Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche? Was über Krankheitsrisiken und Ansteckungen bekannt ist

Lange wurde diskutiert, welche Rolle Kinder in der Pandemie spielen.

Lange wurde diskutiert, welche Rolle Kinder in der Pandemie spielen.

Zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen wird seit Pandemiebeginn stark gestritten. Etwa, wenn es um die Maskenpflicht in der Schule geht, oder die Frage, inwiefern geschlossene Schulen das Virus eindämmen können, ob junge Menschen nun wirklich auch das Virus übertragen – und andere anstecken können. Nun gehen die Meinungen erneut auseinander – beim Impfen gegen Covid-19.

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Auch Kindern und Jugendlichen in Deutschland soll nun möglichst schnell ein Impfangebot gemacht werden. Anfang Juni wird die Entscheidung zur Zulassung durch die europäische Arzneimittelagentur EMA für das mRNA-Vakzin von Biontech für die Zwölf- bis 16-Jährigen erwartet. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erwartet danach Tempo, spricht von ersten möglichen Impfungen für die älteren Schülerinnen und Schüler ab August, vielleicht auch schon vor den Sommerferien.

Aus Kreisen der Ständigen Impfkommission (Stiko) hingegen heißt es, dass eine generelle Empfehlung zur Impfung von Kindern und Jugendlichen vorerst nicht erfolgen werde. Zum einen wegen einer geringen Datenlage zu den Vakzinen, zum anderen wegen einer besonders schwierigen Abwägung von Risiken und Nutzen bei den Jüngsten. Wie also abwägen? Die Studienlage ist weiterhin vorläufig, aber nicht mehr ganz so vage wie noch zum Pandemiebeginn.

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Welche Corona-Symptome zeigen Kinder und Jugendliche?

Unter anderem wegen des geringeren Erkrankungsrisikos als bei Älteren argumentiert die Ständige Impfkommission, dass die Verwendung von noch nicht lange geprüften Impfstoffen bei den Jüngeren besonders gründlich abgewogen werden müsse. Medizinerinnen und Mediziner sowie Forschende beobachten, dass die Mehrzahl der mit Sars-CoV-2 infizierten Kinder und Jugendliche bislang einen asymptomatischen oder milden Krankheitsverlauf zeigt. Ein erheblicher Teil weise nur ein Symptom auf, resümiert das Robert Koch-Institut die aktuelle Studienlage. „Nur ein sehr kleiner Teil benötigt eine intensivmedizinische Versorgung und wird beatmungspflichtig“, heißt es im Steckbrief zum Erreger. Unklar ist bislang, inwieweit neue Varianten ihre Eigenschaften verändern könnten.

Mögliche Symptome bei Kindern und Jugendlichen sind Husten, Fieber, Schnupfen. Aber auch allgemeine Krankheitszeichen, Halsschmerzen, Atemnot, Magen-Darm-Symptome – und seltener eine Pneumonie oder akutes Lungenversagen. Es wurden in internationalen Studien auch Myalgie (Muskelschmerzen), Brustschmerzen und Herzrasen sowie Geschmacks- und Geruchsverlust angegeben.

Es gibt inzwischen auch Datensätze aus Deutschland zu Symptomen speziell bei mit Sars-CoV-2 infizierten Kita-Kindern: Eine RKI-Studie mit Untersuchungen während der ersten Corona-Welle hat gezeigt, dass die Null- bis Fünfjährigen nur im Ausnahmefall schwerer erkranken. 43 Prozent der untersuchten Kita-Kinder bemerkten trotz festgestellter Infektion gar keine Symptome. Bei 57 Prozent der PCR-positiven Kinder wurde mindestens ein Symptom angegeben – etwa Husten, Fieber, Schnupfen. Im Gegensatz zu Schulkindern und Jugendlichen ist bislang aber noch nicht absehbar, ob es demnächst eine Impfstoffzulassung für Kleinkinder und Säuglinge geben wird. Studienergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit der Vakzine bei den Allerjüngsten fehlen vorerst.

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Wie stark erkranken Kinder und Jugendliche an Covid-19 und Long Covid?

Bis 23. Mai sind nach Daten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie knapp 1550 Kinder und Jugendliche mit Covid-19 ins Krankenhaus gekommen, davon waren 37 Prozent jünger als ein Jahr. Rund fünf Prozent dieser Kinder und Jugendlichen wurden auf einer Intensivstation behandelt, 0,3 Prozent starben an Covid-19. Kinder und Jugendliche können – wie Erwachsene – Risikofaktoren für schwere Covid-19-Verläufe tragen. Bei den Kindern, die im Krankenhaus behandelt werden, sind pulmonale (15 Prozent) und kardiale (8 Prozent) Vorerkrankungen häufiger registriert worden. Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern sind auch schwere Verläufe beschrieben. In einer europaweiten Studie waren ein Alter unter einem Monat, das Vorliegen einer Vorerkrankung sowie Anzeichen einer Infektion der unteren Atemwege Risikofaktoren für eine Aufnahme auf die Intensivstation.

In seltenen Fällen entwickeln Kinder ein Krankheitsbild, das von den europäischen Gesundheitsbehörden als „Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, kurz PIMS, in Kombination mit einem „Toxic Shock Syndrome“, kurz TSS, benannt wurde. Das sind Entzündungen, die Kinder etwa ab dem Grundschulalter bis zur Pubertät betreffen können. Es weist Ähnlichkeit mit dem Kawasaki-Syndrom auf, das bei Kindern im Zusammenhang mit anderen Infektionskrankheiten beobachtet wird.

Der Großteil der daran erkrankten Kinder muss intensivmedizinisch im Krankenhaus versorgt werden. Das Krankheitsbild ist in der Regel gut behandelbar, für Kinder mit komplizierteren Verläufen ist die Langzeitprognose unklar. Systematische Datenanalysen gehen von einer Sterblichkeit von 1,7 bis 3,5 Prozent aus. Zu befürchten sei, dass das Syndrom in einem von 1000 Fällen auftrete, sagte der Virologe Christian Drosten kürzlich im NDR Info-Podcast.

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Folgeerkrankungen, auch unter den Begriffen Long Covid oder Post Covid bekannt, können teils auch erst Monate nach der Covid-19-Erkrankung auftreten oder sich verschlechtern, auch nach mildem Verlauf in der Akutphase. Das wird inzwischen nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Minderjährigen beobachtet. Mediziner berichten beispielsweise von Leistungsminderungen, Atembeschwerden und kognitiven Einschränkungen, auch bei jungen Patientinnen und Patienten. Zur Dauer und Häufigkeit ist aber noch vieles unklar.

Aus Untersuchungen zu Long Covid bei Kindern aus Italien geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Kinder im Alter zwischen sechs und 16 Jahren, die sich mit dem Virus infizieren, mindestens ein Symptom hat, das länger als 120 Tage anhält. Die Zwischenergebnisse basieren auf regelmäßigen Untersuchungen von 129 Kindern, bei denen zwischen März und November 2020 am Gemelli-Universitätsklinikum in Rom Covid-19 diagnostiziert wurde. „Symptome wie Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Atemprobleme und Herzklopfen waren besonders häufig, wie auch bei Erwachsenen beschrieben“, resümieren die Forschenden in ihrem Anfang April 2021 zu den Ergebnissen veröffentlichten Bericht, der in der medizinischen Fachzeitschrift „Acta Paediatrica“ erschienen ist.

Welche Rolle spielen Kinder und Jugendliche beim Infektionsgeschehen?

Kinder und Jugendliche haben – wenn nicht gerade Lockdown ist – besonders viele soziale Kontakte, beispielsweise in der Schule, der Kita, beim Sport, in den Familien. Neben dem persönlichen Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung ist auch der Schutz der Gemeinschaft ein Argument, um Kinder und Jugendliche zu impfen. Welche Rolle sie beim Infektionsgeschehen spielen, ist nicht abschließend geklärt.

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In der Praxis gezeigt hat sich aber nach fast anderthalb Pandemiejahren: Sie können andere anstecken, und auch an Schulen und in Kitas gibt es Ausbrüche, ähnlich wie im Rest der Bevölkerung. Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz hoch ist, ist auch das Risiko für Ausbrüche in Schulen höher. Auch Virologinnen und Virologen betonen, ein sicherer Regelbetrieb sei möglich bei niedrigen Inzidenzen – aber nicht bei Fallzahlen wie während der dritten Infektionswelle.

Immerhin eine gute Nachricht, gerade wenn es um das Öffnen von Schulen und Kitas geht: Kinder verbreiten einer neueren Studie zufolge beim Sprechen und Singen weniger der für eine Übertragung von Coronaviren relevanten Aerosole als Erwachsene. Das hat eine Untersuchung der Charité und der TU Berlin unter Federführung des Phoniaters Dirk Mürbe ergeben.

Geht es um die Suche nach konkreten Beweisen für die Rolle von Jüngeren beim Infektionsgeschehen, betrachten Studien unter anderem drei Parameter:

  • Infektiosität: Analysen der Viruslast im Rachen zeigen, dass Kinder und Jugendliche etwa genauso viel Virus im Rachen wie Erwachsene haben. Gerade erst ist eine Studie unter der Leitung des Charité-Virologen Christian Drosten im Fachmagazin „Science“ dazu erschienen. Demzufolge sind Kinder und Jugendliche ähnlich ansteckend wie Erwachsene. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen null und fünf Jahren seien die niedrigsten Viruslasten gefunden worden, bei älteren Kindern und Jugendlichen hätten sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen angeglichen. Eine Aussage, welche der Altersgruppen innerhalb der Kinder am infektiösesten ist, kann dem RKI zufolge aber nicht verlässlich gemacht werden. Die meisten Veröffentlichungen würden methodische Fragen aufwerfen.
  • Prävalenz: Die auf PCR-Testung basierende Prävalenz ist Ausdruck des aktiven Infektionsgeschehens. Sie liegt bei Kindern in den meisten Studien niedriger als bei Erwachsenen. Auch die Anzahl und Art der Kontakte spielen bei der Bewertung dieses Befundes aber eine Rolle. Kontaktbeschränkungen, Lockdown, geschlossene Schulen lassen nur erschwert Aussagen zur generellen Übertragbarkeit zu. Ein Trend konnte aber zuletzt beobachtet werden: Mit dem Fortschreiten der Impfungen hat sich das Infektionsgeschehen in Deutschland mit Blick auf die Meldeinzidenzen in die jüngeren Jahrgänge verschoben. In der Frühjahrswelle 2021 war eine höhere Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten als vorher. Seit Ende April sinken die Inzidenzen nun wieder in allen Altersgruppen. Es bleibt abzuwarten, wie sich das mit wieder mehr Präsenzunterricht entwickelt.
  • Empfänglichkeit: In Studien, in denen Kontaktpersonen von infektiösen Personen untersucht wurden, zeigte sich bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen meist eine geringere Empfänglichkeit. Kinder im Kindergartenalter waren weniger empfänglich für Sars-CoV-2 als Kinder im Schulalter.

Braucht es geimpfte Kinder, um die Pandemie zu stoppen?

Auch Kinder und Jugendliche zählen, wenn es um das Erreichen einer Herdenimmunität geht. Sie lässt sich aus epidemiologischen Gesichtspunkten nur erreichen, wenn ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist oder die Infektion durchgemacht hat. Expertinnen und Experten gehen auf Grundlage mathematischer Simulationen bislang davon aus, dass es rund 80 Prozent durch Impfung oder durchgemachte Infektion immune Menschen braucht. Minderjährige haben in Deutschland einen Anteil von 16,4 Prozent an der Bevölkerung.

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