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Stiko ändert ihre Empfehlung

Ich habe mein Kind gegen Covid-19 impfen lassen: War das ein Fehler?

Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren bekommen in der Wäldchenschule ihre zweite Impfung.

Zahlreiche Kinder und Jugendliche haben sich in den vergangenen Monaten gegen Covid-19 impfen lassen.

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Bei der neuen Corona-Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) dürften viele Eltern im ersten Moment gestutzt haben. Denn plötzlich ist nicht mehr die Rede davon, dass sich Kinder und Jugendliche gegen Covid-19 impfen lassen sollten. Wortwörtlich erklärt das Gremium: „Für gesunde Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wird keine routinemäßige Covid-19-Impfung (Grundimmunisierung oder Auffrischimpfung) empfohlen.“ Nur noch wenn Kinder ein erhöhtes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken, zum Beispiel, weil sie Vorerkrankungen wie Diabetes oder Trisomie 21 haben, sei eine Grundimmunisierung plus jährliche Auffrischungsimpfung angeraten.

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Noch in der letzten Aktualisierung der Impfempfehlung vom 23. Februar 2023 sah das ganz anders aus: Für alle Zwölf- bis 17-Jährigen galt eine generelle Impfempfehlung, bestehend aus drei Impfungen. Für gesunde Fünf- bis Elfjährige war zumindest eine Impfstoffdosis vorgesehen. Eine vollständige Grundimmunisierung sollte mit Einverständnis der Eltern und nach ärztlicher Aufklärung möglich sein. Eine Impfempfehlung für gesunde Kleinkinder im Alter von sechs Monaten bis vier Jahren gab es nicht. Sie konnten nach individueller Risikoeinschätzung und in Absprache mit der behandelnden Ärztin beziehungsweise dem behandelnden Arzt aber ebenfalls grundimmunisiert werden.

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Nun hat die Stiko diese Empfehlungen größtenteils über den Haufen geworfen. Waren die Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche im Nachhinein also völlig umsonst?

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Stiko: „Keine Sicherheitsbedenken“ bei Corona-Impfungen

Nicht wenige Kinder und Jugendliche in Deutschland haben sich in den vergangenen Monaten gegen Covid-19 impfen lassen. Bei den Null- bis Vierjährigen sind 0,1 Prozent (2727 Menschen) mindestens einmal geimpft, wie das Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums zeigt (Stand: 8. April 2023). Bei den Fünf- bis Elfjährigen haben 22,4 Prozent (1.209.600 Menschen) eine Impfdosis bekommen, 20 Prozent (1.080.000 Menschen) sogar noch eine zweite. Noch größer ist der Anteil der Geimpften unter den Zwölf- bis 17-Jährigen: 74,5 Prozent (3.352.500 Menschen) sind einmal geimpft, 69,6 Prozent (3.132.000 Menschen) grundimmunisiert und 31,6 Prozent (1.422.000 Menschen) haben eine Auffrischungsimpfung erhalten.

Dass die Stiko jetzt nur noch jungen Risikopatientinnen und Risikopatienten eine Corona-Impfung empfiehlt, heißt jedoch nicht, dass sie für alle anderen ein Fehler gewesen ist. Das Gremium selbst weist in seiner Impfempfehlung darauf hin: „Es bestehen (...) keine Sicherheitsbedenken bei der Impfung von gesunden Kindern und Jugendlichen.“ Ein entscheidender Hinweis, meint Immunologe Carsten Watzl. „Weil einige Ärzte leiten aus einer fehlenden Stiko-Empfehlung manchmal auch ab, dass man dann auch gar nicht impfen darf, weil es vielleicht zu gefährlich sei“, sagte er im Gespräch mit dem Science Media Center (SMC).

Es gibt zwar keine Impfempfehlung für die Gruppe der gesunden unter 18-Jährigen, aber es wird auch nicht generell davon abgeraten. Das heißt: Wer sein Kind gegen Covid-19 impfen lassen möchte, kann das weiterhin in Absprache mit dem behandelnden Arzt beziehungsweise der behandelnden Ärztin tun. Es kann jedoch sein, dass einige Krankenkassen die Kosten für die Impfungen ohne Stiko-Empfehlung nicht mehr übernehmen. Noch ist das aber offen.

Wie wirksam und sicher sind die Corona-Impfstoffe?

Dass die Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche im Allgemeinen gut verträglich und wirksam sind, hatte vor Kurzem erst eine große Metastudie des Robert Koch-Instituts (RKI) bestätigt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die von der Stiko empfohlenen mRNA-Impfstoffe bei Fünf- bis Elfjährigen nicht mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse einhergehen. Herzmuskelentzündungen traten in den untersuchten Studien beispielsweise bei 0,13 bis 1,04 Fällen pro 100.000 verabreichten Impfdosen auf. Allerdings seien die Belege für das Risiko einer Myokarditis mit Unsicherheiten behaftet, merkten die Studienautorinnen und Studienautoren an. Den Schutz vor Infektionen bezeichneten sie als „mäßig“, besser würden die Impfstoffe wohl aber vor Krankenhausaufenthalten schützen.

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Auch bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren gelten die mRNA-Vakzine als sicher, wenngleich in sehr seltenen Fällen Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen auftreten können. Den Schutz vor Krankenhausaufenthalten nach einer zweiten Impfdosis bezeichnet das RKI als „gut“. Anders sieht es beim Schutz vor Infektionen aus: „Aktuelle Daten zeigen, dass gerade während der Zirkulation der Omikron-Variante der Schutz der Impfung vor Übertragung unsicher ist und – wenn überhaupt – nur von kurzer Dauer“, erklärt die Behörde auf ihrer Internetseite. Eine Auffrischungsimpfung könne zumindest den Schutz vor schwerer Erkrankung verbessern.

Corona-Lage hat sich verbessert

Dass die Stiko ihre Corona-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche radikal verschlankt hat, ist vor allem der veränderten Infektionslage und der wachsenden Immunität geschuldet. Die Omikron-Variante, die aktuell das Infektionsgeschehen dominiert, würde bei Jüngeren überwiegend milde oder asymptomatische Krankheitsverläufe verursachen, begründet die Stiko ihre Entscheidung. Auch das Risiko für Corona-Langzeitfolgen, kurz Long Covid, und Pims – also das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome – sei zurückgegangen. „Da wir auch bei den Kindern davon ausgehen, dass eine sehr große Basisimmunität durch durchgemachte Infektionen besteht, ist dieses Risiko wirklich jetzt sehr, sehr, sehr, sehr gering“, sagte der Berliner Kinderarzt Martin Terhardt, der Mitglied der Stiko ist, dem SMC.

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Die aktuelle Corona-Lage ist für die Stiko also kein Grund mehr, eine Impfung für gesunde Kinder und Jugendliche zu empfehlen. „Wenn die Eltern ein Kind haben, das nicht in diese Risikogruppen gehört, würde ich im Moment nicht mehr zur Impfung raten“, sagte Terhardt.

Neugeborene könnten wiederum zunächst vom Nestschutz der Mutter profitieren. Ist die Mutter gegen Covid-19 geimpft, das zeigen mehrere Studien, gehen die nach der Impfung gebildeten Antikörper über die Plazenta auf das Kind über. Die Babys haben in ihren ersten Lebensmonaten also einen passiven Immunschutz.

Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass immer wieder neue Kinder mit Risikofaktoren wie Herzfehlern oder angeborenen Lungenerkrankungen auf die Welt kommen. „Das dürfen wir jetzt in den nächsten Jahren nicht vergessen“, mahnte Kindermediziner Terhardt, „dass wir ständig als Ärzte und Ärztinnen die Verantwortung haben, die Menschen zu erkennen, die eine andere Indikation haben als der Rest der Bevölkerung und eventuell noch nicht geimpft worden sind oder noch nicht ausreichend geimpft worden sind.“



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