Unternehmer stellt Wehrmachtssymbol an Straße zu Gedenkstätte aus
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Löst Beschwerden bei den Besuchern der Gedenkstätte Bergen-Belsen aus: Ein Findling des Unternehmers Jürgen Lindhorst mit der sogenannten Wolfsangel.
© Quelle: privat
Winsen. Eigentlich geht es nur um einen Stein. Genauer gesagt, um einen Findling an der Einfahrt zum Anwesen des Unternehmers Jürgen Lindhorst in Winsen an der Aller (Landkreis Celle). Darauf zu sehen sind der Familienname in altdeutscher Schrift und eine Wolfsangel. Dieses Symbol verschafft dem zunächst unscheinbaren Hofstein eine ganz neue Bedeutung. Denn weil Rechtsextreme und Neonazis das Zeichen gern nutzen, ist es im politischen Kontext verboten. Als Symbol auf Forstgrenzsteinen bleibt die Wolfsangel jedoch weiterhin erlaubt – auch wenn sie, wie in diesem Fall, direkt an der Straße zu sehen ist, die zur Gedenkstätte Bergen-Belsen führt.
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Ein Stein mit der Wolfsangel – ausgerechnet an der Zufahrt zur Gedenkstätte Bergen-Belsen.
© Quelle: privat
Beschwerden bei Gedenkstätte
Immer wieder haben sich in den vergangenen Wochen Besucher der Gedenkstätte Bergen-Belsen beschwert. „Sie sind zurecht empört über dieses beliebte Erkennungssymbol unter Rechtsextremen“, sagt Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. „Das riecht nach Blut und Boden.“ Selbst wenn Lindhorst das Symbol nur mit der forstwirtschaftlichen Familientradition verbinde, handele er „ethisch instinktlos und geschichtsvergessen“, kritisiert Wagner.
Lindhorst weist diese Vorwürfe zurück. Schon weit vor dem Krieg habe sein Urgroßvater einen Hofstein mit Wolfsangel besessen, er selbst habe den neuen Findling wiederum vor etwa drei Jahren an der Straße aufgestellt – und werde ihn trotz der Beschwerden auch nicht entfernen. „Dass das Naziregime sich dieses Symbol zu eigen gemacht hat, ist schlimm, aber für mich nicht relevant, weil ich für mich persönlich damit gar nichts verbinde“, sagt der Millionär, dessen Gruppe mit rund 200 Unternehmen in den Geschäftsfeldern Landwirtschaft, Bioenergie, Immobilien und Gesundheitszentren tätig ist.
Treffen mit AfD-Politiker Björn Höcke
Aufsehen erregte Lindhorst, als er im vergangenen Jahr den umstrittenen AfD-Politiker Björn Höcke zu einem privaten Diskussionsabend eingeladen hatte. „Ich veranstalte öfter politische Treffen und hole mir Leute aus ganz unterschiedlichen politischen Spektren“, sagt der Unternehmer, der nach eigenen Angaben vor 20 Jahren aus der CDU ausgetreten sei und seitdem keiner Partei mehr angehöre. Viele Aussagen des AfD-Rechtsaußen Höcke halte Lindhorst außerdem für völlig unangebracht, sagt er.
Auch wenn er sich heute von Höcke distanziert, hat Lindhorst im vergangenen Jahr zunächst geplant, mit der AfD Thüringen eine Gesellschaft zu gründen – die Alternative Service GmbH für eigene Druckerzeugnisse der AfD. Obwohl er bereits im Ruhestand sei, gründe er für sich noch das eine oder andere Start-up, sagt der 63-Jährige. Nachdem ihm seine Kinder allerdings von einer Zusammenarbeit mit Politikern aller Parteien abgeraten hatten, stieg Lindhorst aus – noch bevor die Gesellschaft gegründet wurde.
Rechtsextremismus-Experte: „Die Verbotslage ist schwierig“
Interview mit Ruben Obenhaus, Leiter des Regionalbüros Nord-Ost-Niedersachsen der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus für Demokratie privat Herr Obenhaus, welche Bedeutung hat die Wolfsangel? Die Wolfsangel war ein Jagdgerät, das zum Fang von Wölfen benutzt wurde, wahrscheinlich schon seit dem achten Jahrhundert. Gerade in Norddeutschland hat sie sich als allgemeines Symbol in der Forstwirtschaft durchgesetzt – auf Uniformen von Forstmitarbeitern und auf Grenzsteinen. Das Symbol wurde dann allerdings auch von nationalsozialistischen Kräften benutzt als offizielles Zeichen von Wehrmachtsverbänden. Und auch von anderen rechtsextremen Kreisen: In den Achtzigerjahren zum Beispiel von der Jungen Front, die verboten wurde. Daraus leitet sich auch das Verbot dieses Symbols ab. Allerdings muss man sagen, dass das Verbot nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches sich explizit darauf bezieht, dass das Symbol im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus oder den verbotenen Gruppierungen gezeigt wird. Ohne diesen Kontext ist das Symbol also nicht verboten? Ohne diesen Kontext gibt es erst mal einen Bestandsschutz von Grenzsteinen, Vereinswappen und Stadtwappen mit dem Zeichen, sofern es die vereinzelt noch gibt. Deshalb ist diese Verbotslage sehr schwierig, weil da im Einzelfall nachgewiesen werden müsste, dass sich das auf einen rechtsextremen Hintergrund bezieht. Kann die Gedenkstätte dagegen vorgehen? Es gibt die Möglichkeit, dagegen rechtlich vorzugehen, wobei die Gesetzeslage eben nicht so eindeutig ist wie etwa bei einem Hakenkreuz.
Pflegt Niedersachsen NS-Symbole?
Von Johanna Stein