Mit dem E-Auto einen Wohnwagen ziehen – ist das ohne Komforteinbuße möglich?
Der Knaus Südwind E-Power hinter dem Ioniq 5: Der Hersteller betreibt nach eigenen Angaben seit Jahren viel Entwicklungsarbeit in Richtung Leichtbau.
© Quelle: Knaus
Das hat auch weit über die Grenzen der eher unauffälligen Wohnwagenwelt für Aufsehen gesorgt: Mit der Vorgabe, einen elektrotauglichen Caravan zu entwerfen, hat die amerikanische Kultmarke Airstream in Austin/Texas eine Konzeptstudie präsentiert, die allein schon aufgrund des namhaften Projektpartners die Aufmerksamkeit auf sich zog. Porsche Design hat für die Amerikaner einen kompakten Trailer mit einem etwa fünf Meter langen Aufbau entworfen. Mit der markentypischen Aluminiumhaut, einer aerodynamisch optimierten Heckpartie, einer glatten, nietenfreien Oberfläche und mit dem ersten Hubdach in der Geschichte des US-Herstellers, um während der Fahrt mit einer geringeren Stirnfläche den Luftwiderstand zu minimieren.
Dazu kommen für eine Gewichtsreduzierung vor allem Verbundwerkstoffe wie Kohlefaser. Aerodynamik, Leichtbau und innovative Funktionen also als wichtigste Stellschrauben für den Porsche-Trailer, von dem allerdings wohl nur einzelne Komponenten in künftigen Serienprodukten wiederzufinden sein werden.
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Droht den Caravanern Ungemach?
Schön und gut, aber wie sieht das denn in Deutschland aus mit den Wohnwagen und der Elektromobilität? Der Weg in das E-Zeitalter ist geebnet, und wenn man den Ankündigungen der Autohersteller glauben darf, ist bei den meisten Marken die komplette Umrüstung auf rein elektrisch fahrende Neuwagen schon viel früher erledigt, als es das aktuell viel diskutierte Verbrennerverbot vorgibt. Droht den Caravanern da nicht großes Ungemach, allein schon aufgrund der Gewichtsproblematik?
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Airstream E-Stream.
© Quelle: Airstream
Ein Beispiel: Marktführer Hobby hat im vergangenen Jahr mit dem Maxia eine neue Topbaureihe eingeführt. Schick, im skandinavischen Hygge-Style, mit allem Komfort – zwei Tonnen Gesamtgewicht. Aktuell gibt es nicht einmal eine Handvoll E-Autos, mit denen solch ein Wohnanhänger überhaupt an den Haken genommen werden darf. Und selbst dann würde eine Halbierung der Reichweite des E-Zugfahrzeugs – wenn nicht gar mehr – jede längere Urlaubsanreise wegen zahlreicher Ladestopps zu einer harten Geduldsprobe werden lassen.
Dabei sind die schweren Caravans keineswegs ein seltenes Luxusgut. Keine Gewichtsklasse hat seit 2017 so stark zugelegt wie die Wohnwagen über 1800 kg Gesamtgewicht. 2021 betrug ihr Anteil an den deutschen Gesamtzulassungen der Wohnanhänger 50,1 Prozent. Rechnet man die ebenfalls nur von ganz wenigen Stromern zu ziehenden Trailer über 1600 kg hinzu, so stellen die schwergewichtigen Produkte derzeit 67 Prozent des hiesigen Wohnwagen-Jahresabsatzes. Eine ähnliche Entwicklung wie bei den Reisemobilen hin zu kompakten, leichteren Caravans ist hier also nicht feststellbar.
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Für Ästheten: Airstream mit Porsche-Design-Interieur.
© Quelle: Porsche/Airstream
Verbrenner steht noch viele Jahre als Zugfahrzeug im Mittelpunkt
„Der Trend zu größeren, gut ausgestatteten Wohnwagen ist ungebrochen“, bestätigt Hobby-Geschäftsführer Bernd Löher. „Bei diesen Kunden ist das Thema E-Mobilität und geringe Anhängelasten heute noch nicht so relevant, dass sie ihre Nachfrage jetzt schon danach ausrichten.“ Mit dem Launch eines leichten, puristischen und stylischen Caravans der neuen Submarke Beachy würde Hobby allerdings auch eine neue Kundengruppe erreichen, die eher den Aspekt „Zurück zu den Wurzeln“ priorisieren „und Themen wie Gewicht, Führerschein und Preis in ihre Kaufentscheidung einbeziehen“, erklärt Löher.
Kurzfristige Lösungen sieht auch sein Geschäftsführerkollege Bodo Diller von der Marke LMC nicht, die innerhalb der Erwin-Hymer-Gruppe das Kompetenzzentrum für Wohnwagenentwicklung bildet. Der Verbrenner stünde sicher noch viele Jahre als Zugfahrzeug im Mittelpunkt. Aber natürlich forsche auch LMC an zukünftigen Konzepten, vor allem in puncto Leichtbau und Aerodynamik. „Leichtbau hatte schon immer bei LMC Priorität“, betont Diller. „Die Einstiegsbaureihe Sassino, die wir vor drei Jahren eingeführt haben und die sich prächtig entwickelt hat, ist ein gutes Beispiel dafür. Aerodynamik spielt aber auch eine große Rolle, da die große Stirnfläche des Wohnwagens voll im Wind steht und damit viel Energie kostet.“ Diller sieht die Zukunft des Wohnwagens in jedem Fall positiv: „Die Fahrzeughersteller werden sicher auch große Fortschritte bei den Reichweiten der Elektrofahrzeuge machen, sodass ein Urlaub mit Wohnwagen weiter möglich sein wird.“
Caravan mit elektrisch angetriebener Achse
Dillers Vorgaben für einen elektrotauglichen Caravan stimmen also ziemlich genau mit dem von Airstream und Porsche verwirklichten Konzept überein. Aber soll das schon alles sein? Sicher nicht. Auch Airstream verfolgt als Caravan der Zukunft nämlich noch ein anderes vielversprechendes Projekt, das schon vor über einem Jahr als Konzept vorgestellt wurde und laut ersten Ankündigungen eigentlich schon im Handel sein sollte: ein „E-Stream“ mit batterieelektrisch angetriebener Achse. Eine Technik, die das Zugfahrzeug maßgeblich unterstützt und somit die Reichweite des Gespanns deutlich erhöht.
Sind uns die Amerikaner also doch so weit voraus? Jein, denn eigentlich handelt es sich bei der E-Stream-Technik um eine Entwicklung aus Deutschland, die federführend für die Erwin-Hymer-Gruppe die Konzernmarke Dethleffs mit dem Zulieferer ZF umsetzte und auch bereits in der Praxis erfolgreich erprobte: Der E-Coco-Prototyp schaffte am Haken eines Audi e-tron eine fast 400 Kilometer lange Alpenüberquerung ohne Zwischenladung.
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E-Stream-Technik: Der E-Coco-Prototyp schaffte am Haken eines Audi e-tron eine fast 400 Kilometer lange Alpenüberquerung – ohne Zwischenladung.
© Quelle: Dethleffs
Keine Erlaubnis für elektrisch angetriebene Anhänger in Deutschland
Da Airstream aber ebenso wie die Erwin-Hymer-Gruppe zum großen US-Konzern Thor Industries gehört, profitiert der E-Stream von den Synergien des weltweit agierenden Unternehmens. Mehr noch: Während das Projekt bei Dethleffs aktuell ruht, wird Airstream das Konzept gemeinsam mit ZF in den Staaten weiter vorantreiben. Das hat gute Gründe: In den USA sind Anhänger mit angetriebener Achse bereits gesetzlich erlaubt, in Deutschland noch nicht – was sich nach Stimmen aus dem Caravaning-Verband CIVD aber schon bald ändern könnte.
Deshalb beschäftigt sich noch ein anderer großer Hersteller intensiv mit dem Konzept eines angetriebenen Wohnwagens und der elektromobilen Zukunft der Caravaning-Branche: die Knaus-Tabbert-Gruppe. „Wir fahren schon länger eine mehrgleisige E-Strategie“, erklärt Gerd Adamitzki als der zuständige von vier Geschäftsführern und sieht seinen Konzern gar als Innovationsführer. „Wir betreiben seit Jahren viel Entwicklungsarbeit in Richtung Leichtbau. Unser Modell Knaus Sport 400 e-Power ist mit rund 1000 Kilogramm Leergewicht schon heute gut für batterieelektrische Fahrzeuge geeignet.“ Wenn diese E-Autos mit einem bidirektionalen Anschluss ausgestattet seien, könnten sie im Stand den vollelektrischen (und damit gasfreien) E-Power sogar mit Energie versorgen.
Elektrisch angetriebene Achse wird den Anhänger deutlich verteuern
Adamitzki ist sich sicher, dass schon in naher Zukunft speziell für E-Fahrzeuge konstruierte wie optimierte Wohnwagen präsentiert werden. „Und natürlich wird die nächste Ausbaustufe mittels elektrischer Achse rekuperieren können“, sagt der Knaus-Geschäftsführer, der aber noch keine technischen Details verraten will. Im Gegensatz zu dem Dethleffs-ZF-System mit Hochvolttechnik (400 Volt) soll Knaus-Tabbert in der Kooperation mit Bosch aber auf ein 48-Volt-Niedrigspannungssystem mit mehreren fest eingebauten Lithium-Ionen-Akkus à 2,4 kWh setzen, die um tragbare Akkupacks ergänzt werden können und somit auch extern geladen oder anderweitig verwendet werden können. In der Branche geht man davon aus, dass Knaus-Tabbert schon auf dem Caravan-Salon Anfang September in Düsseldorf eine seriennahe Studie vorstellen könnte.
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Die Marke LMC stellt mit Sassino die Einstiegsreihe ins Leichtbausegment.
Keine Frage, Anhänger mit elektrischem Antrieb würden den Wohnwagen fit für das E-Zeitalter machen. Das Zugfahrzeug wird entlastet. Das senkt den Verbrauch und steigert die Reichweite. Per Rekuperation kann beim Bremsen und Bergabfahren Energie zurückgewonnen werden, die generell auch für elektrisch betriebene Komponenten an Bord verwendet werden kann und den Caravan damit unabhängig vom Landstrom macht. Der E-Antrieb macht ein zusätzliches Rangiersystem überflüssig. Hinzu kommt auch noch ein Sicherheitsaspekt, denn über die E-Motoren kann mit gezielten Impulsen an den Rädern ein schlingernder Caravan wieder stabilisiert werden. Und auf rutschigem Untergrund wird der Caravan sogar zur Traktionshilfe für das Zugfahrzeug. Eins steht aber auch fest: Eine angetriebene Achse wird den Caravan in jedem Fall verteuern. Deutlich verteuern. Das kann durchaus fünfstellig werden.