Was passiert, wenn man auf Social Media verzichtet?
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Social-Media-Fasten liegt im Trend.
© Quelle: RND
Schon wieder nachgeschaut … Eigentlich lag das Smartphone nur still da, kein Klingeln, kein Vibrieren, das nach Aufmerksamkeit verlangt hätte. Doch der Reflex, es zu nehmen und kurz einen Blick auf Facebook, Whatsapp oder Instagram zu werfen, ist trotzdem zu groß.
Der ständige Griff zum Smartphone ist für viele Menschen zur Gewohnheit geworden. Manche sagen sogar: zur Sucht. Ist es nicht in Sicht- und Griffnähe, fehlt etwas. Die sozialen Medien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Facebook, Twitter oder Instagram sind in den vergangenen zehn Jahren zum festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Doch in dieser Zeit hat sich auch ihre öffentliche Wahrnehmung gewandelt. Wurden die sozialen Netzwerke anfangs noch für ihre Fähigkeit, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, bejubelt, stehen sie heute immer häufiger in der Kritik: Sie würden ihre Nutzer unglücklich machen, sie stressen und politisch polarisieren, lauten einige der Vorwürfe.
Statt auf Alkohol oder Schokolade wird auf das Smartphone verzichtet
Daraus hat sich eine regelrechte Gegenbewegung entwickelt. Initiativen und Organisationen warnen vor dem (übermäßigen) Gebrauch von Smartphones und Social Media. Unter dem Stichwort “Digital Detox” geben Krankenkassen wie Die Techniker oder AOK Tipps zur digitalen Entgiftungskur. Dazu gehören zum Beispiel smartphonefreie Zeiten oder Orte. Das vom ehemaligen Google-Mitarbeiter Tristan Harris gegründete Center for Humane Technology rät überforderten Smartphonenutzern unter anderem, die Zahl ihrer Notifikationen zu beschränken, das Smartphone nicht im Schlafzimmer zu laden oder gleich einen abrupten Entzug zu machen und dazu alle Social-Media-Apps vom Smartphone zu löschen und – wenn überhaupt – am Computer zu nutzen.
Im Kampf gegen eine Überforderung durch Dauerkonsum verspricht auch das Smartphonefasten Abhilfe. Statt auf Alkohol oder Schokolade verzichten Menschen dabei eine Zeit lang auf den Gebrauch von sozialen Medien oder ihr Smartphone. Teilweise begeben sie sich dafür auch einige Zeit in den Digital-Detox-Urlaub. “Nach Ihrem Wohlfühlurlaub werden Sie erfrischt und wiederhergestellt mit dem Wissen zurückkehren, was es für Sie bedeuten könnte, sich regelmäßig auszuloggen”, wirbt etwa das Unternehmen Time to Log off für seine Digital-Detox-Retreats.
Studie untersucht Effekt von Facebook-Verzicht
Wenn soziale Medien Menschen negativ beeinflussen, dann müsste sich das durch einen Verzicht umkehrbar machen, lautetet die Annahme. Doch stimmt das wirklich? Zu den Effekten von Social-Media-Nutzung habe es bisher nur wenige große, tiefgehende Studien gegeben, sagt Sarah Eichmeyer. Die Wissenschaftlerin von der Stanford University hat deshalb zusammen mit Kollegen eine große Feldstudie mit rund 1600 Menschen durchgeführt. Eine Gruppe verzichtete dabei für einen Ausgleich von rund 100 Dollar im Herbst 2018 für vier Wochen auf Facebook, die andere nutzte das Netzwerk wie gewohnt weiter. Eichmeyer und ihre Kollegen wollten so herausfinden, welchen Effekt eine Facebook-Abstinenz auf das Wohlbefinden, die Informiertheit und politische Meinung der Menschen hat.
“Die Menschen, die auf Facebook verzichteten, waren im Durchschnitt glücklicher, hatten eine höhere Lebenszufriedenheit, weniger depressive Stimmungen und waren allgemein weniger besorgt und ängstlich”, sagt Eichmeyer. Diese Effekte seien zwar klein, aber durchaus messbar gewesen. Zudem verbrachten sie mehr Zeit offline, zum Beispiel mit der Familie oder ihren Freunden. Allerdings waren die Facebook-Abstinenzler zwar weniger extrem polarisiert, konsumierten aber weniger Nachrichten und waren demnach schlechter informiert.
Effekt über vier Wochen hinaus?
“Große Technologien, die in viele Lebensbereiche eingreifen, sind nie nur gut oder schlecht”, sagt Eichmeyer. “Das spiegeln die Ergebnisse wider.” Tatsächlich wollten die meisten Versuchsteilnehmer nach Ende des Versuchs auch ihren Facebook-Account gern wiederhaben. Nur wenige seien theoretisch bereit gewesen, noch länger auf Facebook zu verzichten, was sich daran zeigt, dass sie dafür dann deutlich mehr Geld hätten haben wollen. Ob das ein Hinweis darauf ist, dass die Versuchsteilnehmer Facebook wertschätzten oder eher abhängig seien, könne man nicht genau sagen, erklärt Eichmeyer.
Doch die vier Wochen Verzicht sind nicht spurlos an den Teilnehmer vorübergegangen. Einen Monat nach dem Experiment nutzten diejenigen, die auf das Netzwerk verzichtet hatten, Facebook seltener. “Das deutet daraufhin, dass ihre Facebook-Nutzung etwas bewusster geworden ist”, sagt Eichmeyer – vielleicht weil sie ihre Gewohnheiten durchbrochen haben. Auch wenn unklar ist, ob der Effekt länger anhalte: Mal auf soziale Medien zu verzichten, mit dem eigenen Nutzungsverhalten zu experimentieren und es zu reflektieren, „schadet nicht“.
RND