Europa am Scheideweg
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Podiumsdiskussion zur Europawahl für Jugendliche und Studierende (v.l.): Moritz Mönkemeyer (FDP EP Kandidat), Sabine Lösing (MdEP, Die Linke), Moderatorin Nikola Domazet (OHG), Moderator Linus Steinmetz (HG), Thomas Oppermann (MdB, SPD Bundestagsvizepräsident), Viola von Cramon (Bündnis 90/ Die Grünen EP Kandidatin) und Fritz Güntzler (MdB, CDU).
© Quelle: Christina Hinzmann / GT
Göttingen. Unter der Überschrift „Erste Wahl?! Was uns Europa bedeutet“ hat das Geisteswissenschaftliche Schülerlabor der Universität Göttingen am Donnerstag eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Zielgruppe waren Schüler und Studenten. Im knapp zur Hälfte besetzten Adam-von-Trott-Saal der Alten Mensa am Wilhelmsplatz stellten sich fünf Politiker im Vorfeld der Europawahl den Fragen der beiden jungen Moderatoren Nikola Domazet (Otto-Hahn-Gymnasium) und Linus Steinmetz (Hainberg-Gymnasium). Von politischer Seite nahmen teil die Göttinger Europaabgeordnete Sabine Lösing (Linke), die Kandidatin für das Europaparlament Viola von Cramon (Bündnis 90/Grüne), der Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler (CDU), der Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann (SPD) und der Kandidat für die Europawahl Moritz Mönkemeyer (FDP).
Der 19-Jährige aus dem Wahlkreis Hameln/Pyrmont war kurzfristig für den erkrankten Göttinger Bundestagsabgeordneten Konstantin Kuhle (FDP) eingesprungen. Uni-Präsidentin Ulrike Beisiegel begrüßte die Anwesenden mit dem Hinweis: „Das Zusammenhalten in Europa ist extrem wichtig. Und die Idee, dass meine Stimme nicht wichtig ist, ist falsch.“
„Es gibt große Unterschiede“
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Der Saal in der Alten Mensa war in etwa zur Hälfte besetzt.
© Quelle: Christina Hinzmann / GT
Auf die Frage, weshalb gerade die am 26. Mai anstehende Europawahl und der Fortbestand der EU so wichtig sind, sagte Güntzler: „Ein Projekt, das für 70 Jahre Frieden und Freiheit gesorgt hat, sollte Anlass genug sein, zur Wahl zu gehen.“ Der Meinung, dass alle Parteien sowieso das Gleiche reden, widersprach von Cramon. „Im Klimaschutz und der Agrarwende etwa gibt es große Unterschiede“, betonte die Grüne. Oppermann bilanzierte, dass Trump, Putin und Erdogan „unsere Form der Demokratie verachten“ und auf das Recht des Stärkeren setzen. Im Gegensatz dazu setze die Politik in den meisten EU-Ländern auf ein Miteinander. „Die Frage ist, für welche Modell entscheiden wir uns?“
„Der Jugend eine Stimme geben“
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Moritz Mönkemeyer (FDP) sprang kurzfristig für Konstantin Kuhle ein.
© Quelle: Christina Hinzmann / GT
Die seit zehn Jahren als Europaabgeordnete arbeitende Lösing stellte fest, dass sich in dieser Zeit die Atmosphäre im Parlament zum Negativen verändert habe. Das habe mit den Vertretern rechtsextremer und populistischer Parteien zu tun, die knapp 20 Prozent der Abgeordneten stellen. Ihr Appell: „Bitte wählt irgendeinen Vertreter der Parteien, die hier auf der Bühne sind.“ Mönkemeyer versicherte: „Ich möchte der Jugend im Europäischen Parlament eine Stimme geben. Und ich möchte in 20, 30 Jahren noch eine EU haben und sie mir nicht kaputt machen lassen von europafeindlichen Menschen.“ An alle Jugendlichen unter 18 Jahren gewandt sagte er: „Auch wenn Ihr noch nicht wählen dürft: Motiviert Eure Freunde, Eure Familie.“
„Eine wichtige Bewegung“
Zum Thema Klimaschutz und Friday for Future Demos sagte Oppermann: „Eine gute und wichtige Bewegung. Dass Jugendliche nicht zur Schule gehen, hat viel Eindruck gemacht.“ „Diese Bewegung kam zum richtigen Zeitpunkt“, argumentierte von Cramon. Mit den jungen Leuten auf der Straße werde für die Politik klar: „Wir müssen jetzt liefern.“ Applaus bekam sie für die Forderung: „Wir können nicht mehr für 20 Euro durch Europa fliegen und auf der anderen Seite umweltfreundliche Transportmittel besteuern.“ Die Politik des Bundeswirtschaftsministeriums werde „ausschließlich durch die Autobrille gesehen“ betrieben. „Da sind 20 Jahre verschlafen worden.“
Hardliner kommen in Bewegung
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Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD), Viola von Cramon (Bündnis 90/ Die Grünen) und Fritz Güntzler (CDU) beantworteten auch Fragen aus dem Publikum.
© Quelle: Christina Hinzmann / GT
„Die Friday for Future Bewegung setzt die Politik unter Druck. Ich finde es immer gut, wenn sich junge Menschen politisch einsetzen“, sagte Güntzler. In Berlin würden jetzt auch Hardliner langsam in Bewegung kommen. Er wiederum appellierte beim Klimaschutz: „Wir müssen international zusammen arbeiten.“ Deutschland allein könne das Weltklima nicht retten. „Wir sind uns alle einig, dass es so nicht weiter geht. Trotzdem passiert so wenig“, bemängelte Lösing. Es gebe viele Tausend Lobbyisten, die ihren Einfluss auf die EU ausüben. „Die Ziele der EU zum Klimaschutz sind richtig, aber nicht ambitioniert genug.“ Der Markt jedenfalls werde es nicht richten, sagte sie. „Ich bin ein großer Fan dieser Demonstrationen“, betonte Mönkemeyer. Die Schulen, regte er an, sollten das Thema jetzt in die Klassenräume holen, etwa in Form von Projekten.
Digitalpakt nützt den Schulen
Ein weiteres Thema der Podiumsdiskussion war die Digitalisierung. Hier bestand bei allen Politikern die Einsicht, dass Deutschland die technische Entwicklung verschlafen habe und hinsichtlich der digitalen Infrastruktur Lichtjahre hinter anderen Ländern zurückliege. Deshalb sei jüngst das Grundgesetz für den Digitalpakt Schule geändert worden. Der Bund werde jetzt in die digitale Ausstattung von Bildungsstätten investieren, was bislang aufgrund des Kooperationsverbotes (Länderhoheit) nicht möglich war.
Von Ulrich Meinhard