Wie riskant sind Festivals in der Corona-Sommerwelle?
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Nach langer Corona-Pause: Knapp 90.000 Besucher bejubelten in diesem Jahr die Auftritte von etwa 70 Bands bei Rock am Ring.
© Quelle: IMAGO/Panama Pictures
Die Festivalsaison ist angelaufen. Nach zwei Jahren Corona-Stillstand heißt es endlich wieder: sich Livekonzerten hingeben, verschwitzt durch die Menge treiben lassen, mit Bierchen zuprosten, am Zeltplatz in geselliger Runde die Partynacht Revue passieren lassen, bevor es am nächsten Tag wieder losgeht. Diesmal ganz ohne Corona-Sorgen. Ohne Komplettabsagen, Masken, ohne Impfnachweis oder besondere Hygiene, ohne Begrenzung von Gästen. Aber ist das eine gute Idee? Gerade jetzt, wo die Sommerwelle losgeht und sich die neue Virusvariante BA.5 ausbreitet?
An diesem Wochenende startet unter anderem das Hurricane-Festival im niedersächsischen Scheeßel. Zehntausende Besucher und Besucherinnen werden allein dort an diesem Wochenende erwartet. Anfang des Monats fand bereits das Musikfestival Rock am Ring in der Eifel statt, ebenfalls ein Großevent mit rund 90.000 Musikfans vor Ort. Einige Besucher und Besucherinnen berichteten im Anschluss in einer Facebook-Gruppe davon, sich dort mit Corona angesteckt zu haben. Wenig überraschend, bei Sieben-Tage-Inzidenzen zwischen 200 und 400 im Land.
Treiben Festivals die Corona-Inzidenz nach oben?
Denn die Pandemie hat gezeigt, dass je größer eine Veranstaltung, je mehr Menschen aufeinandertreffen, desto wahrscheinlicher wird es, dass akut Infizierte anwesend sind – und sich das Virus unter den Gästen verbreiten kann. So alarmiert wie in den Vorjahren sind Fachleute in diesem Sommer aber nicht, wenn es um Großveranstaltungen im Freien geht.
So sieht der Virologe Ulf Dittmer vom Universitätsklinikum Essen solche größeren Festivals momentan nicht als gefährlichen Infektionstreiber der Dynamik in Deutschland an. „Ich glaube jetzt nicht, dass solche Veranstaltungen mit einigen Infektionen zur Durchseuchung beitragen“, sagte der Corona-Experte dem WDR. „Dazu ist das Risiko im Freien dann doch zu gering. Ich glaube, viel mehr Infektionen finden in geschlossenen Gebäuden statt.“
In der Tat ist das der entscheidende Vorteil von Festivals: Sie finden in der Regel draußen statt. „Übertragungen im Außenbereich kommen insgesamt selten vor und haben einen geringen Anteil am gesamten Transmissionsgeschehen“, resümiert das Robert Koch-Institut (RKI) die Studienlage. Der Grund? Die Luft ist in Bewegung, Aerosole verteilen sich schneller – und die Wahrscheinlichkeit, sich mit Corona anzustecken, sinkt. Wie gering genau, ist allerdings nicht zu beziffern.
Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko für Festivalbesucher?
Das gilt dem RKI zufolge zudem auch nur bei Wahrung des Mindestabstands. Auch wenn das Ansteckungsrisiko geringer ist als in Innenräumen, kann es vorkommen, dass man sich beim Besuch eines Festivals im Freien ansteckt. Situationen, in denen Menschen dicht an dicht stehen, gibt es während der Konzerte und im Anschluss genug. Die Bedingungen sind für das Virus ideal: Gerade beim ausgelassenen Feiern wird das Wahren eines Abstands von ein bis zwei Metern zu anderen nicht erfüllt. Je dichter man beieinander steht, umso wahrscheinlicher wird es, dass größere und infektiöse Virenpartikel beim Sprechen, Schreien und Singen übertragen werden. Von einer Tröpfcheninfektion ist dann die Rede. Es geht also nicht nur um die Aerosole, die sich draußen eher in der Luft verteilen.
Wer dieses Risiko reduzieren möchte, sollte vorbeugen. Wie hoch das Infektionsrisiko beim Festivalbesuch ist, hängt nicht nur an der Menge der Menschen, sondern auch vom konkreten Verhalten ab. „Vor dem Hintergrund wieder steigender Inzidenzen und einer prognostizierten Zunahme durch die stärkere Verbreitung der Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5 sollten die Empfehlungen zur Infektionsvermeidung verstärkt eingehalten werden“, rät das RKI in seinem aktuellen Wochenbericht.
Maske, testen, impfen: Das hilft auch bei BA.5
Das heißt dann zum Beispiel: Wenn viele Menschen dicht aufeinandertreffen, lieber wieder Maske tragen. Wer vor oder während des Festivalbesuchs einen Schnelltest macht, verringert das Risiko, unwissentlich jemanden anzustecken. Wer Symptome wie Schnupfen, Halsschmerzen oder Husten verspürt, sollte zu Hause bleiben, sich von anderen isolieren und bei Hausarzt oder Hausärztin per Test prüfen, ob es Corona ist. Das gilt unabhängig vom Impfstatus. Ratsam ist auch, die Corona-Warn-App auf dem Handy zu installieren. Darüber wird man informiert, wenn man unwissentlich in der Nähe von einer infizierten Person war.
Und, wie die Festivalorganisatoren des Hurricane schon Ende August vergangenen Jahres selbst betonten: „Ihr könnt euch impfen lassen gehen. Super easy. Der Stoff ist da. Wenn deine Oma das kann, dann kannst du das auch.“ Denn Ungeimpfte übertragen das Virus zumindest etwas wahrscheinlicher als Geimpfte. Trotzdem können sich auch Grundimmunisierte und Geboosterte noch anstecken und das Virus an andere weitergeben – gerade auch bei der neuen Omikron-Variante. Aber: Wer dreifach geimpft ist, ist in der Regel gut vor einem schweren Covid-19-Verlauf geschützt – auch bei BA.5.
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