Corona in Afrika: Hoffnung trotz vernichtender dritter Welle
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Das Coronavirus verbreitet sich in afrikanischen Ländern immer stärker.
© Quelle: Tsvangirayi Mukwazhi/AP/dpa
Afrika bereitet der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kopfzerbrechen: Im vergangenen Monat verzeichnete der Kontinent eine Million Corona-Neuinfektionen. Unmittelbar davor brauchte es für diesen Schwall an Infizierten noch drei Monate.
„Der Anstieg ist der schnellste, den der Kontinent bisher erlebte“, hieß es diese Woche aus der WHO-Afrika-Zentrale im kongolesischen Brazzaville. Die dritte Welle stellt Afrika auf eine harte Probe – und mit ihm die Aussichten der ganzen Welt auf ein baldiges Ende der Pandemie.
Immer mehr Tote auch im Zusammenhang mit Sauerstoffmangel
„Gesundheitssysteme, die bereits vor der Pandemie Schwierigkeiten damit hatten, eine grundlegende Versorgung zu gewährleisten, krümmen sich nun unter dem Druck von Covid-19“, sagte die Afrika-Direktorin der WHO, Dr. Matshidiso Moeti, bei ihrer wöchentlichen Pressekonferenz. In mindestens zehn Ländern sei die Zahl der Krankenhauspatienten in den letzten acht Wochen dramatisch gestiegen. In der Hälfte davon gerieten Ärzte und Ärztinnen sowie Kliniken bereits an ihre Grenzen. Auch die Zahl der Corona-Toten habe in der vergangenen Woche einen außergewöhnlichen Anstieg von 43 Prozent erlebt.
Sorge bereitet vor allem die drohende Zunahme von Erstickungstoden. „Der Bestand an Sauerstoffflaschen in der Region ist eingeschränkt. Wir verfügen nicht über genügend Personal mit den nötigen Fertigkeiten, um die Geräte zu produzieren und zu warten“, sagt Dr. Aissatou Sougou, technische Beraterin der kontinentalen WHO-Zentrale. Gemeinsam mit ihren Partnerinnen und Partnern und einer Finanzspritze von zwei Millionen US-Dollar sei es der UN-Organisation gelungen, die Zahl der Sauerstofffabriken in Afrika zu erhöhen: Von 68 zu Beginn der Pandemie auf derzeit über 100. Zugleich sei aber auch der Bedarf an dem lebensrettenden Gas gestiegen.
Unruhen könnten Situation weiter verschlimmern
Die Pandemie droht, in Afrika verschleppt zu werden. Einer der Gründe sei laut WHO „Ermüdung“ in der Bevölkerung, wenn es nach fast zwei Jahren Pandemie zu Präventionsmaßnahmen komme. Masken tragen, Hände desinfizieren, Abstand einhalten – was auf Flughäfen und Ämtern funktioniert, scheint vielerorts auf Afrikas Märkten oder im Nahverkehr ein Fremdwort. In Südafrika sind Sammeltaxis – als Transportmittel der armen Massen – angehalten, die Fenster zu öffnen. Bei morgendlichen Temperaturen von fünf Grad hält sich daran aber kaum jemand. Hinzu kommt die aggressive Übertragung des Virus durch Varianten: In 21 afrikanischen Ländern wurde bisher die Delta-Variante nachgewiesen, in 35 die Alpha-Variante. „Wollen wir das Rennen gegen die leichter übertragbaren und potenziell tödlicheren Varianten gewinnen, müssen wir schleunigst die Impfrate erhöhen und an Schutzmaßnahmen festhalten“, warnte am Wochenende die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC).
Südafrika verzeichnet mit 2,2 Millionen Gesamtinfektionen etwa ein Drittel aller Fälle am Kontinent. Kliniken in Johannesburg sind ausgelastet. Für Schock sorgte vor zwei Wochen auch der Covid-Tod des Bürgermeisters, Geoff Makhubo. Ausgerechnet zum Gipfel der dritten Welle kam es diese Woche zu tödlichen Ausschreitungen, Protesten und Plünderungen. Als Auslöser gilt die Inhaftierung von Ex-Präsident Jacob Zuma. „Wir sind sehr besorgt, dass die Unruhen die Situation angesichts einer massiven Welle weiter verschlimmern“, so Moeti. Geht es nach der WHO-Vertreterin, müsse die Regierung in Pretoria sich auf einen weiteren Anstieg der Corona-Fälle gefasst machen.
Weniger als 2 Prozent der afrikanischen Bevölkerung vollständig geimpft
Die Hafenmetropole Durban und das Wirtschaftszentrum Johannesburg: Neben dem öffentlichen Leben kam hier vergangene Woche auch das staatliche Impfprogramm zum Erliegen. Schon davor sei Südafrikas Immunisierungskampagne von „vielen Fehltritten“ gezeichnet gewesen, kritisierten Forscher der Uni Kapstadt: „Im Ganzen hat es das Land hinter etlichen anderen am Kontinent zurückgelassen.“
Afrika impft von allen Regionen am langsamsten. So haben bisher weniger als zwei Prozent der 1,3 Milliarden Afrikaner ihre zweite Corona-Impfung erhalten. Den ärmeren Staaten des Kontinents bleibt keine Alternative als auf die Lieferungen durch die globale Impfkampagne COVAX zu warten. Dort gab es zuletzt jedoch Engpässe. Im Mai und Juni kamen die Lieferungen unter anderem wegen der Krise in Indien fast komplett zum Stillstand. Vielen Regierungen setzen daher weiter auf Lockdowns. Am Samstag trat Ruanda erneut in eine staatlich verordnete Zwangspause: Schulen, Kirchen und etliche Läden bleiben für zehn Tage geschlossen.
„Als Kontinent gehen wir durch eine sehr schwierige Zeit“, klagte Moeti. Nichtsdestotrotz gebe es laut der UN-Diplomatin Anlass zu Hoffnung: Die Impfstofflieferungen laufen wieder an – jetzt auch mit Unterstützung der USA und EU-Ländern, die überschüssige Vakzine zur Verfügung stellen. Südafrika impft ab sofort auch Bürger über 35 Jahren. Und in Tansania, dessen verstorbener Präsident John Magufuli die Pandemie über Monate hinweg leugnete, wurden die ersten Gesundheitsarbeiter immunisiert. WHO-Chefin Moeti: „Wir erwarten, dass sich die Situation in den kommenden Wochen verbessert.“