Ist es vorbei mit der Demokratisierung des Fahrzeugmarkts?

Luxus­segment: Warum die Geschichte der Verbrenner noch nicht zu Ende ist

Hat gut lachen: Auch wenn sich Ola Källenius, Chef der Mercedes-Benz Group, stolz vor das neue Forschungsfahrzeug stellt, verdienen die Schwaben ihr Geld derzeit noch mit den Luxusmodellen.

Hat gut lachen: Auch wenn sich Ola Källenius, Chef der Mercedes-Benz Group, stolz vor das neue Forschungsfahrzeug stellt, verdienen die Schwaben ihr Geld derzeit noch mit den Luxusmodellen.

Unter ihrem neuen Namen Mercedes-Benz Group meldet die ehemalige Daimler AG für das vergangene Geschäftsjahr einen Gewinn von 14 Milliarden Euro und Audi gibt bekannt, dass die kleinen Modelle A1 und Q2 keine Nachfolger mehr bekommen. Was beide Premiumhersteller eint, ist die Fokussierung auf das Luxussegment. Dort lässt sich – auch wegen der Chipkrise – das meiste Geld verdienen. Was wie eine Goldader aussieht, könnte sich aber als Problem entpuppen. Denn die Produkte zumindest auf der Antriebsseite sind alles andere als innovativ: Mächtige SUV und protzige Limousinen, überwiegend von klassischen Verbrennungsmotoren angetrieben, lassen die Kassen klingeln.

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Zwar investieren die Unternehmen in alternative Antriebstechnologien, doch sehen sie auch das Potenzial, das noch immer im Verbrenner steckt und werfen damit ein Schlaglicht auf ein Dilemma all jener, die vor der Neuanschaffung eines Autos stehen: Sollen sie nun ein Elektroauto mit den immer noch vorhandenen Kinderkrankheiten kaufen, oder doch lieber ein bewährtes Modell mit einem Benzin- oder Dieselmotor, also mit einer Technologie, die mittelfristig als überholt gilt? Schenkt man den Marketingspezialisten Glauben, steht das Elektroauto vor einer großartigen Zukunft. Der endgültige Durchbruch steht kurz bevor. Und tatsächlich sind die Zuwachszahlen beeindruckend, bei den Neuzulassungen purzeln die Rekordwerte. Allein im Januar wurden laut Statista 28,1 Prozent mehr batterieelektrische Fahrzeuge zugelassen als im Vergleichsmonat des Vorjahres.

Geld wird weiter mit Verbrennern verdient

Allerdings wird dabei häufig etwas vergessen: Das Geld verdienen nach wie vor Autos mit Verbrennungsmotoren. Zwar haben die großen Hersteller ihren Fahrplan für den Ausstieg aus der Technologie, die Autos seit mehr als 100 Jahren antreibt, vorgestellt, doch bis dahin laufen noch viele Millionen konventionell angetriebener Autos von den Bändern. Auch wenn die Zahlen nicht repräsentativ sind, lohnt sich hier ein Blick auf VW: Die Wolfsburger haben im vergangenen Jahr 263.000 batterieelektrische Autos weltweit verkauft, zusammen mit Plug-in-Hybriden kam man auf 369.000 Einheiten. Demgegenüber stehen über alle Antriebsarten hinweg 4,9 Millionen Pkw.

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Bei den anderen Marken sieht es ähnlich aus. Mercedes und Audi haben jetzt entschieden, sich künftig auf das Luxussegment zu konzentrieren. Hier sind die Gewinnspannen am größten. Damit dürfte es mit der Demokratisierung zumindest bei diesen beiden Herstellern vorerst vorbei sein. Einen Audi oder einen Mercedes kann sich dann nur leisten, wer das entsprechende Geld mitbringt. Mercedes-Chef Ola Källenius vollführt hier eine Kehrtwende zur Produktpolitik seines Vorgängers Dieter Zetsche, der die Marke nach unten hin geöffnet und verjüngt hat.

Experte warnt: „Es wird auch um die soziale Akzeptanz gehen“

Für den Automobilexperten Professor Stefan Bratzel vom Forschungsinstitut Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, das Wandel und Zukunft der Automobilwirtschaft untersucht, ist dieser Kurs nicht ganz unproblematisch: „Wir sind in einer Phase der Neuinterpretation des Premiumbegriffs. Künftig wird es um die Einbindung des Automobils in die persönliche Lebenswelt gehen“, sagt der Wissenschaftler. Das Auto werde zum Bestandteil eines multimodalen Mobilitätssystems. Die Fokussierung auf Luxusmodelle klassischen Zuschnitts berge noch eine weitere Gefahr: „Es wird auch um die soziale Akzeptanz gehen. Mir haben schon vor zehn Jahren Porsche-Fahrer erzählt, dass ihnen auf der Straße der Mittelfinger gezeigt wurde“, sagt Bratzel. „Marken wie Mercedes oder Audi sollten deshalb in der Mitte der Gesellschaft stehen.“

Das Dilemma, in dem der Verbrennungsmotor steckt, kann auch der Wissenschaftler nicht lösen: Restwerte? Nutzungskosten? Fragen, die sich heute nicht eindeutig beantworten lassen. Fest steht lediglich: Die Technologie hat auf Dauer keine Zukunft mehr. Trotzdem ist sie noch wichtig. Professor Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der Technischen Universität Graz, verweist in diesem Zusammenhang auf den aktuellen Bestand von rund einer Milliarde Pkw weltweit: „Selbst wenn in Europa ab 2030 oder 2035 nur mehr batterieelektrische Fahrzeuge zugelassen werden können, werden damit die ambitionierten Treibhausgas-Ziele wegen der Bestandsflotte – in die bis dahin ja noch viele Fahrzeuge neu und mit einer Lebensdauer von acht bis zehn Jahren kommen, die man ja hoffentlich nicht verschrotten möchte – deutlich verfehlt“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Seiner Ansicht nach seien der größte zur Verfügung stehende Hebel synthetische Kraftstoffe: „Denn nur so kann man auch in die bestehende Flotte eingreifen.“

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Bei der Reichweite bisher konkurrenzlos

Zu guter Letzt gibt es ein Argument, das Benziner und Diesel für viele Autofahrer nach wie vor attraktiv macht: Dank der hohen Energiedichte der flüssigen Kraftstoffe lässt sich auf verhältnismäßig kleinem Raum in kurzer Zeit viel Reichweite tanken. Daran kommt gegenwärtig noch kein Elektroauto heran. Mit der nächsten Abgasnorm Euro 7, deren Einführung nicht vor 2025 kommen dürfte, würden Verbrennungsmotoren noch einmal deutlich sauberer werden. Retten wird das die Technologie nicht. Sie wird die Autos aber verteuern. „Pro Fahrzeug etwa 1000 bis 1500 Euro“, schätzt Stefan Bratzel. Preise, die auch auf die günstigeren Modelle in den Kleinwagensegmenten durchschlagen dürften.

Dann also doch ein Elektroauto? Auf alle Fälle gibt es inzwischen Marken, die noch nie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor verkauft haben. Prominentestes Beispiel ist Tesla. Elon Musk, der noch vor wenigen Jahren von den Premiumherstellern belächelt wurde, hat im vergangenen Jahr weltweit fast 940.000 E-Autos ausgeliefert. Ein Anfang ist gemacht. Die Premiumhersteller müssen sich langsam überlegen, ob sie den Luxusbegriff nicht neu definieren sollten.

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