Darmflora bei Depressionen verändert

Darmgesundheit: Wie das Mikrobiom unsere Psyche beeinflusst

Kolibakterien im menschlichen Darm.

Kolibakterien im menschlichen Darm.

Billionen von Bakterien besiedeln den menschlichen Darm und sind nicht nur für die Verdauung und einen gesunden Stoffwechsel wichtig. Auch unsere Psyche wird offenbar von den Darmbewohnern beeinflusst. Die Forschung hofft auf neue Therapieansätze bei der Behandlung seelischer Krankheiten.

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Mehrere Studien konnten zeigen, dass die Darmflora, das Mikrobiom, bei Menschen mit psychischen Leiden auf typische Weise verändert ist. So untersuchten 2015 chinesische Forschende die Darmflora von 46 Probanden und Probandinnen mit Depressionen. Die Zusammensetzung unterschied sich von der in einer Vergleichsgruppe gesunder Versuchsteilnehmender: In der Gruppe mit Depressionen kamen häufiger Bakterien der Gattungen Enterobacteriaceae and Alistipes vor. Der buttersäurebildende Darmkeim Faecalibacterium wurde bei ihnen hingegen seltener als bei den Gesunden gefunden. Je geringer die Mengen dieses Darmbakteriums waren, desto schwerer war die Depression ausgeprägt. Die Studie konnte allerdings lediglich einen Zusammenhang feststellen – und nicht belegen, dass die veränderte Darmflora tatsächlich Ursache der Depressionen war.

Teilweise ähnliche Veränderungen des Mikrobioms wurden zuvor schon in einer Studie bei Mäusen beobachtet, die Stress ausgesetzt waren. Möglich wäre daher theoretisch, dass sich die Darmflora als Folge der Depression verändert und nicht umgekehrt diese ausgelöst hatte. Auch eine Wechselwirkung ist aber denkbar: So könnte Stress, der als Risikofaktor für Depressionen gilt, die Darmflora verändert haben, wodurch in der Folge das psychische Wohlbefinden beeinträchtigt wurde. So deutet immer mehr darauf hin, dass die Darmflora Abläufe im Gehirn beeinflussen kann. Die Forschung spricht hierbei auch von der „Darm-Hirnachse“. Der Teil des Mikrobioms, der im Verdacht steht, die Psyche zu beeinflussen, wird auch als „Psychobiom“ bezeichnet.

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Mikrobiom beeinflusst Hirnstoffwechsel

Nicht nur wurde nämlich bei mehreren psychischen Krankheiten eine Veränderung der Darmflora festgestellt, darunter Schizophrenie, bipolare Störungen, Angststörungen, ADHS und Autismus. Bei Versuchstieren ließen sich auch Symptome auslösen, die zu solchen Krankheiten passten, wenn ihr Mikrobiom manipuliert wurde. So wurden Mäuse in einer Studie mit Stuhltransplantaten von Schizophreniepatienten und -patientinnen behandelt. Dadurch veränderte sich im Gehirn der Tiere der Stoffwechsel des Botenstoffs Glutamat: Ein Mechanismus, der als eine der Ursachen von Schizophrenie diskutiert wird. Zudem wiesen die Versuchstiere Verhaltensänderungen auf.

Die Studienautoren und -autorinnen folgerten daraus, dass das Mikrobiom an der Entstehung der Krankheit beteiligt sein könnte. Es sieht also danach aus, dass nicht nur die Darmflora über das Gehirn beeinflusst wird. Vielmehr scheinen über das Mikrobiom auch der Neurostoffwechsel und damit unser Verhalten und Fühlen gesteuert zu werden. Einen möglichen Mechanismus dafür, wie das auch bei Depressionen der Fall sein könnte, hat eine weitere Studie aufgedeckt.

Für eine großangelegte Untersuchung, das „Flemish Gut Flora Project“, wurde in Belgien die Darmflora von 1054 Versuchsteilnehmenden analysiert. Gleichzeitig wurde abgefragt, wie es um deren psychisches Wohlbefinden stand und ob eine Depression diagnostiziert worden war. Bei der Auswertung der Daten ergab sich, dass das Mikrobiom bei Probanden und Probandinnen mit Depressionen in typischer Weise von dem der anderen Versuchsteilnehmenden abwich. So kamen zwei Arten von buttersäurebildenden Bakterien bei ihnen seltener vor.

Ansatz für neue Therapien

Was die Autoren und Autorinnen der Studie noch feststellen: Insgesamt hing das psychische Wohlbefinden der Untersuchten mit der Fähigkeit ihres Mikrobioms zusammen, die Substanz Dopac zu produzieren. Dopac entsteht bei der Verstoffwechselung des Neurotransmitters Dopamin, der auch als Glückshormon gilt. Bekannt ist, dass Darmbakterien die Produktion verschiedener Neurotransmitter beeinflussen und diese auch selbst produzieren können. Wie genau dies direkt oder indirekt den Hirnstoffwechsel beeinflusst, ist aber noch nicht abschließend geklärt.

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So wird auch der als Wohlfühlhormon geltende Botenstoff Serotonin in großen Mengen im Darm hergestellt und Darmbakterien können seine Produktion fördern. Das im Darm hergestellte Serotonin reguliert aber vor allem die Darmtätigkeit und kann eigentlich nicht ins Gehirn gelangen. Andererseits kann das Mikrobiom die Aufnahme der Aminosäure Tryptophan aus der Nahrung beeinflussen, aus der im Gehirn Serotonin gebildet werden kann.

Viele Fragen zum komplizierten Zusammenspiel zwischen Mikrobiom und Psyche sind noch offen, doch weltweit bemühen sich Forschende darum, Antworten zu finden. Das Mikrobiom könnte dann ein Ansatz für neue Therapien zur Behandlung psychischer Leiden werden. Durch Stuhltransplantate, aber auch durch die Einnahme von Probiotika oder eine ganz bestimmte Ernährung könnte versucht werden, die Darmflora gezielt zu verändern und dadurch psychische Leiden zu lindern. Sollte das gelingen, wäre möglicherweise eine nebenwirkungsarme Alternative zu Psychopharmaka und Antidepressiva gefunden.

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