Versteckter Hörverlust

Einblicke in eine kaum bekannte Krankheit

Tobias Moser

Tobias Moser

Göttingen. Der Göttinger Mediziner und Neurowissenschaftler Tobias Moser und Dirk Beutner, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), sprachen über die Frage, ob Lärm eine Ursache für den versteckten Hörverlust sein kann. Eingeladen zu der Veranstaltung hatten das Göttinger Exzellenzcluster und das Forschungszentrum für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB).

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Was aber ist überhaupt ein versteckter Hörverlust? Mediziner hätten dieses Phänomen erst 1996 zum ersten Mal beschrieben, sagte Beutner. Im Gegensatz zum „normalen“ Hörverlust, von dem 16 Prozent der Erwachsenen in Deutschland betroffen seien, sei der versteckte Hörverlust kaum bekannt. Um den Unterschied zu verstehen, gab Moser zunächst einen Einblick in die Funktionsweise des Ohrs. Von zentraler Bedeutung sei die Hörschnecke, in der sich die empfangenen Töne, je nach Tonlage, an verschiedenen Orten in Form einer „Wanderwelle“ abbildeten. Die Haar- oder Haarsinneszellen, die sich in der Hörschnecke befinden, würden durch diese Schwingungen mechanisch angeregt werden, erklärte Moser. „Die äußeren Haarsinneszellen sind Verstärker in unseren Ohren und wenn wir die verlieren, brauchen wir mehr Schall, um überhaupt etwas zu hören.“ Die wichtige Aufgabe der inneren Haarsinneszellen bestehe hingegen darin, ihre mechanische Erregung durch chemische Prozesse auf die Nervenzellen zu übertragen, die das Signal über Synapsen wiederum an das Gehirn weiterleiteten und so für unsere akustische Wahrnehmung sorgten. Genau dieser Vorgang sei aber bei einem versteckten Hörverlust gestört, sagte Moser. Das Ohr funktioniere bis zu den äußeren Haarzellen normal, es werde jedoch kein Nervenimpuls an das Gehirn weitergeleitet.

Versuche an Tieren, die starkem Lärm ausgesetzt wurden, hätten gezeigt, dass nach dem Schalltrauma nur noch die Hälfte der Synapsen vorhanden war, erklärte der Mediziner. Während sich die Hörschwelle, also der Punkt, an dem bestimmte Töne gerade noch wahrnehmbar sind, nach kurzer Zeit erholt habe, seien die Nervenverbindungen dauerhaft beschädigt geblieben. Durch einen Test der Hörschwelle, wie er beim HNO-Arzt obligatorisch gemacht wird, könne darum nicht unbedingt ausgeschlossen werden, dass das Gehör durch ein Schalltrauma, wie etwa ein lautes Konzert, einen Schaden davon getragen habe.

Wie aber äußert sich der versteckte Hörverlust ganz konkret? „Der versteckte Hörverlust ist ein Hörverlust, wo wir Töne ganz normal hören, aber wo die Betroffenen nichts verstehen“, brachte es Beutner auf den Punkt. Dies mache sich vor allem in geräuschvollen Umgebungen bemerkbar, etwa im Restaurant, wo viele Menschen durcheinander reden, Geschirr klappert. Wer in solchen „schwierigen akustischen Situationen“ Probleme habe, das Gegenüber richtig zu verstehen, könne an einem versteckten Hörverlust leiden. Die gängige Lehrmeinung gehe bislang noch davon aus, dass nur Lärm, der über einen langen Zeitraum einwirke, zu einer irreversiblen Lärmschwerhörigkeit führen könne, sagte Beutner. „Ich glaube fest daran, dass Lärm auch zu Schäden führt, wie es im Tiermodell bereits erkannt ist, aber dass wir unsere Unfähigkeit als Ärzte, das zu diagnostizieren, nicht vorschieben dürfen als Argument, dass es so etwas nicht gibt.“

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Was können Betroffene nun tun? Eine Möglichkeit, den versteckten Hörverlust zu diagnostizieren, sei die Elektrocochleographie, bei der eine Elektrode durch das Trommelfell gestochen werde, erklärte Moser. Wie Beutner darlegte, sei die reine Verstärkung von akustischen Signalen, wie bei Hörgeräten, nicht immer die richtige Behandlung. In einigen Fällen könne ein Cochlea-Implantat helfen, das für eine elektrische Stimulierung sorge. Das Allerwichtigste aber sei, erklärten Moser und Beutner unisono, Lärm von Anfang an aus dem Weg zu gehen.

Von Maximilian Zech

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