„Frozen Planet II“: Funktionieren die eisigen „Minecraft“-Welten auch im Schulunterricht?
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„Minecraft – Frozen Planet“
© Quelle: BBC
Naturdokus der BBC wirken. Den aufwändigen Look voller Zeitlupen und Panoramen hat auch der Werbetrailer für die anstehende TV-Dokuserie „Frozen Planet II“. Spektakulär fliegt die Kameradrohne hinter einer ausbrechenden Lawine her. Im Hans-Zimmer-Soundtrack mischt sich das Knacken berstender Eismassen in die tiefen Bässe, süße Eisbärenjunge rutschen vorbei und Bergpanoramen wuchten sich in ihrer Majestät ins Bild. Ob die neue Doku-Serie gut wird, oder nicht – dass sie toll aussieht und klingt, beweisen die Produzenten der BBC routiniert in Sekunden.
In einer anderen Version des „Frozen-Planet-II“-Trailers sieht das Bergpanorama blass und scharfkantig aus. Als die Kamera näher heranfährt, wird der Grund sichtbar: Das Panorama wurde im Spiel „Minecraft“ nachgebaut. Der Eisberg sieht nur von Weitem majestätisch aus, aus der Nähe eher wie eine Pyramide aus weißen Kartons. Spätestens, als ein völlig eckiger Pinguin sich im Bild schüttelt, erinnert die Szene an ein Kinderspiel. Dann aber erklingt die Stimme von David Attenborough: „Erkunde all die gefrorenen Lebensräume der Erde.“ Und die Magie ist wieder da.
Würfelspiel für Schulen
An dieser Stelle muss Elizabeth White kurz etwas klarstellen: „Sir David ist an dem Spielprojekt nicht beteiligt.“ Die Tonaufnahmen stammen aus der TV-Serie. Doch Elizabeth White hat beide Projekte betreut. Sie ist Produzentin der TV-Doku-Serie „Frozen Planet II“; außerdem hat sie mit dem Microsoft-Studio Mojang zusammengearbeitet, um Lehrinhalte für die „Minecraft Education Edition“ zu schaffen. Im Fernsehen wird die Dokuserie kalte Regionen der Welt bereisen, und mit spektakulären Aufnahmen zeigen, wie Tiere dort leben. Mit „Minecraft“ sollen passende Lehrinhalte dazu in den Klassenzimmern landen.
Die BBC-Studios wollten junge Menschen ansprechen. „Wir wissen, dass Familien und vor allem das junge Publikum die Serien mögen“, erklärt White. Und mit der Anfrage bei „Minecraft“-Macher Mojang hätten sie offene Türen eingerannt, ergänzt Justin Edwards. Er ist zuständig für Inhalte der „Minecraft Education Edition“. Das Programm wird seit 2016 gezielt an Lehrkräfte und Schulen vermarktet. Zuletzt landete mit „Peace Builders“ das Nobel-Friedenszentrum in „Minecraft“. „Bei uns geht es immer um die Frage, wie man die Welt um uns herum verstehen kann“, sagt Edwards.
Schlüsselszenen aus der Fernsehserie
Und so ist es zur doppelten Ankündigung von „Frozen Planet II“ gekommen. Passend zu den Folgen im Fernsehen wird es Spielfolgen zum Download geben – sowohl über die Schulversion von „Minecraft“ als auch über das normal erhältliche Spiel. In Großbritannien läuft die Serie bereits im Fernsehen, Deutschland muss noch bis ins Frühjahr auf die „Eisige-Welten“-Fortsetzung warten. Aber zumindest als „Minecraft“-Extra startet „Frozen Planet II“ jetzt auch in Deutschland.
In jeder der fünf Welten werden Schlüsselszenen der Fernsehserie aufgegriffen. Spielerinnen und Spieler schlüpfen in die Rolle eines Tieres; sie werden etwa zu Orcas, Pinguinen, oder Eisbären. Dann spielen sie in einfachen Missionen den eisigen Überlebenskampf nach. Das ist ungewöhnlich – in „Minecraft“ werden sonst keine Tiere gespielt, sondern Menschen. Sie laufen durch eine Welt aus hüfthohen Blöcken, können hier alles ab- und umbauen. Orcas tauchen eigentlich nicht auf.
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Für "Minecraft Education Edition - Frozen Planet II" waren ganz neue Landschaften nötig.
© Quelle: BBC
Ein ambitioniertes Projekt
Deswegen waren die kurzen Gratisepisoden für Entwicklerstudio Mojang auch ein ambitioniertes Projekt. Neue Landschaften wurden nötig, aber auch neue Spielformen. „Zuerst haben wir riesige Landmassen in ‚Minecraft‘ gebaut“, erklärt Edwards. Das sei nötig gewesen, um die Ausblicke der Serie einzufangen. Dann sei es um die „Tiermechanik“ gegangen – um die Frage, wie Tiere dargestellt und gesteuert werden, welche Aufgaben sie haben. „Es soll sich immer noch nach ‚Minecraft‘ anfühlen“, sagt Edwards, „aber wir wollten die Tiere so realistisch wie möglich machen. Wir wollen Kinder dazu bringen, sich in die Lage der Tiere hineinzudenken. Was bedeutet es für sie, in dieser unwirtlichen Umwelt zu überleben?“
Die Pinguine liefern eines der ersten Beispiele. In der TV-Doku sammeln die Tiere Steine, um Nester zu bauen. Das wird auch im Spiel zur Aufgabe. Allerdings gibt es ein knappes Zeitlimit. Dreimal muss in wenigen Minuten ein Nest gebaut werden. Wie im Fernsehen klauen andere Pinguine die gesammelten Steine, sobald der eigene Pinguin zu lange unterwegs ist. Wer sich nicht beeilt, scheitert – und muss es gleich noch einmal versuchen. Beim Anspiel entpuppt sich die Aufgabe als haarig, mehrmals wird kurz vor Ablauf der Zeit doch noch ein Stein gestohlen. Edwards beschwichtigt: Frustriert seien in Testrunden vor allem die Erwachsenen gewesen. Kinder hätten die Aufregung eher genossen. Ohne die Einordnung im Unterricht bleibt das Anspiel allerdings eher ein Gag. Das Pinguinminispiel ist zu simpel gestrickt, um große Empathie zu wecken. Als Anstoß für eine Diskussion im Klassenraum könnte es sich aber eignen.
Herausforderung für Schulen
Die Lehrinhalte richten sich an Grundschul- und etwas ältere Kinder. Eine feste Begrenzung gibt es nicht. Wie auch im Fernsehen wollen die Macher den Klimawandel nicht als Hauptthema verstanden wissen – aber natürlich spiele er in der Serie eine Rolle, erklärt Elizabeth White: „Er ist eine Herausforderung für die Tiere.“
„Wir arbeiten nicht mit erhobenem Zeigefinger“, beteuert Justin Edwards. Es geht ihm darum, ein schwer greifbares Phänomen zu veranschaulichen. Eine Herausforderung im Spiel werde es etwa sein, mit einem Eisbär ein Areal schmelzender Eisschollen zu überqueren.
In der letzten TV-Episode von „Frozen Planet II“ soll es explizit um Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler gehen, die den Klimawandel erforschen. In „Minecraft“ dürfen die Kinder sogar am Ende jeder Episode Tiere mit der Kamera verfolgen und dokumentieren. Edwards und White finden es wichtig, dass auch wissenschaftliche Arbeit im Spiel gespiegelt werde.
Wie „Frozen Planet II“ letztendlich in Schulen landet, und was Kinder dabei lernen, bleibt eine offene Frage. Vor allem ist es eine Herausforderung für Lehrkräfte. Und für die technische Ausstattung der Schulen.