Großraummobil mit Platz satt

Der Aiways U5 fünf Tage im Praxistest: Wie fährt sich das chinesische E-Auto?

Innerhalb von fünf Jahren hat Aiways es geschafft, mit dem U5 das erste chinesische Elektroauto auf den deutschen Markt zu bringen.

Innerhalb von fünf Jahren hat Aiways es geschafft, mit dem U5 das erste chinesische Elektroauto auf den deutschen Markt zu bringen.

Aiways – dieser Name sagt den wenigsten etwas. Es handelt sich bei Aiways um die vor gerade einmal fünf Jahren gegründete Elektroautomarke eines chinesischen Start-ups, das es in dieser Rekordzeit geschafft hat, mit dem Modell U5 im vergangenen Jahr das erste Elektroauto aus China überhaupt auf dem deutschen Markt zu platzieren.

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Der U5 kostet in der Standardversion (nach Abzug der Umweltprämie) knapp 30.000, in der Premiumvariante knapp 33.000 Euro. Dafür bekommt der Kunde oder die Kundin ein Großraummobil mit Platz satt, eine wirklich pickepacke volle Vollausstattung und schon in der Standardausführung so ziemlich alles, was der Markt an elektronischen Helferlein hergibt.

1. Tag: U5 als Campingmobil nutzen

Der erste Eindruck: Groß ist er, der Aiways U5, aber einem Segment vermag man ihn nicht so ohne Weiteres zuzuordnen. Ist der chinesische Newcomer nun ein SUV-artiger Van oder ein Van-artiger SUV? Letztlich tendiert man doch eher zu Van, schon weil das luftige Raumgefühl an den Urahnen dieser Fahrzeugklasse, den Renault Espace, erinnert. Vor allem in Reihe zwei jedenfalls ist so viel Platz, dass man sich den U5 auch als Siebensitzer vorstellen könnte.

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Der Europachef von Aiways, Alexander Klose, hatte im RND-Interview sogar erzählt, dass einige Kunden und Kundinnen den U5 als eine Art Campingmobil nutzen und mit einer Matratze auslegen würden. Das funktioniert wohl, weil der U5 ein funktional ähnlich cleveres Sitzkonzept aufweist wie der dafür berühmte Honda Jazz. Mit einem Handgriff ist die Sitzlehne umgeklappt, mit einem weiteren die zugehörige Sitzfläche per cleverer Umlenkung hochkant an der Rückseite des Vordersitzes platziert.

2. Tag: Reichweiten sind rein theoretisch

In Düsseldorf warten Kraftwerke. Na ja, nicht ganz. Im Kunstpalast läuft die Ausstellung „Electro. Von Kraftwerk bis Techno“. Hin und zurück fallen 70 Kilometer an, davon gut 50 auf der Autobahn. 100 Prozent Aufladung und eine Reichweite von 400 Kilometern zeigt das Display bei der Abfahrt an. Es regnet, also wird die Klimaanlage ebenso gebraucht wie der Scheibenwischer, und die Beifahrerin, die es gerne etwas wärmer hätte, testet die Sitzheizung.

Tempo 120 km/h wird, schon verkehrsbedingt, nicht überschritten. Als fünf Stunden später wieder der Start/Ziel-Punkt erreicht ist, weist der U5 eine Restreichweite von 250 Kilometern auf. Aus den tatsächlich 70 Kilometern sind virtuell also 150 geworden. Natürlich ist das alles andere als ein originäres Problem von Aiways. Es zeigt aber, dass die von den Herstellern genannten und auch die in professionellen Tests ermitteln Reichweiten rein theoretisch und allenfalls unter Idealbedingungen zu erreichen sind. Bedeutet: Autobahn besser nicht, beschlagene Scheibe per Fensterleder reinigen und statt Sitzheizung eine Decke nutzen. Jeder E-Auto-Interessent sollte die eigenen Bedürfnisse und Erfordernisse vor einer Kaufentscheidung also lieber fünf- als dreimal durchdenken.

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3. Tag: hoher Wohlfühlfaktor

Noch eine mittellange Strecke. Diesmal scheint aber die Sonne, und es macht Spaß, den Aiways zu fahren (vorausgesetzt man hat nicht immer die Restreichweiten-Anzeige im Auge). Das Auto ist deutlich mehr auf Komfort denn auf Sportlichkeit ausgelegt. Geradezu sänftenartig gleitet der U5 über den Asphalt, ohne dass bei Fahrerin oder Fahrer aber ein indifferentes, vielleicht sogar unsicheres Fahrgefühl entstehen würde. Lediglich die Lenkung könnte etwas direkter ausfallen. Und zum hohen Wohlfühlfaktor tragen auch die bequemen Sitzmöbel bei. Kleiner Kritikpunkt in dieser Hinsicht: Für Großgewachsene könnte die Sitzauflage zwecks Oberschenkelunterstützung etwas länger ausfallen.

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4. Tag: versteckter Ladeanschluss, kein Handschuhfach

Zeit für den Blick hinter die durchaus schöne Kulisse. Wie sieht es also aus mit den Spaltmaßen, mit der Verarbeitung, was könnte dauerhaft nerven, was ist ungewöhnlich (gut) gelöst? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der U5 einen soliden Eindruck vermittelt. Die Spaltmaße genügen auch anspruchsvolleren Gemütern, die im Innenraum verarbeiteten Kunststoffe fallen zumindest nicht negativ auf. Manch alteingesessener Hersteller vermittelt da einen ganz anderen Eindruck. Auch die Haptik der Materialien ist okay, dass Touch-Displays Fingerabdrücke hinterlassen, ist nun mal so und muss wohl an den Fingern liegen. Clever ist die Idee mit dem kleinen, zusätzlichen und in der Neigung verstellbaren Touch-Pad ausschließlich für Belüftung/Klimaanlage. Das erspart die bei anderen Autos oft nervige und auch nicht ganz ungefährliche, weil vom Verkehr ablenkende Sucherei auf einem Zentralbildschirm.

Ebenso durchdacht: Der Ladeanschluss ist im Gegensatz zur Regelung bei vielen Konkurrenten vorne, unauffällig versteckt hinter einer Blende unterhalb des linken Frontscheinwerfers. Das erleichtert das Laden an vielen öffentlichen Ladesäulen, sollte aber gegebenenfalls vor der Montage einer Wallbox in der heimischen Garage bedacht werden. Nicht ganz so clever ist dagegen, wenn während der Fahrt das Kopfpolster der Nackenstütze plötzlich abfällt. Letztlich zwar eine Lappalie, aber vielleicht doch auch ein Hinweis auf mögliche Nachlässigkeiten bei der Verarbeitung. Und noch eine Skurrilität am Rande: Der U5 verzichtet völlig auf ein Handschuhfach, was Aiways im ein oder anderen Test schon Spott eingebracht hat. Die aktuelle Lösung, um wenigstens eine Handtasche aufhängen zu können, ist mit zwei ins Armaturenbrett gebohrten Haken, die bestenfalls wie Handtuchhalter aus dem Baumarktregal aussehen, zumindest suboptimal.

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Fünfter Tag: Zeit für ein Fazit

Zeit für ein paar Gedanken zum Schluss: Gerade einmal fünf Jahre alt ist Aiways, aber kann man in so kurzer Zeit wirklich ein serienreifes Automobil auf die Straße bringen? Soweit dieser und auch andere erste Tests zeigen, lautet die Antwort: man kann. Natürlich bleibt abzuwarten, wie sich der U5 im Laufe der Kilometer schlagen wird, aber das trifft auf jedes neue Modell zu. Dass er mit den oben genannten Preisen ein echter Herausforderer ist, steht außer Frage. Aber just diese Preise haben selbst auch ihren Preis.

Eine Vertriebs- und Servicestruktur, wie sie Autofahrerin oder Autofahrer von europäischen Herstellern kennt, gibt es für den U5 nicht. Verkauft wird das Auto über die Elektronikmärkte von Electronics, dort kann man ihn in ausgewählten Filialen auch Probe fahren. Den Service wiederum übernimmt die Freie Autowerkstätten-Kette A.T.U. Erfahrungswerte, ob und wie gut diese Struktur funktioniert, gibt es logischerweise bisher noch nicht.

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