Autozulieferer ZF setzt auf Strom: „Nicht den Trends hinterherlaufen“
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Blick in die Produktion von ZF in Brandenburg an der Havel.
© Quelle: MAZ
Hat die deutsche Autoindustrie den Wandel hin zur E‑Mobilität verschlafen? Zumindest beim Blick auf die Verkaufszahlen von E‑Autos weltweit liegen chinesische Hersteller und Tesla aktuell vorn. Doch große Player der heimischen Autoindustrie wie Zulieferer ZF haben schon seit Jahren begonnen, für E‑Autos zentrale Komponenten zu entwickeln und für Abnehmer auf der ganzen Welt zu produzieren. Anfang 2021 wurde die Division Electrified Powertrain Technology von ZF gegründet, mit der sich der Konzern auch langfristig Großaufträge in einer zunehmend elektrischen Welt der Mobilität sichern will.
Auch wenn noch auf Jahre hinaus Verbrenner- und Elektrowelten parallel nebeneinander existieren werden, ist die Perspektive auf ein mögliches Ende des Verbrenners in der langfristigen Transformation von ZF bereits verankert und der Wandel hin zur E‑Mobilität längst wichtiger Bestandteil der Planung. Dabei geht der Industrieriese mit seinen mehr als 150.000 Beschäftigten besonnen strategisch vor, erläutert von Stephan von Schuckmann, Mitglied des ZF-Vorstands und verantwortlich für E‑Mobilität: „Es ist ein Prozess, den wir sehr koordiniert und gesteuert orchestrieren. ZF hat ein Transformationsprogramm gestartet, hinter dem unterschiedliche Szenarien liegen, um Extreme durchzuspielen, um vorherzusagen, was auf unser Unternehmen zukommen kann. Wenn alles in einem weltweiten Szenario elektrisch wird, bildet das Programm das entsprechend ab und ZF kann sich danach ausrichten.“
Druck als Chance zum Wandel
Obwohl mit der zunehmenden Elektrifizierung einige klassische Geschäftsbereiche an Bedeutung verlieren werden, sieht von Schuckmann den damit einhergehenden Druck zum Wandel als Chance. ZF dürfe allerdings den Trends nicht hinterherlaufen, denn um als Zulieferer zu partizipieren, müsse man sich schneller als die Autohersteller transformieren, um stets rechtzeitig die passenden Lösungen für die E‑Mobilität anbieten zu können.
Die E‑Mobilität in Europa und China legt ein hohes Tempo vor, doch vorläufig entwickeln sich Märkte weltweit recht unterschiedlich. Deshalb bleibt ZF technologieoffen, um entsprechend pro Region auf die Entwicklungen reagieren zu können. Im Verlauf des Transformationsprozesses habe sich diese Herangehensweise bestätigt, sagt von Schuckmann.
Ohnehin wird das Geschäft mit klassischen Komponenten nicht wegbrechen. Es gibt Systemlösungen und Software in E‑Fahrzeugen, wie sie auch in Verbrenner-Pkw zum Einsatz kommen. Bremsen, Lenkung, Dämpfung, passive und aktive Sicherheitstechnik gehören zu den antriebsübergreifenden Spezialitäten des Unternehmens. Speziell für E‑Fahrzeuge bietet ZF darüber hinaus elektrische Systemlösungen, innerhalb der elektrischen Antriebstechnik gehören E‑Motor- oder Pulswechselrichter dazu. Mit Halbleiterherstellern geht ZF zudem enge Kooperationen ein, um auch hier entsprechende Lösungen bereitstellen zu können. Lediglich die für E‑Autos wichtigen Batterien hat das Unternehmen nicht im Angebot.
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Stephan von Schuckmann, Mitglied des ZF-Vorstands und verantwortlich für E-Mobilität, sieht den Druck zum Wandel für sein Unternehmen als Chance.
© Quelle: ZF AG
Dass sich Systemwandel und der Transformationsprozess auf das Kerngeschäft von ZF auswirken, zeigt sich am Beispiel der Getriebeproduktion, die ein traditionelles Standbein des Unternehmens ist. Aktuell verzeichnet ZF für Getriebe noch einen hohen Auftragsbestand, speziell für das neue Getriebe 8 HP der vierten Generation, das gerade industrialisiert wird. Dabei handelt es sich um eine Baukastenlösung für konventionelle Antriebe, Mildhybride und Plug-in-Hybride. Doch wird das Unternehmen keine weiteren Getriebegenerationen mehr entwickeln. Ein konkretes Enddatum für die Produktion von Getrieben nennt von Schuckmann nicht, das würde vor allem vom Markt abhängen. Doch wohl nur noch für diese Dekade.
Weiter große Entwicklungspotenziale in der E‑Mobilität
Auch wenn bereits zukunftsweisende Lösungen für E‑Autos entwickelt wurden, sieht von Schuckmann weiter große Entwicklungspotenziale in der E‑Mobilität. Viel müsse noch getan werden, um die Produkte über die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltiger zu machen, so der Manager. E‑Antriebe können zum Beispiel umweltfreundlicher werden, indem sie auf seltene Erden verzichten. Viel Nachholbedarf sieht er auch bei der Ladeinfrastruktur sowie der Ladegeschwindigkeit. „Einen ganz weiten Weg haben wir noch vor uns, E‑Fahrzeuge effizienter zu gestalten. Hier werden wir in den nächsten Jahren noch viel sehen. Mit dem Einsatz von Siliciumcarbid-Halbleitertechnik wird man ebenfalls viel stärker an der Effizienzschraube drehen.“
Gerade werden die Wechselrichterinnovationen für die nächste Generation von E‑Antrieben vorbereitet, die bis 2025 serienreif sein werden. Auch hinsichtlich der Leistungsdichte von E‑Motoren sieht er große Potenziale. Diese werden kleiner und leichter, zugleich ihre Leistung steigen. Die Steuerungssoftware nennt er als ein weiteres wichtiges Entwicklungsfeld. Grundsätzlich erwartet von Schuckmann, dass E‑Autos nicht nur besser, sondern außerdem günstiger werden. Neben Skaleneffekten bei der Batterieproduktion werden auch die Kosten von anderen Komponenten dank fortschreitender Massenfertigung sinken. Preislich, prognostiziert der Manager, werden die heute noch stark subventionierten E‑Autos mit Verbrennermodellen in einigen Jahren konkurrenzfähig sein.
Welche Rolle könnten Wasserstoffantriebe in der Elektrotransformation von ZF spielen? „Wir entwickeln auch Wasserstofflösungen. Diese Lösungen werden allerdings zuerst im Nutzfahrzeugsegment zum Einsatz kommen.“ Aktuell zeige sich auf der Basis der Kundenanfragen am Markt, dass hier im Nahverkehrsbereich sowie auf Mittelstrecken hauptsächlich batterieelektrische Lösungen durchsetzen werden. Bei Langstrecken wird sich aus Sicht von ZF hingegen Wasserstoff durchsetzen. Hier wird allerdings vieles auch von der Entwicklung der Tankinfrastruktur abhängen, so von Schuckmann.
Mario Hommen/SP-X
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