsten Nachrichten, Erkenntnisse der Wissenschaft und Tipps für das Leben in der Krise - jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Präsentismus kann viele Ursachen haben
Nach einer Untersuchung der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga.Fakten) sind die Ursachen für Präsentismus vielschichtig. Dazu gehören unter anderem hohe Anforderungen und Arbeitsmengen sowie eine starke emotionale Bindung an den Arbeitgeber und damit verbundenes Engagement. Sozialwissenschaftlerin und Karrierecoach Christina Thiel sieht vor allem Angst als Treiber für Präsentismus. Mitarbeitende fürchten sich davor, ihren Job zu verlieren, wenn sie häufiger fehlen. Sie vermutet, dass vor allem dieser Grund gerade in den von Corona gebeutelten Branchen wie der Gastronomie ein ausschlaggebender Faktor für Dauerpräsenz trotz Krankheit sein könnte.
Arbeitspsychologin Christina Griesel hat sich ebenfalls mit der Thematik Präsentismus beschäftigt. Ihrer Erfahrung nach führt ein schlechtes Arbeitsklima häufig zu Präsentismus. Ein Arbeitsumfeld, in dem es verpönt ist, krank zu sein, führe oftmals dazu, dass Angestellte krank zur Arbeit kommen. „Krank sein ist in unserer Gesellschaft nicht anerkannt“, so die Psychologin. Vor allem chronisch kranke Menschen hätten ein großes Problem. Dabei sei manchmal nicht viel nötig, damit chronisch kranke Menschen wieder am Berufsleben teilnehmen können. Schon einfache Maßnahmen, beispielsweise das Ermöglichen von Rehasportterminen während der Arbeitszeit, könnten dazu beitragen, dass diese Menschen wieder beruflich durchstarten können.
Notwendig ist laut Griesel auch, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorleben, dass es wichtig ist, auf seine Gesundheit zu achten und dass sie sich selbst nicht krank zur Arbeit schleppen. Außerdem empfiehlt die Arbeitspsychologin ein Willkommensgespräch für genesene Mitarbeitende, in dem diese wieder auf den neuesten Stand gebracht werden und der oder die Vorgesetzte sich über den aktuellen Gesundheitszustand des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin informiert. Das sorge für ein gutes Miteinander und vermittle dem oder der Angestellten das Gefühl, „gesehen zu werden“, so Griesel. Sie ergänzt: „Am wichtigsten ist aber, dass Personen, die krankgeschrieben sind, auch wirklich zu Hause von ihren Kollegen und Kolleginnen in Ruhe gelassen werden.“ Die iga.Fakten nennt den respektvollen Umgang mit Mitarbeitenden als beste Vorbeugung gegen Präsentismus.
Krank zur Arbeit kommen kann unangenehme Folgen für Arbeitnehmende und Arbeitgebende haben
Präsentismus kann für Arbeitgebende und Arbeitnehmende schwerwiegende Folgen haben, warnt Thiel. Zum einen führt es zu Produktionsverlusten, da ein kranker Mitarbeiter oder eine kranke Mitarbeiterin nicht die volle Leistung bringen kann. Zusätzlich kann erkrankungsbedingt die Häufigkeit von Fehlern und das Unfallrisiko zunehmen. Häufig folgt auf anfänglichen Präsentismus auch eine längere Krankschreibung, da die ursprüngliche Krankheit sich verschlimmert. Das könne auch gesundheitliche Langzeitfolgen für Arbeitnehmende haben. Zusätzlich besteht bei einer Virusinfektion auch immer die Gefahr, dass sich andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anstecken.