„Honkai: Star Rail“ im Test: Die Versuchung spielt mit
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„Honkai: Star Rail“ ist das neue Spiel von MiHoYo.
© Quelle: miHoYo/Jan Bojaryn
In „Honkai: Star Rail“ suchen „Trailblazer“ nach „Stellarons“. Vielleicht noch wichtiger ist aber die „Stellare Jade“. Mit ihr können wir Tickets finanzieren, um „Stellarwarps“ zu bezahlen. Und wer nicht am Warprad dreht, der spielt praktisch nicht mit. Zumindest nicht um Fünf-Sterne-Charaktere!
Wer sich von so einem Wortsalat abschrecken lässt, sollte schleunigst das Weite suchen. „Honkai: Star Rail“ ist ein Rollenspiel, das sich vor allem anfangs anfühlt, wie der unvorbereitete Einstieg in die vierte Staffel einer Anime-Serie. Das ist kein Zufall. „Star Rail“ ist tatsächlich der vierte Teil einer Serie, erzählt aber eine eigene Geschichte und richtet sich auch an Menschen ohne Vorerfahrung.
Neues Spiel des Hitstudios MiHoYo
„Honkai: Star Rail“ ist das neue Spiel von MiHoYo, einem chinesischen Studio, das bis zum Jahr 2020 im Westen nur wenige kannten. Doch dann hat MiHoYo mit „Genshin Impact“ einen Riesenhit gelandet. Das Free-to-play-Spiel hat mit Anleihen beim Spielehit „Zelda“, einer offenen Welt und einer ausladenden Geschichte viele Millionen Spielerinnen und Spieler erreicht und einige Milliarden Euro verdient. Dabei geholfen haben ein technisch überlegenes Design, ein toller Look auf Handys, PCs und Spielekonsolen – und eine aggressive Monetarisierungsstrategie.
So ähnlich funktioniert auch MiHoYos neuer Titel. Wer Anime und Manga mag, und wer japanische Rollenspielserien von „Final Fantasy“ bis „Star Ocean“ schätzt, der darf sich von „Honkai: Star Rail“ angesprochen fühlen. Es sieht auch auf iOS und Android gut aus; vor allem auf dem PC überzeugt aber die detaillierte Zeichentrick-Grafik. Statt Action und weit offenen Spielwelten wie in „Genshin Impact“ ist der neue Titel ein klassisches, eher lineares Rollenspiel mit geschwätzigen Charakteren und rundenbasierten, taktischen Kämpfen. Im Weltraum wird keine Science-Fiction erzählt, sondern ein fantastischer Anime-Stoff voller unlogischer, aber kreativer Einfälle. Alles wirkt ein wenig wahllos –- aber damit ist immer auch Raum für Überraschungen. Das Ergebnis ist ein launiger, gutaussehender Fiebertraum.
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Super Mario Bros. Film“ zeigt, dass gute Spieleverfilmungen möglich sind
Er ist nicht schlecht – und das ist überraschend gut! Noch vor zehn Jahren waren kompetente Spielverfilmungen wie „Super Mario Bros. F“ undenkbar, heute sind sie allgegenwärtig. Sie beweisen, dass Filme und TV-Serien zu Games eben doch zusammenpassen.
„Honkai: Star Rail“ ist ein typisches „Gacha-Game“
Doch wer einsteigen will, muss Geduld mitbringen. Vor allem Fans von „Genshin Impact“ werden viele Spielmechanismen wiedererkennen. Hier gibt es kein festes Team von Helden, die einfach Fortschritt machen – auch wenn die Story so aussieht. Gespielt wird stattdessen mit einer wechselnden Truppe von Charakteren, die ihre Ausrüstung und Stärke mit verschiedenen Ressourcen weiter entwickeln können.
Der Wust an kleinen Belohnungen für das regelmäßige Einloggen und Absolvieren von Fleißaufgaben ist nicht nur typisch für MiHoYos anderen großen Hit, sondern insgesamt für sogenannte „Gacha-Games“. Die Bezeichnung spielt auf japanische Verkaufsautomaten mit Glücksfaktor an. Und der Vergleich liegt nahe. Eine der wichtigsten Währungen im Spiel ist „Stellare Jade“. Mit ihr werden Tickets gekauft, die zu einem Dreh am virtuellen Glücksrad berechtigen. Nach einer aufregenden Animation erfahren wir, ob wir einen der begehrten Charaktere bekommen haben, oder wieder nur einen „Lichtkegel“ – ein nützliches, aber weniger begehrtes Upgrade.
Originell will „Honkai: Star Rail“ gar nicht sein
Bis wir uns über verspielte Tickets ärgern können, vergehen aber Stunden. „Honkai: Star Rail“ stürzt sein Publikum in eine komplexe Geschichte um eine Zukunft, in der mysteriös leuchtende Wesen namens „Stellaron“ ganze Planeten verwüsten. Abhilfe schaffen die „Trailblazer“, ein bunter Haufen von Abenteurern, die mit einem Raumschiff im Dampflok-Design durch die Galaxie reisen und Planeten retten. Das Szenario wirkt einerseits verrückt, greift aber andererseits auf Motive und Ideen zurück, die vor allem in japanischen Anime und Rollenspielen häufiger auftauchen. So wirkt „Honkai: Star Rail“ bei allem Irrwitz für Genre-Fans schnell vertraut.
Furchtbar originell will „Honkai: Star Rail“ gar nicht sein. Es ist ein typisches Rollenspiel japanischer Tradition, vom stummen Titelcharakter mit Amnesie bis zu den herumliegenden Containern in Städten und Raumstationen, die wir zertrümmern, um Ressourcen zu sammeln. Aber die Klischees werden nicht einfach wiederholt. Die Charaktere sind nicht einfach Abziehbilder, sondern werden dank gut geschriebener Dialoge und eines gewissen Humors lebendig. Die Geschichte wird spannend erzählt. Und das gut ausgetüftelte Kampfsystem macht der Lok ordentlich Dampf. Die rundenbasierten Kämpfe sind leicht verständlich, bringen aber genug Variablen mit, um nicht langweilig zu werden.
Täglich grinden
Ein Ende der Zugreise ist noch lange nicht in Sicht. Nach zehn Spielstunden fühlt es sich so an, als habe die Geschichte gerade erst begonnen und der Zug steht noch am ersten Planeten. Aber das Spiel hat wohl auch noch kein Ende; die Geschichte wird über Jahre mit Updates weiterentwickelt. Dabei tritt die Geschichte immer weiter in den Hintergrund und es geht um den Grind: Um möglichst täglich absolvierte Aufgaben mit ein wenig Erkundung und ganz viel Kampf. Wie viele Wochen wir da mitspielen könnten, ohne dass es langweilig wird, können wir noch nicht beurteilen.
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In "Honkai: Star Rail" locken ständig Aktionen und Angebote ab. Wer mag, kann viel Geld investieren.
© Quelle: miHoYo/Jan Bojaryn
Und der regelmäßige Besuch im Spiel hat etwas Tückisches. Wir sollen täglich und wöchentlich neue Aufgaben erledigen, überall laufen Aktionen und Angebote ab, und vieles lässt sich mit ein wenig Geld abkürzen. Für sechs Euro gibt es den „Express-Versorgungspass“ mit Belohnungen, die über einen Monat gestreckt werden. Das fühlt sich noch fair an. Aber wer sich schlechter kontrolliert, der denkt vielleicht auch darüber nach, den ganz großen Sack Traumsplitter zu kaufen. Er kostet knapp hundert Euro.
Unfair wirken solche Angebote, weil nie ganz klar ist, was es dafür geben wird. Im Herzen von „Honkai: Star Rail“ geht es um eine Vielzahl von Charakteren, die wir freischalten können. Viele von ihnen sind durch einen Dreh am Glücksrad erhältlich. Meist purzelt aber kein Charakter aus dem Automaten, oder nicht der, den wir gern gehabt hätten. Die Grundchance für einen 5-Sterne-Charakter liegt bei 0,3 Prozent pro Dreh.
Schlechte Karten für Kinder
Solche Glücksspiele füllen längst ein großes, lukratives Genre, vor allem auf Handys. Tatsächlich läuft „Honkai: Star Rail“ nicht nur auf dem PC, sondern auch auf iPhones und Android-Handys ab der Mittelklasse sehr flüssig. Fans mit einer guten Impulskontrolle können solche Spiele günstig genießen, und erleben nach unserem ersten Eindruck hier ein fair bepreistes, schier endloses Abenteuer. Es sollte nur niemand erwarten, einen Wunsch-Charakter für ein paar Euro zu bekommen.
Deutlich kritischer sehen wir das Spiel aber für Kinder. Die Altersfreigabe ab sechs Jahren mag zum Inhalt der Story passen. Aber Eltern sollten sich klarmachen, dass hier Glücksspiel gegen Geld getrieben wird. Grundsätzlich lässt sich „Honkai: Star Rail“ gut gratis spielen. Aber die Versuchung spielt mit.