„Ist Schokolade die Lösung?“
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Prof. Dr. Paul Lingor referiert in der DenkBar über Parkinson.
© Quelle: Harald Wenzel
Göttingen. Denk-Bar, das Neuroforum des Göttinger DFG-Forschungszentrums und des Exzellenzcluster Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) stellte in Zusammenarbeit mit dem Verein Apex Kultur Aktuelles aus den Neurowissenschaften vor. Thematisiert wurde auch der Risikofaktor Umwelt. Trotz enormer Hitze kamen etwa 60 Zuhörer, darunter viele an Parkinson Erkrankte sowie Angehörige.
„Morbus Parkinson ist die häufigste neurodegenerative Bewegungsstörung“, sagte Prof. Paul Lingor, Klinik für Neurologie der Universität Göttingen, der in das Thema einführte. So sind durchschnittlich rund 150 Menschen pro 100000 Einwohner erkrankt. Zudem trete die Krankheit oft im mittleren Alter, ab etwa 55 Jahren, auf.
Vier motorische Kardinalsymptome seien typisch für Parkinson. „Die verlangsamte Bewegung ist bei allen Patienten im Verlauf der Erkrankung zu finden“, so Lingor. Muskelzittern hingegen trete bei etwa 25 Prozent der Betroffenen gar nicht auf. Zu finden seien auch nicht-motorische Symptome, die oft erst einmal nicht mit Parkinson verbunden würden, wie etwa Funktionsstörungen des Darmes und der Harnblase sowie psychiatrische Symptome wie Depressionen und Angststörungen. Eine Riechstörung hätten nahezu alle Parkinson-Patienten, mitunter bereits zehn bis 20 Jahre vor Beginn motorischer Symptome.
Besonders wichtig für Bewegungssymptome ist dabei der Übertragungsstoff Dopamin, der im Gehirn gebildet wird. „Sehr, sehr vereinfacht gesagt“, verursache ein Mangel an dem Überträgerstoff einen Mangel an Beweglichkeit, sagte Lingor. „Wir wissen aber nicht so genau, warum diese Nervenzellen zu Grunde gehen.“
Über die Parthogenese referierte Prof. Dr. Tiago Outeiro, Abteilung Experimentelle Neurodegeneration. Er verwies auf die Schlüsselrolle des Proteins alpha-Synuklein bei Morbus Parkinson. Nach bisherigen Erkenntnissen können Verklumpungen dieses Proteins stark toxisch wirken und so das Absterben von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der für motorische Fähigkeiten zuständigen Gehirnregion bewirken.
Ein Ziel der Forschung sei daher die Identifizierung von Faktoren, die die Eigenschaften des Proteins alpha-Synuklein verändern können. Untersucht wurde neben dem als ein Hauptregulator des Alterungsprozesses bekannten Sirtuin 2 Protein auch der Prozess der „Glykation“ (Anhängen bestimmter Zuckerreste), ein mit dem Parkinson-Risikofaktor Diabetes assoziierter Faktor.
Möglichkeiten, wie man den Risikofaktor Umwelt beeinflussen kann, erläuterte Lingor. Eine positive Familienanamnese, Alter und Exposition zu Pestiziden erhöhten das Risiko. Neben moderatem Kaffeekonsum sei körperliche Aktivität ein risikoverringernder Faktor. Eine schwedische Untersuchung an fast 44000 Person aus dem Jahr 1997 habe gezeigt, dass „je mehr man sich bewegt, desto geringer das Risiko an Parkinson zu erkranken“ sei.
Ist Schokolade die Lösung bei Morbus Parkinson? Bei einer Untersuchung an der Uni Dresden mussten Versuchspersonen 200 Gramm dunkle oder weiße Schokolade in 15 Minuten essen, um den Spiegel von Beta-Phenylethylamin zu steigern, welches Dopamin im Hirn freisetzen kann. „Nach einer Stunde war die motorische Funktion in beiden Gruppen besser“, so Lingor. Dies könne jedoch auch durch einen Plazeboeffekt erklärt werden.
„Bei rund 90 Prozent der Parkinson-Erkrankungen lassen sich keine spezifischen Ursachen festmachen“, erklärte Lingor in der sehr regen Fragerunde. Bei der Forschung, so Outeiro, werde auch das von dem Göttinger Nobelpreisträger Prof. Stefan Hell entwickelte STED-Mikroskop helfen. Dieses ermöglicht es, Strukturen in lebenden Zellen im Nanometerbereich zu beobachten.
GT/ET