Dem Lügen auf der Spur
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Germanistik-Studenten präsentieren ihr Projekt.
© Quelle: Sven Grünewald
Göttingen. Neun Germanistik-Studenten haben ihr erstes eigenes wissenschaftliches Projekt abgeschlossen: eine Vergleichsstudie in vier Altersgruppen, um der Frage nachzugehen, ob indirekte Lügen als solche erkannt werden. Damit bestätigten sie experimentell, was bisher nur theoretisch vermutet wurde.
Es geht um sogenannte Implikaturen – wenn man so will, das Angedeutete, das nicht ausdrücklich Gesagte in der Sprache. „Sehr viele Sätze, die produziert werden, enthalten Implikaturen“, sagt Maik Thalmann. Ein Beispiel, das die Gruppe nutzte: Um sich am Kapitän für einen Tadel zu rächen, schreibt der Maat „Heute ist der Kapitän nicht betrunken“ in das Logbuch. Es handelt sich dabei um eine falsche Implikatur und die Frage des studentischen Projektes war, ob solche falschen Implikaturen von Hörern auch als Lüge wahrgenommen werden.
Ausgangspunkt, sich damit zu befassen, war ein Seminar über „Lügen“. Darin wurden auch das Verständnis falscher Implikaturen behandelt, wenn auch nur mit theoretischen Annahmen. „Der Autor lieferte keine empirischen Daten, also haben wir uns überlegt, diese These experimentell zu überprüfen“, so Katharina Paul.
Sie reichten die Idee als Projekt für das Forschungsorientierte Lehren und Lernen (FoLL) bei der Universität Göttingen ein und wurden ausgewählt. Das bedeutete ein halbes Jahr Zeit für die Bearbeitung und ein eigenes Budget. Das Projekt lief parallel zur regulären Lehre, aber war alles andere als nebenbei zu erledigen – auf den zwei- bis dreifachen Aufwand für ein normales Seminar schätzte die Gruppe den Aufwand. „Wenn wir nicht neun Leute gewesen wären, wäre das schwierig geworden“, so Susanne Müller.
Es begann mit der theoretischen Einarbeitung, anschließend mussten für das Experiment knapp 40 Fragen für die vier Probandengruppen designt werden: Kinder im Alter von 5/6, 7, 8/9 sowie Erwachsene. Diese Fragen oder wissenschaftlich „Items“ wurden gezeichnet, auf Video aufgenommen, vertont; die Probanden mussten gewonnen und befragt werden und zuguterletzt erfolgte die Auswertung. Die hatte ein klares Ergebnis: Das Alter machte keinen Unterschied, auch schon Fünf- bis Sechsjährige bewerteten falsche Implikaturen überwiegend als Lügen. „Das zu sehen, war wirklich faszinierend“, so Susanne Müller, „weil man bisher davon ausgegangen war, dass Kinder das nicht konnten.“
Für die Gruppe ein echtes Erfolgserlebnis. „Wir konnten etwas zeigen, das vorher noch nicht gezeigt wurde und auch wissenschaftlich relevant ist“, so Maik Thalmann. Mit der Arbeit ihrer Studenten ist Betreuerin Mailin Antorno, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Germanistik, sehr zufrieden. „Ich habe sie nach und nach immer mehr loslassen können. Die Umsetzung haben die Studierenden eigeninitiativ und mit sehr viel Begeisterung in die Hand genommen.“
„Ich hatte bislang noch wenig praktische Erfahrung“, so Helen Schmidtberg. „Daher hat mir hat das Projekt super viel gebracht, Schritt für Schritt mitzuerleben, wie eine Forschungsfrage und das Experiment aufgebaut und anschließend umgesetzt werden.“ Daher sei es auch ein guter Einblick für jene, die sich für eine spätere wissenschaftliche Tätigkeit interessierten.
Das Projekt ist eigentlich abgeschlossen, und doch geht es weiter: Mailin Antorno will zusammen mit ihren Studenten die Ergebnisse noch veröffentlichen. Und einige der Projektteilnehmer sind schon dabei, ein neues Projekt zu gestalten.
Wer hat’s gemacht? Projektteilnehmer: Pia Büsse, Mike Grauer, Susanne Müller, Katharina Paul, Nele Sattler, Helen Schmidtberg, Ann-Kathrin Schütt, Maik Thalmann, Linda Schleef. Betreuende Dozentin: Mailin Antomo.
Von Sven Grünewald
GT/ET