Dokumentarfilm

Enno Seifried wanderte 700 Kilometer durch den Harz

Wanderstiefel, Rucksack, Zelt – viel mehr hatte Enno Seifried nicht dabei, als er durch den Harz wanderte.

Wanderstiefel, Rucksack, Zelt – viel mehr hatte Enno Seifried nicht dabei, als er durch den Harz wanderte.

Harz. Enno Seifried war noch keine zwei Tage unterwegs, da wurde er schon für verrückt erklärt. Dabei hatte er eine Frau nur um etwas Wasser für seine Trinkflasche gebeten. Vor ihrer Haustür sei kein Wanderweg, sagte die Frau und musterte den Fremden skeptisch. Sie verstand nicht, dass Seifried genau darum diese Strecke gewählt hatte: Der Dokumentarfilmer wollte sich abseits von touristischen Ausflugszielen sein ganz eigenes Bild von Deutschlands nördlichstem Mittelgebirge machen. Die Eindrücke seiner Wanderung durch den Harz hielt er in einem Film fest, der am Donnerstag in die Kinos kommt.

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Eigentlich kam Enno Seifried der Harz als Reiseziel zunächst gar nicht in den Sinn. Üblicherweise flog er in die USA, er wanderte vier Monate durch Polen oder fuhr mit dem Fahrrad bis nach Spanien. Direkt vor der Haustür nach Zielen zu suchen, kam dem 40-Jährigen zunächst nicht in den Sinn. Doch 2012 – die Urlaubszeit war zu knapp für ferne Länder – besuchte er auf Anraten eines Freundes zum ersten Mal das Mittelgebirge. „Ich war sofort begeistert“, sagt der Leipziger heute. „Es gibt viele Orte, die noch nicht für den Tourismus bereinigt und dadurch ursprünglich und unberührt sind.“ Zudem sei der Harz so abwechslungsreich wie wenig andere Landschaften in Deutschland.

Im Harz gibt es noch Überraschungen

Immer wieder zog es Seifried seitdem dorthin, für inzwischen vier Dokumentationen. Der Film, der jetzt in die Kinos kommt, entstand auf einer Wanderung im Jahr 2017. Sieben Wochen lang war der Leipziger im Harz unterwegs und legte dabei 700 Kilometer zu Fuß zurück. Die eine Hälfte der Zeit im Sommer und die andere im Herbst. „Eigentlich waren nur 500 Kilometer geplant“, sagt Seifried. „Aber ich habe da was in meiner Planung versiebt.“

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Der Leipziger begann die Reise in Südostharz, am Start des Karstwanderweges in Pölsfeld. Von da aus wollte er sich treiben lassen, auf seiner Karte waren nur „grobe Schlangenlinien“ eingezeichnet. Er kam in Osterode und Goslar vorbei, an der sagenumwobenen Teufelsmauer und dem Brocken. „Ich habe von einem zum anderen Ort gedacht: Das ist jetzt aber mein Lieblingsplatz“, sagt Seifried.

Mit der Kameraausrüstung, die er ständig bei sich trug, filmte er auf der Wanderung nicht nur Sonnenuntergänge und Regenschauer, sondern auch sich selbst. Mit einem Stativ konnte er die Kamera auf Felsen und Baumstämmen abstellen. Kinobesucher bekommen so auch Einblicke in die Strapazen, die eine solche Reise mit sich bringt. Seifried verlief sich im Wald, harrte aus, bis Gewitter vorübergezogen waren und hatte zum Kochen nur einen kleinen Campingkocher zur Verfügung.

Orte, die Seifried besonders spannend fand, bereiste er nach der Wanderung erneut, um dort Interviews für die Dokumentation zu führen: Ein Cowboy führte ihn durch die Westernstadt Pullman City im Oberharz, er erkundete das Erzbergwerk Rammelsberg (Landkreis Goslar), erfuhr von den grausamen Taten der Nazis in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora nahe Nordhausen und bestaunte Stalagmiten und Stalaktiten in der Baumannshöhle (Oberharz). „Der Film ist sehr persönlich und zeigt meine Perspektive auf die Region“, sagt Seifried.

Besonders überrascht habe ihn, dass viele Orte kaum jemand kenne und besuche. Einer davon sei die Rosenburg zwischen Ballenstedt und Rieder im Ostharz. „Ein absolut faszinierender und verlassener Platz.“ Er habe sich oft gefragt, warum Touristen diese Orte nicht aufsuchten. An beliebten Ausflugszielen wie zum Beispiel dem Hexentanzplatz sei immer „die Hölle los“ gewesen, und die Straßen seien im Sommer überfüllt von Motorradfahrern. „Aber sobald man etwas tiefer einsteigt, spätestens nach der ersten Gaststätte, hört alles auf“, sagt Seifried. Es gebe wenig Wanderer im Harz, viele der Besucher seien Tagesausflügler. „Das wundert mich sehr“, sagt der Dokumentarfilmer. „Dabei hat der Harz noch viel mehr zu bieten.“

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Auf seiner Wanderung hatte Seifried einen Reiserucksack, Wanderstiefel und seine Kameraausrüstung dabei. Wenn es dunkel wurde, suchte er nicht lange nach einem Schlafplatz, sondern stellte sein Zelt in der freien Natur auf. Vier bis fünf Tage reichten Brot, Käse und Konserven, bis er einen Supermarkt suchen musste. Um die Flaschen aufzufüllen klingelte der Wanderer an Haustüren oder schöpfte Wasser im Fluss. Das ging allerdings nicht immer gut, erzählt Seifried. „Ich hatte mir durch das Flusswasser irgendwo mitten in der Pampa einen Keim eingefangen, der mich völlig außer Gefecht setzte.“ Da weit und breit niemand war, blieb ihm nichts anderes übrig, als das Wasser zu trinken, dass ihn „vergiftet“ hatte – allerdings abgekocht. „Nach ein paar Tagen konnte ich dann weiter.“

Das Interesse an der Region ist groß

Vor seinen Reisen sei Seifried vor den Menschen im Harz gewarnt worden: „Da musst du aufpassen, die sind alle verbohrt.“ Sogar Einheimische hätten die Verschlossenheit der Bewohner des Nachbarortes angemerkt. Bis auf die Begegnung zu Beginn der Reise habe er die Menschen aber als „aufgeschlossen und sehr hilfsbereit kennengelernt“, sagt der Leipziger. „Man hat gespürt, dass sich die Leute freuen, dass jemand von ihnen berichtet“, sagt Seifried. „Und viele haben auch großes Interesse, mehr von ihrer Region zu erfahren.“

Der Sommer 2017 war sehr wechselhaft, und der Dokumentarfilmer wanderte etwa zwei Drittel der Zeit im Regen. Teilweise sei das Holz der Hütten, die sich Seifried zum Übernachten suchte, völlig durchgeweicht. Auch heftigen Gewittern war er ausgesetzt, berichtet der Leipziger. Trotzdem möchte er die Erfahrung nicht missen. „Wenn ich unterwegs bin, freue ich mich jeden Tag, dass ich die Chance habe, das zu machen“, sagt Seifried. „Das fühlt sich dann an wie ein dauerhaft glücklicher Moment.“

„700 KM Harz“ läuft auch in Hannover

Der Dokumentarfilm „700 KM Harz“ wurde mithilfe von Crowdfunding finanziert. Dabei kamen rund 24.000 Euro zusammen – Geld, das für DVDs, Werbung und Produktion genutzt wurde. Kameraausrüstung und Reise finanzierte Enno Seifried selbst.

Das zwölfköpfige Team von der Produktionsfirma Overlight Film hat bereits sechs Dokumentationen über vergessene Orte in Leipzig und im Harz herausgebracht. „700 KM Harz“ – das jüngste Werk – kommt am Donnerstag in die Kinos. In Hannover ist der Film am 14. und 15. Februar sowie am 28. März jeweils um 18 Uhr im Kino Apollo zu sehen.

Von Lisa Neugebauer

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