„Donut-Ökonomie“

Ökonomin Kate Raworth zu Gast in Göttingen

Die Ökonomin Kate Raworth stellt ihre Ideen für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem vor.

Die Ökonomin Kate Raworth stellt ihre Ideen für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem vor.

Göttingen. Der große Hörsaal im Auditorium der Universität Göttingen war fast restlos besetzt und verdeutlichte enormes Interesse am Thema: Die Ökonomin Kate Raworth stellte ihr Konzept der "Donut-Ökonomie" vor, eine radikale Abkehr von der neoliberalen Wachstumsstrategie hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft.

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Raworth sieht den Zweck der Wirtschaft nicht allein darin, Wachstum zu generieren, sondern gesellschaftliche Grundbedürfnisse zu befriedigen – wie wohnen, arbeiten, essen, soziale Gerechtigkeit und mehr. Gleichzeitig gibt es eine ökologische Grenze, deren Überschreiten zukunfts- und gesellschaftsgefährdend sei – wie zum Beispiel Klimawandel, Luftverschmutzung und Verlust der Artenvielfalt.

Raworths „Donut“ ist der Bereich dazwischen, der die Bedürfnisse befriedigt, ohne die ökologischen Grenzen zu überschreiten. Raworth geht über die dominierende ökonomische Fixierung auf reines Wirtschaftswachstum, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), weit hinaus. Stattdessen arbeitet sie mit einer komplexen und eng vernetzten Welt, die man ausbalancieren müsse.

Soziale Faktoren und politische Einflüsse

Schon dem Schöpfer des BIP, Simon Kuznets, sei klar gewesen, dass das BIP kein guter Indikator für Wohlstand sei, weil er soziale Faktoren und politische Einflüsse ausblende. Auch der Neoliberalismus als das gegenwärtig dominierende Wirtschaftsdogma beruhe zum einen auf inkorrekten Daten, zum anderen sei durch ihn das Wirtschaftsgleichgewicht zwischen Markt, Staat, privaten Haushalten und Gemeinwohl aus den Fugen geraten, so Raworth. Die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik allein auf Wachstum sei auf Dauer nicht machbar und berücksichtige wesentliche gesellschaftliche Aspekte nicht.

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Es sei Zeit für einen schnelle Wandel, weil auch das Zeitfenster immer kleiner wird, in dem eine Umkehr zu einem nachhaltigen Weltwirtschaftssystem möglich sei. Schuld sei unter anderem der Klimawandel. Der Weg allerdings ist steinig. Die studentische Gruppe „Kritische Wirtschaftswissenschaften“ etwa, die Raworth eingeladen hatte, bemüht sich um eine größere Vielfalt in der volkswirtschaftlichen Lehre. Ein Bemühen, das trotz fast zehn Jahren Existenz der Gruppe bislang so gut wie keine nachhaltigen Veränderungen im Curriculum der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zur Folge hatte, so der Eindruck eines Gruppenmitglieds.

Raworth in Cambridge und Oxford

Dass die Wirtschaftswissenschaften sehr veränderungsresistent sind, hat auch Raworth, die selbst in Cambridge und Oxford Wirtschaftswissenschaften lehrt, festgestellt. „Ich habe an einer Diskussion mit zwei anderen Wirtschaftswissenschaftlern teilgenommen und am Ende stand einer von ihnen auf und sagte: Ich denke, die eigentliche Frage des heutigen Abends ist, ob Kate Raworth eine echte Ökonomin ist.“ Bei Nachwuchswissenschaftlern erlebe sie zwar großes Interesse, aber gleichzeitig sagten sie, dass sie vorsichtig sein müssen, was sie unterrichten, um ihre Karriere nicht zu gefährden.

Als bezeichnend für das globale Dilemma beschrieb Raworth eine Präsentation von vier Ökonomen, alles Nobelpreisträger, die darüber berichteten, dass die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufnehme. „Kein einziger erwähnte den Klimawandel“, so Raworth. „Wo ist das Bewusstsein für Veränderung und Dringlichkeit?“ Diese Erfahrungen haben ihr eines deutlich gemacht: „Wir haben keine Zeit, zuerst die Wirtschaftswissenschaften zu ändern. Wir müssen direkt bei der Politik ansetzen.“

Zunehmendes Interesse

Dort immerhin nehme sie ein zunehmendes Interesse an Alternativen wahr – und ist sich gleichzeitig bewusst, wie schwierig es ist, sich gegen viele andere Interessen durchzusetzen. Raworth setzt auf ein größer werdendes Netzwerk von kritischen Aktiven, die sich international für nachhaltige Veränderungen einsetzen, und sie bleibt optimistisch, dass der Wandel gelingen kann, weil er gelingen müsse. „Eine Lawine besteht am Ende auch aus vielen Schneeflocken.“

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Kate Raworth, Die Donut-Ökonomie. Hanser Verlag. Die Financial Times kürte das Buch zum besten Buch des Jahres 2017 in der Kategorie Wirtschaft.

Trailer zum Buch „Die Donut-Ökonomie“:

Von Sven Grünewald

GT/ET

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