Die wichtigsten Fragen und Antworten

Wie würde ein US-Verbot Tiktok verändern?

Für ein Drittel der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner gehört Tiktok zum Alltag – doch das könnte sich bald ändern.

Für ein Drittel der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner gehört Tiktok zum Alltag – doch das könnte sich bald ändern.

Die Videos mit dem Hashtag #keeptiktok zählen auf der beliebten Videoplattform inzwischen über 107 Million Aufrufe. Etliche Creatorinnen und Creator, so werden die Videomachenden auf Tiktok genannt, sprechen sich gegen das in den USA diskutierte Verbot der App aus. Die Mom-Influencerinnen „team2moms“ nannten ihre über 6,7 Millionen Followerinnen und Follower Familie – „und nichts kommt zwischen uns und unsere Familie.“ Tiktok sei „nicht einfach eine Tanz-App für Kinder“, sagte Vitus Spehar aus Rochester, New York. Spehar berichtet auf Tiktok über das Weltgeschehen und zählt fast drei Millionen Followerinnen und Followern. „Wir können unser Publikum und unsere Community nicht einfach woanders mitnehmen.“

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Vergangene Woche protestierten gut 30 amerikanische Tiktok-Influencer mit insgesamt mehr 60 Millionen Followerinnen und Follower vor dem Kongressgebäude in den USA. Sie hielten Plakate mit der Aufschrift „Tiktok hat meinem Unternehmen geholfen zu wachsen“ in die Höhe. Die Befürchtungen der Tiktokerinnen und Tiktoker sind offensichtlich: Sie haben Angst davor, bei einem Verbot von Tiktok eine wichtige Einnahmequelle und Werbeplattform zu verlieren.

Was würde ein Verbot von Tiktok in den USA für die Plattform und ihre US-amerikanischen Creatorinnen und Creator bedeuten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Wie wahrscheinlich ist ein Tiktok-Verbot in den USA?

Während sich zahlreiche US-Influencerinnen und -Influencer über ihre Karriere Sorgen machen, kritisieren US-Politikerinnen und -Politiker Tiktok in immer schärferen Tönen: der schlechte Datenschutz sei eine Gefahr für die nationale Sicherheit und die Privatsphäre der Millionen Jugendlichen, die die App nutzen. Der Hauptvorwurf: Tiktok sei der verlängerte Arm der chinesischen Regierung. Abgeordnete grillten jüngst den Unternehmenschef Shou Zi Chew in einer denkwürdigen Anhörung im Kongress. Chew behauptete, Tiktok sei gar nicht „chinesisch“, habe seinen Sitz in Singapur und den USA. Der Mutterkonzern Bytedance sitzt aber in Peking, konterten US-Politikerinnen und -Politiker.

Zwar wurden in der Vergangenheit Tiktok-Mitarbeitende dabei erwischt, wie sie kritischen Journalisten nachspionierten – die Mitarbeitenden wurden daraufhin entlassen. Beweise für systematische Spionage oder Propaganda seitens der chinesischen Regierung auf Tiktok konnten die Politikerinnen und Politiker aber nicht vorlegen. Dennoch ist ein Verbot der App in den USA alles andere als ausgeschlossen. Selbst US-Präsident Joe Biden befürwortet das, sofern Tiktok nicht die Anteile verkaufe, die sich in chinesischen Händen befinden. Chew sagte jedoch, ein Verkauf würde die Sicherheitsbedenken der USA nicht beheben. Und auch Chinas Handelsministerium erklärte vor dem Auftritt von Chew im Kongress, man werde sich gegen einen Zwangsverkauf von Tiktok stemmen.

Auch wenn der US-Kongress auf ein Verbot drängt, glauben viele Expertinnen und Experten nicht, dass die Plattform tatsächlich verboten wird. Sie vermuten unter anderem, dass eine solche Entscheidung vor Gericht keinen Bestand hätte. Gegner des Tiktok-Verbots, unter anderem die NGO ACLU (American Civil Liberties Union), die sich für die Bürgerrechte in den USA einsetzt, berufen sich vor allem auf die Redefreiheit, die vom ersten Verfassungszusatz garantiert wird. „Der Kongress darf nicht ganze Plattformen zensieren und den Amerikanern ihr verfassungsmäßiges Recht auf Redefreiheit und freie Meinungsäußerung nehmen“, Jenna Leentoff von ACLU. „Egal, ob wir über die Nachrichten des Tages diskutieren, Proteste streamen oder uns Katzenvideos ansehen, wir haben das Recht, Tiktok und andere Plattformen zu nutzen, um unsere Gedanken, Ideen und Meinungen mit Menschen im ganzen Land und auf der ganzen Welt auszutauschen.“

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Wie würde ein Tiktok-Verbot in den USA aussehen?

Das ist bislang noch unklar, die US-Regierung hat noch keinen Plan dazu veröffentlicht. Der naheliegendste und einfachtste Weg wäre zunächst, die App aus den App-Stores zu entfernen. Apple und Google dürften die die App also nicht länger zum Download anbieten, bestehende Nutzerinnen und Nutzer könnten die App zudem nicht mehr updaten.

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Für gut 150 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner, die die App nutzen, endet damit aber nicht unbedingt automatisch ihre Zeit auf Tiktok. Wenn die App auf dem Smartphone bereits installiert ist, könnten Creatorinnen und Creator zumindest vorerst weiterhin lustige Videos hochladen. Denn die Regierung könnte nicht Menschen dazu zwingen, die App vom Handy zu löschen, wie Darrell West dem US-amerikanischen Nachrichtensender „NBC News“ erklärte. Der Technikexperte von der Brookings Institution, einem einflussreichen Thinktank in Washington, betont jedoch: „Wenn es ein Verbot gäbe, würde es definitiv keine Updates und Softwareverbesserungen mehr geben. Und mit der Zeit würde es schwieriger werden, die Apps zu benutzen.“

Sprich: Ohne kritische Updates würde die App womöglich irgendwann aufhören zu funktionieren – oder fehlerhaft werden und zum Beispiel immer wieder abstürzen. Theoretisch könnten die USA zudem einen Schritt weitergehen, um sicherzustellen, dass die App wirklich nicht mehr von unzähligen Menschen in den USA benutzt wird. Indien verbot Tiktok zusammen mit 58 weiteren chinesischen Apps bereits im Jahr 2020 und hat Internetanbieter im Land dazu aufgefordert, die Verbindung zu Tiktok zu blockieren.

Millionen Nutzerinnen und Nutzer können seitdem nicht mehr auf Tiktok zugreifen, ihre Accounts und Daten liegen jedoch teils noch immer bei Tiktok. Der indische Influencer Riyaz Aly ist mit über 45 Millionen Followerinnen und Follower immer noch einer der meist gefolgten Accounts auf der Plattform, obwohl er seit 2020 keine Videos mehr gepostet hat. Bei einem Verbot könnten die Daten der gut 150 Million US-Amerikanerinnen und –Amerikaner also bei Tiktok bleiben, ohne dass sie sie löschen können.

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Womöglich ließe sich die App für Menschen in den USA auch dann weiter nutzen, wenn sie ein VPN benutzen, also ein Virtuelles Privates Netzwerk. Das ermöglicht die Verbindung zu einem VPN-Netzwerk, das sich in einem Land befindet, in dem Tiktok nicht verboten ist. Menschen nutzen solche Tools etwa, um Inhalte auf Webseiten wie Youtube abrufen, die in ihrem Land nicht verfügbar sind. Aber es ist nicht garantiert, dass das im Fall von Tiktok funktioniert – theoretisch könnte die US-Regierung VPN-Anbieter dazu auffordern, die Verbindung zu blockieren. Außerdem können einige Dienste erkennen, wenn jemand ein VPN nutzt. Und es ist mehr als fraglich, ob US-Amerikanerinnen und -Amerikaner im großen Stil auf VPNs setzen würden.

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Auf welche Plattform würden Creatorinnen und Creator wechseln?

Sollte es trotzdem zu einem Verbot kommen, würde das früher oder später den Großteil der US-Userinnen und -User in den USA von der Plattform vertreiben. Sie müssten sich folglich eine neue Heimat für Kurzvideos suchen. Ein mögliches Szenario wäre, dass sich US-amerikanische Plattformen wieder zunehmender Beliebtheur erfreuen. Youtube, Instagram und Co. haben in den vergangenen Jahren viel getan, um Tiktoks Funktionen nachzuahmen: Instagram hat das Video-Tool „Reels“, Youtube „Shorts“. Finanzexpertinnen und -experten gehen davon aus, dass die Werbegelder bei einem Tiktok-Verbot auf diesen anderen Social-Media-Apps prompt erhöht werden – und dass Nutzerinnen und Nutzer zu der Plattform wechseln werden, zu der die Creatorinnen und Creator übergehen.

Denkbar ist auch, dass neue oder bislang eher nischigere Video-Apps entstehen und Tiktok ersetzen werden. Die US-amerikanische App Triller verzeichnete bereits nach dem Tiktok-Verbot in Indien einen großen Anstieg an Downloads. Auch im vergangenen Jahr erlebte Triller nach eigenen Angaben einen Zuwachs, nachdem die US-Aufsichtsbehörde FTC ein Verbot von Tiktok forderte. Bislang konnte sich die App aber noch nicht gegen Tiktok und Co. durchsetzen.

Könnte Tiktok auch in Deutschland verboten werden?

Die Sorge um die Gefahren von Tiktok wächst auch in anderen Ländern. In dem Vereinigten Königreich, Kanada, Neuseeland und der EU ist die App auf Regierungshandys verboten. Auch hierzulande sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz erhebliche Risiken bei der Verwendung der Kurzvideo-App Tiktok. Es verwies auf Unklarheiten rund um die Verbindungen zu China: „Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei Tiktok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen. Und die habe ich“, sagte der Vizepräsident des Inlandsgeheimdienstes, Sinan Selen, in Berlin. „Wir sind im Ausmaß dessen, worauf staatliche Stellen, gerade in China Zugriff nehmen können, nicht klar genug – ich glaube, das ist das Kernproblem bei der ganzen Sache“, fügte er hinzu. Unternehmen wie Tiktok seien nicht im Stande, sich einer solchen Einflussnahme zu entziehen.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte bei einem Besuch in Washington jedoch, sie sehe kein generelles Verbot der App in Deutschland. Man müsse aber verstärkt darüber aufklären, dass es sich bei Tiktok um eine Firma handele, bei der „die Daten natürlich abfließen können“. Außerdem will Faeser gegen staatliche Einflussnahme aus China vorgehen und sagte mit Blick auf die Social-Media-App Tiktok, dass die Bundesregierung sehr darauf achte, chinesische Einflussnahme möglichst frühzeitig zu erkennen.

Was könnte bei einem US-Verbot mit Tiktok in Deutschland passieren?

Die Frage ist aber: Bleibt Tiktok überhaupt ohne die Hunderte Millionen Menschen aus den USA, die die Plattform nutzen, in Ländern wie Deutschland noch relevant? Ohne Influencerinnen und Influencer wie Charli D‘Amelio, Bella Poarch und Addison Rae würden der Plattform die bekanntesten Tiktokerinnen und Tiktoker fehlen, die auch Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland erreichen. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Plattformen, die in den USA viel genutzt werden, auch in Deutschland groß werden – so war es schon bei Facebook, Instagram und schließlich auch mit Tiktok. Wechseln US-Userinnen und -User gezwungenermaßen auf eine andere Plattform, könnten also Menschen aus anderen Länder nachziehen.

Allerdings sind längst nicht alle Nutzerinnen und Nutzer aus Deutschland auch an US-amerikanischen Content interessiert. In Deutschland hat Tiktok monatlich über 19 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, darunter vor allem jüngere Menschen bis etwa 25 Jahre. Und viele von ihnen folgen Creatorinnen und Creator aus Deutschland, die Influencerinnen Jule Nagel zählt etwa über 6,5 Millionen Followerinnen und Follower, Dalia Mya Schmidt-Foß mehr als 6,2 Millionen. Schließlich zeigt Tiktok über die IP-Adresse, die Informationen über den Wohnort gibt, gezielt Content aus dem eigenen Land an, meint Tiktok-Forscher Marcus Bösch gegenüber Vanity Fair: „Wenn Tiktok keinen amerikanischen Content hat, würde es auf der einen Seite zum Beispiel in Deutschland keinen großen Unterschied machen, weil Tiktok die IP checkt und viele regionale Inhalte gibt.“

Andererseits, so Bösch, seien die USA eine „treibende Kraft für Kultur“ – und natürlich fehle etwas, wenn 150 Millionen Userinnen und User aus den USA plötzlich nicht mehr auf der Plattform vertreten wären. Er sehe aber eher die Gefahr, dass ein möglichen Verbot das sogenannte „Splinternet“ verstärkt. Darunter ist die Zersplitterung des Internets in kleinere digitale Inselstaaten zu verstehen, sprich: Wir sehen weniger Content von anderen Ländern, dafür zunehmend heimische Inhalte. Beispielsweise in Russland hat die Regierung schon zunehmend den Zugang zum freien Netz entzogen. Es sei „ein bisschen beängstigend“, dass wir uns auf eine Situation zubewegen, in der wir „Inseln von isolierten Communities“ haben.

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