Entzündungssyndrom PIMS bei Kindern: Auf diese Symptome sollten Eltern achten
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Die Mehrheit der an PIMS erkrankten Kinder in Deutschland musste im Krankenhaus behandelt werden.
© Quelle: Getty Images/iStockphoto
Das Coronavirus stellt für Kinder und Jugendliche in der Regel kein ernstzunehmendes Problem dar: Infizieren sie sich mit dem Erreger, entwickeln sie meist nur asymptomatische oder milde Krankheitsverläufe. In seltenen Fällen kann es nach einer Corona-Infektion jedoch zum sogenannten Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, kurz PIMS, kommen. Die Ursachen dafür sind noch nicht eindeutig geklärt. Expertinnen und Experten vermuten, dass die Erkrankung durch eine überschießende Immunreaktion ausgelöst wird, die im Körper einen akuten Entzündungsprozess in Gang setzt.
Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat in ihrem PIMS-Register seit Mai 2020 rund 735 Fälle mit dem multisystemischen Entzündungssyndrom bei Kindern und Jugendlichen erfasst. Es handelt sich dabei um freiwillige Meldungen von Kinderkliniken und pädiatrischen Abteilungen in Deutschland. Die DGPI geht davon aus, dass es eine Dunkelziffer bei den Fallzahlen gibt. Nach Einschätzung von Kinder- und Jugendmediziner Jakob Armann vom Universitätsklinikum Dresden, der die Meldungen ans PIMS-Register verwaltet, könnten seit Mai 2020 somit etwa 1000 Fälle aufgetreten sein, wie er Anfang Februar in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärte.
Obwohl PIMS eine seltene Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen ist, sollten Eltern im Fall einer bestätigten Corona-Infektion auf verdächtige Symptome achtgeben. Wir erklären, welche das sind und was zu tun ist, wenn diese auftreten.
Auf welche Symptome sollten Eltern achten?
Es gibt bei PIMS unterschiedliche Falldefinitionen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Anfang 2020 beispielsweise folgende Kriterien festgelegt, die für eine PIMS-Erkrankung erfüllt sein müssen:
Die Patientin oder der Patient muss zwischen null und 19 Jahre alt sein und mindestens drei Tage anhaltendes Fieber haben. Außerdem müssen mindestens zwei der folgenden Beschwerden vorhanden sein:
- Hautausschlag an Händen, Füßen oder im Mund sowie beidseitige, nicht eitrige Bindehautentzündung
- chronisch zu niedriger Blutdruck (Hypotonie) oder Schock
- Schmerzen hinter dem Brustbein beispielsweise durch eine Funktionsstörung des Herzmuskels, einer Entzündung des Herzbeutels oder der Herzklappen
- Blutgerinnungsstörungen
- Magen-Darm-Probleme wie Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen
Des Weiteren müssen erhöhte Inflammationsparameter im Blut vorliegen, zum Beispiel ein erhöhter CRP-Wert. Die Abkürzung CRP steht für „C-reaktives Protein“. Es ist ein Eiweißstoff, der auf Entzündungen im Körper hindeutet und durch eine Blutentnahme bestimmt werden kann. Auch dürfen keine andere Ursachen für die Symptome erkennbar sein, und es braucht einen gesicherten Nachweis für eine Corona-Infektion, etwa in Form eines PCR- oder Antigenschnelltests.
Die DGPI hat sich an dem Kriterienkatalog der WHO orientiert, hat die Altersgrenze aber auf 20 Jahre angehoben und geht von einem mehr als zwei Tage anhaltenden Fieber als verdächtiges PIMS-Symptom aus. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC hat die Fiebersymptome wiederum noch einmal genauer definiert: Demnach müssen PIMS-Erkrankte eine erhöhte Temperatur von mehr als 38 Grad für mindestens 24 Stunden haben.
Wichtig ist: Erste Symptome von PIMS treten nicht direkt nach einer Corona-Infektion auf, sondern etwa zwei bis sechs Wochen später.
Wann sollten Eltern den Kinderarzt oder die Kinderärztin zurate ziehen?
Fieber, das Hauptsymptom der Erkrankung, ist ein recht unspezifisches Symptom. Es kann mit einer Reihe unterschiedlicher Krankheiten wie der Grippe oder einfachen Erkältungen einhergehen. Letztendlich signalisiert eine erhöhte Körpertemperatur nur, dass sich das Immunsystem gerade mit einem Krankheitserreger oder einem anderen Entzündungsfaktor auseinandersetzt.
Entwickelt ein Kind, das sich kürzlich mit dem Coronavirus infiziert hat, Fieber, muss das also noch nicht unbedingt auf PIMS hindeuten. Zunächst können Eltern versuchen, die erhöhte Temperatur zu Hause zu mildern. Sollte das Fieber aber länger andauern, ist es wichtig, einen Kinderarzt oder eine Kinderärztin aufzusuchen. Besonders dann, wenn sich noch andere verdächtige, PIMS typische Symptome zeigen.
Beim Arztbesuch sollten Eltern auf jeden Fall darauf hinweisen, dass ihr Kind vor Kurzem mit dem Coronavirus infiziert gewesen ist. Die Kinderärztin beziehungsweise der Kinderarzt kann dann über das weitere Vorgehen entscheiden.
Wann ist eine Behandlung im Krankenhaus notwendig?
Die meisten Kinder und Jugendlichen, die an PIMS erkranken, werden von ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt zur Behandlung in ein Krankenhaus überwiesen.
Sollte sich der Gesundheitszustand des erkrankten Kindes rasch verschlechtern und die Kinderärztin oder der Kinderarzt nicht erreichbar sein, ist es sinnvoll, direkt die Kindernotaufnahme der nächst gelegenen Klinik aufzusuchen. Vor allem dann, wenn Atemprobleme, Schmerzen oder ein Druckgefühl in der Brust und Bauchschmerzen auftreten, ebenso wenn Blässe oder graue beziehungsweise blau gefärbte Haut, Lippen oder Nagelbetten erkennbar sind, heißt es in einer Empfehlung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC.
Ist eine Fahrt zum Krankenhaus selbst nicht möglich, sollte über die kostenlose Notrufnummer 112 die Notrufzentrale beziehungsweise Rettungsleitstelle kontaktiert werden.
Wie wird PIMS behandelt?
Ziel der PIMS-Behandlung ist es, die überschießende Immunreaktion im Körper abzuschwächen. Das geschieht mit der Gabe von Kortison. Zudem empfehlen mehrere Fachgesellschaften – darunter die DPGI, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sowie die Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie – in einer Mitte Februar veröffentlichten Stellungnahme eine „Kombinationstherapie aus der intravenösen Gabe von Immunglobulinen und Steroiden“. An PIMS erkrankte Kinder ohne sonstige Vorerkrankungen sollten ferner mit „niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure“ behandelt werden. Die Arzneimittel sollen Schädigungen am Herzen vorbeugen und bei der Immunreaktion freigesetzte Botenstoffe neutralisieren.
Bei der Mehrheit der in Deutschland verzeichneten PIMS-Fälle unter Kindern und Jugendlichen war nach Angaben der DGPI eine intensivmedizinische Versorgung notwendig. Das multisystemische Entzündungssyndrom sei „in der Regel gut behandelbar“ und habe „eine gute Prognose“, heißt es auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts. Unbehandelt kann es im schlimmsten Fall aber tödlich sein.
Können Folgeschäden auftreten?
Folgeschäden nach einer PIMS-Erkrankung sind selten. Bei gerade einmal 4,3 Prozent der 735 Fälle, die die DGPI seit Mai 2020 erfasst hat, wurden nach der Erkrankung gesundheitliche Schäden nachgewiesen. Darunter vor allem Herzkreislaufprobleme. Ob diese Symptome tatsächlich dauerhaft bestehen bleiben werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer beurteilt werden, da die Datenlage zu PIMS-Folgeschäden noch sehr gering ist. Es fehlt den Medizinerinnen und Medizinern zudem noch an Erfahrungswerten mit der Krankheit.
Rund 38 Prozent der Betroffenen hatte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch Restsymptome wie Haut-, Magen-Darm- oder Atemprobleme. Die gute Nachricht ist aber: Bei mehr als der Hälfte der PIMS-Fälle ist die Krankheit vollständig ausgeheilt. Einen Todesfall im Zusammenhang mit PIMS hat die DGPI bislang nicht verzeichnet.
Schützt die Corona-Impfung vor PIMS?
Eine Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC von Anfang Januar liefert Hinweise darauf, dass die Corona-Impfung tatsächlich vor dem multisystemischen Entzündungssyndrom schützen kann. Zwei Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer hätten ausgereicht, um eine Wirksamkeit von rund 91 Prozent gegen PIMS zu erzielen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt allen Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren eine Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer. Für die Fünf- bis Elfjährigen gibt es hingegen bislang keine allgemeine Impfempfehlung. In dieser Altersgruppe sollen nach Ansicht der Stiko zunächst nur Kinder mit Vorerkrankungen gegen Covid-19 geimpft werden, sowie Kinder, in deren Umfeld sich Kontaktpersonen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf befinden. Fünf- bis Elfjährige ohne Vorerkrankungen können sich aber bei individuellem Wunsch, mit Erlaubnis der Erziehungsberechtigten und nach ärztlicher Aufklärung ebenfalls impfen lassen.