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Professor Alireza Kharazipour
© Quelle: Scheiwe
Göttingen. Und der Popcorn-Professor hat noch mehr Ideen. Popcorn-Professor, das ist natürlich nicht der offizielle Titel von Kharazipour an der Universität Göttingen. Er ist dort Professor an der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie und forscht nach alternativen Werkstoffen. Und das erfolgreich: Der Kinobesuch ist schon einige Jahre her, das „Balace Board“ - ein Werkstoff aus Spänen und bis zu 35 Prozent Popcorn - mittlerweile auf dem Markt etabliert. Genutzt wird er beispielsweise für Einbauküchen oder auch in der Inneneinrichtung von Kreuzfahrtschiffen. Die Firma Cerex aus der Schweiz stelle extra Popcorn-Maschinen her, so Kharazipour. Die könnten pro Stunde circa vier Tonnen Popcorngranulat produzieren.
Doch damit gibt sich der 70-Jährige nicht zufrieden. „Warum soll ich denn aufhören?“, fragt er lachend. Schließlich hat er noch eine Menge Ideen, was man mit dem Maisgranulat anstellen kann. „Wir wollen Popcorn als Konkurrenz zu Styropor“, sagt er. „Wir haben jetzt auch Platten aus 100 Prozent Popcorn entwickelt.“ Ende 2017 oder Anfang 2018 sollen die dann auf den Markt kommen. Das Popcorngranulat sei ultraleicht, habe eine bessere Festigkeit als Styropor, werde aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und sei somit umweltfreundlicher.
Der Herstellungsprozess der Platten ist sichtlich einfach: Der zerkleinerte Mais wird zum Platzen gebracht, sodass Mini-Popcorn entsteht, und das wird mit Naturharz als Bindemittel zu Platten gepresst. Aus dem Popcorn-Material hat die Design-Studentin Carolin Pertsch, die aus Göttingen kommt, gemeinsam mit dem Professor Möbel entwickelt. Es sind Hocker in verschiedenen Designs, das Popcorn-Material ist nur mit einer transparenten Beschichtung überzogen und wird so ersichtlich. Im Auftrag der Uni habe Kharazipour außerdem Möbel, die beispielsweise mit Flexiglas beschichtet sind, entwickelt - unter anderem ein Redepult.
Popcorn scheint sich nicht nur für verschiedene Geschmacksrichtungen gut zu eignen, sondern ist auch als Material vielseitig: „Wir entwickeln Auto-Sitzschalen für Kinder und Kopfstützen und Sonnenblenden fürs Auto“, sagt Kharazipour, der neben der Forschung Vorlesungen und Seminare hält. Sie arbeiteten bereits mit Automobilherstellern zusammen, die diese dann produzieren sollen. Auch als Dämmstoff oder Isolierplatten könne Popcorn sich eignen. Styropor werde beispielsweise in Räumen viel für Deckenplatten genutzt, Kharazipour hat bereits Ideen für Deckenplatten aus Popcorn - die er gern vorher einfärben und mit LED-Lampen versehen will.
„Das Bundesministerium will unser Projekt fördern“, erzählt Kharazipour weiter. So solle die Produktion von Popcorn als Styroporersatz optimiert werden. Man könne übrigens aus allen stärkehaltigen Körnern Popcorn herstellen, erklärt der Professor, sie nutzten aber nur Mais. „Ein Kubikmeter Körnermais wiegt circa 740 Kilo, ein Kubikmeter Popcorngranulat circa 40 Kilo“, erklärt er den großen Vorteil dieses Materials.
Auf die Frage, ob er Popcorn denn immer noch gern esse oder es mittlerweile nur noch Arbeitsmaterial für ihn sei, sagt Kharazipour schelmisch: „Klar kann man das essen“, und steckt sich einfach etwas von dem Popcorngranulat, das er in seinem Büro als Anschaungsmaterial stehen hat, in den Mund. Im Kino, karamellisiert, schmecke es dann aber doch besser.