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Covid-19: Quarantäne ohne Lagerkoller, so funktioniert`s - ein Leitfaden

Für eine längere Zeit von Freunden und Familie isoliert zu sein, kann mitunter ganz schön auf die Psyche schlagen.

Für eine längere Zeit von Freunden und Familie isoliert zu sein, kann mitunter ganz schön auf die Psyche schlagen.

Für viele Menschen ist es eine beklemmende Vorstellung: Zwei Wochen in häuslicher Isolation, allein oder mit dem Partner oder der Familie, ohne jegliche Außenkontakte. Doch in Zeiten von Corona wird diese beklemmende Vision für etliche Menschen derzeit weltweit Realität - und obendrein zu einer echten persönlichen Herausforderung. Denn die Diagnose oder der Verdacht “Covid-19” bedeutet zugleich unverzügliche Quarantänemaßnahmen, die sich erst einmal mit den Bedürfnissen des Durschnittsmenschen beißen.

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Denn der sehnt sich nach Verbundenheit und sozialer Zugehörigkeit: “Wir alle brauchen das Gefühl, Kontrolle über unser Leben zu haben und irgendwohin zu gehören und unseren Kokon zu haben. Geraten diese menschlichen Bedürfnisse ins Wanken, kann dies Unsicherheit auslösen – und Unsicherheit löst oft Ängste aus”, betonte etwa Psychologin Annette Schlipphak, Vizepräsidentin des Berufsverbandes der deutschen Psychologinnen und Psychologen, im RND-Interview. Hinzu kämen die Ängste, die so eine neuartige Erkrankung auslöse und deren gründliche Erforschung erst noch ausstehe. “Das liefert ausreichend Anlass für Spekulationen”, so die Psychologin weiter.

Wir alle brauchen das Gefühl, Kontrolle über unser Leben zu haben und irgendwohin zu gehören und unseren Kokon zu haben.

Annette Schlipphak, Psychologin

Isolation wegen Corona: Seelisch vorbelastete Menschen kann Quarantäne hart treffen

Doch wie gelingt es, diese Ängste samt Kopfkino in Zaum zu halten? Und wie sehr ist es von der psychischen Gesundheit eines einzelnen abhängig, wie gut er oder sie mit Quarantänemaßnahmen zurecht kommt?

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Psychisch sehr belastend könne eine Quarantäne laut Psychologin Schlipphak vor allem für jene Menschen werden, die ohnehin schon seelisch vorbelastet sind, weil sie etwa gerade eine Trennung hinter sich oder negative Erfahrungen mit Isolation in ihrer Vergangenheit gemacht haben. Für jene sei es unerlässlich, dass sie in der Quarantäne nicht sich selbst überlassen bleiben, sondern psychologisch betreut werden. Laut Robert Koch Institut könnten in so einem Fall telefonische Hilfsangebote wie etwa das Seelsorgetelefon oder Krisendienste genutzt werden.

Quarantänezeit: Ein fester Tagesrhythmus hilft

Damit betroffene Personen während der Quarantänezeit nicht in unliebsame Muster verfallen, helfe es laut Schlipphak, einen festen Tagesrhythmus zu haben, etwa durch Mahlzeiten zu festen Uhrzeiten, Aufgaben oder Aktivitäten. Optimal wäre es, wenn betroffene Menschen auch in Quarantäne in Aufgaben eingebunden seien. Und sportliche Betätigung, sofern es der Gesundheitszustand zulässt, sei darüber hinaus auch gut.

Häusliche Quarantäne: Infoflyer vom RKI als Unterstützung

Das Robert Koch Institut (RKI) hält für die häusliche Quarantäne eigens einen Infoflyer bereit. Darin gesondert aufgeführt ist ebenfalls der Punkt “Wohlbefinden”. Denn gerade für Familien mit Kindern könne eine häusliche Quarantäne eine besondere Herausforderung sein, so das RKI, etwa wenn es um die die Unterstützung bei der Versorgung der Kinder geht. Die Empfehlungen des RKI für betroffene Familien: 1. “Versuchen Sie so gut es geht miteinander in Verbindung zu bleiben” und 2. “Wenn Sie nach der Quarantäne Hinweise darauf haben, dass Ihre Kinder im Kindergarten oder in der Schule ausgegrenzt werden, sprechen Sie mit dem pädagogischen Personal.”

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Versuchen Sie, so gut es geht, miteinander in Verbindung zu bleiben.

Empfehlung des RKI

Angst vor Quarantäne und Isolation: Das hilft gegen belastende Situationen

Darüber hinaus warnt auch das RKI vor den psychoszialen Belastungen, die eine eine Quarantäne für jeden einzelnen mit sich bringe: Dazu gehöre unter anderem die Angst vor Ausgrenzung, Einsamkeit, Anspannung oder Schlafstörungen. Um diese Gefühle im Zaum zu halten, spricht das RKI folgende Empfehlungen aus:

  • Auch wenn Sie keinen direkten Kontakt zu Personen haben dürfen, bleiben Sie mit Freunden und Familienangehörigen über Telefon, Internet oder andere Medien in Verbindung.
  • Überlegen Sie, was Ihnen in belastenden Situationen außerdem helfen könnte.
  • Nutzen Sie vorhandene telefonische Hilfsangebote.
  • Nutzen Sie auch in der häuslichen Quarantäne Ihre Möglichkeiten, Sport zu treiben (beispielsweise mit einem Heimtrainer oder machen Sie einfache Gymnastikübungen). So bleiben Sie fit und können negativen Stress abbauen.
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Corona-Quarantäne: Empfehlungen für die Isolation

Ein Forscherteam um Dr. Samantha Brooks vom britischen King’s College in London hat sich ebenfalls mit den Auswirkungen der Quarantäne beschäftigt und berichtet von umfangreichen und erheblichen psychischen Auswirkungen, die zudem lange andauern können. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in The Lancet erschienen. Um die psychischen Folgen der Quarantäne einzudämmen, hat das Forscherteam um Brooks ebenfalls Empfehlungen ausgesprochen:

  • Halten Sie die Isolationszeit so kurz wie möglich. Die anfangs anvisierte Quarantänezeit sollte nur überschritten werden, wenn es zwingend erforderlich ist. Denn, so eine Erkenntnis des Forscherteams: Je länger die Isolation andauert, desto stärker können die psychologische Folgen sein.
  • Betroffene Menschen brauchen so viel Information, wie nur möglich: Weil eine Quarantäne oftmals große Ängste auslöst, ist eine detaillierte Aufklärung der Betroffenen durch Ärzte und Behörden unerlässlich. Betroffene müssten verstehen, warum sie in Quarantäne sind und welche Risiken die Erkrankung für sie selbst und das Umfeld mit sich bringt.
  • Sinnvolle Beschäftigung ist unerlässlich: Wenn gesundheitlich möglich, sehen es die Forscher als eine der sinnvollsten Maßnahmen an, wenn Betroffene etwa ihrer Arbeit von zu Hause aus weiter nachgehen können - auch um der Angst vor finanziellen Verlusten entgegenzuwirken. Auch das Vorhandensein eines Mobiltelefons samt Aufladegerät sei während der Quarantäne absolut notwendig, um weiterhin Bestandteil von sozialen Netzwerken sein zu können oder sich bei Bedarf an Krisenhotlines oder medizinische Dienste wenden zu können. So könne, bei vollständiger Isolation, auch der Kontakt zur Familie gehalten werden. Denn: Die Kommunikation mit geliebten Menschen könne laut Forscherteam nachweislich Stresssymptome, aufkommende Ängste und Einsamkeitsgefühle reduzieren.
  • Die ausreichende Versorgung der Grundbedürfnisse muss gewährleistet sein, sprich das Vorhandensein von Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten.
  • Ein Gefühl von Selbstbestimmtheit muss aufrecht erhalten werden, denn, so die Forscher: Die meisten negativen Gefühle im Zusammenhang mit der Quarantäne resultieren aus dem Gefühl des Verlusts der persönlichen Freiheit. Daher sollten Ärzte und Gesundheitsbehörden immer wieder an die Verantwortung des Einzelnen für die Gesellschaft appellieren, sprich die Wichtigkeit der Quarantänemaßnahme für die Allgemeinheit.

Quarantäne in der Familie: Gemeinsame häusliche Isolation kann zu Konflikten führen

Für Paare und Familien, die sich gemeinsam in häuslicher Isolation befinden, etwa weil sie sich gemeinsam in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder aber allesamt Kontakt zu einer an Covid-19 erkrankten Person hatten, halten Psychologen, wie die Hamburger Paartherapeutin Nele Sehrt, ebenfalls Tipps parat - auch damit aus der gemeinschaftlichen Quarantäne am Ende nicht eine ausgereifte Familienkrise wird. Denn, die Gefahr sei, dass diese intensive gemeinsame Zeit über eine längere Zeitspanne – ohne die Möglichkeit auszubrechen – dazu führe, dass unterschwellige Konflikte zwischen Paaren oder innerhalb der Familie sichtbarer werden, die sonst im Alltag untergegangen sind.

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Die Gefahr ist, dass unterschwellige Konflikte zwischen Paaren oder innerhalb der Familie sichtbarer werden, die sonst im Alltag untergegangen sind.

Nele Sehrt, Paartherapeutin

“Je nach Nähe-Distanz-Bedürfnis der einzelnen Partner muss Nähe allerdings nicht immer etwas Schlechtes bedeuten”, sagt Sehrt. Es könne aber zu einer Herausforderung für diejenigen werden, die ein größeres Distanzbedürfnis haben. Bei Konflikten rät Sehrt daher, erst einmal die Gemüter zu beruhigen, um so eine größere Eskalation zu verhindern: “Konflikte müssen nicht sofort gelöst werden. Wenn die Stimmung zu emotional ist, kann es hilfreich sein, sich mindestens eine halbe Stunde in unterschiedlichen Räumen aufzuhalten.” Ohnehin sei es wichtig, auch in gemeinschaftlicher Quarantäne die Zeit für sich selbst nicht zu vernachlässigen. Denn, so Sehrt: “Qualitative Zeit mit sich selbst zu verbringen, ist gut für die psychische Gesundheit. "



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