Magen-OP bei Adipositas: Wie sie funktioniert – und welche Nebenwirkungen es gibt

Patient nach Eingriff mit Operationsnarben: Die Adipositas-Chirurgie ist bei schwerem Übergewicht oft die letzte Möglichkeit, um dauerhaft abzunehmen.

Patient nach Eingriff mit Operationsnarben: Die Adipositas-Chirurgie ist bei schwerem Übergewicht oft die letzte Möglichkeit, um dauerhaft abzunehmen.

Reiner Calmund ist auf Bildern kaum wiederzuerkennen: Durch eine Magenoperation hat der frühere Fußballmanager massiv an Gewicht verloren. Adipöse Menschen können durch einen chirurgischen Eingriff dauerhaft abnehmen. Doch es gibt auch Risiken und Nebenwirkungen. Die OP wird daher nur als letztes Mittel in Betracht gezogen, um bei extrem adipösen Menschen die Gesundheit zu verbessern.

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Bei operativen Eingriffen mit dem Ziel, das Körpergewicht zu reduzieren, spricht man auch von Adipositas-Chirurgie oder bariatrischen Operationen. Es gibt verschiedene Methoden: Calmund hatte sich für eine Magenbypassoperation entschieden, eines der am häufigsten eingesetzten Verfahren, das einen besonders hohen Gewichtsverlust verspricht. Dabei werden die Speiseröhre und ein kleiner Teil des Magens vom restlichen Magen abgetrennt und direkt mit dem unteren Teil des Dünndarms verbunden. Sekrete aus dem Restmagen, der Bauchspeicheldrüse und der Galle werden an anderer Stelle in den Dünndarm geleitet. Das Verfahren hat zur Folge, dass sich die Verdauungssäfte erst später mit der aufgenommenen Nahrung vermengen. Ein Teil der Fette und Zucker aus dem Essen kann dadurch nicht mehr verdaut werden und wird stattdessen mit dem Stuhl ausgeschieden, was zum Gewichtsverlust führt. Durch den kleineren Magen können Operierte zudem weniger essen, sie haben auch weniger Hungergefühle.

In einer Studie schwedischer Forschender, die im vergangenen Jahr im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde, lebten Operierte nach einer bariatrischen Operation durchschnittlich drei Jahre länger als andere schwer Adipöse. Allerdings war auch das Sterberisiko in den ersten 90 Tagen nach einer OP erhöht: 0,2 Prozent der Operierten, also einer oder eine von 500, starben in diesem Zeitraum.

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Gewicht lässt sich dauerhaft reduzieren

Martina de Zwaan ist Leiterin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der medizinischen Hochschule Hannover und ehemalige Präsidentin der deutschen Adipositas-Gesellschaft, für die sie weiterhin als Sachverständige tätig ist. Sie sagt: Durch eine Magenoperation lasse sich tatsächlich dauerhaft das Gewicht reduzieren. Nach dem Eingriff verbessere sich auch der Gesundheitszustand der Betroffenen: Folgeerkrankungen des Übergewichts wie Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck würden gelindert oder sogar ganz verschwinden. Als schnelle und einfache Lösung für Gewichtsprobleme sollte man die OP aber nicht verstehen. „Es ist nicht so, dass danach alles besser ist. Man sollte schon wissen, worauf man sich einlässt.“

Realistisch sei, dass durch eine Magenoperation etwa die Hälfte des Übergewichts abgebaut werden kann. Was aber bedeute, dass viele danach immer noch übergewichtig seien. Es sei das Risiko von Operation und Narkose zu bedenken, auch wenn mittlerweile minimalinvasive Verfahren zum Einsatz kommen. Nach dem Eingriff vertrage der Körper zudem nur noch kleine Portionen: „Man kann nicht mehr soviel essen wie zuvor“, sagt de Zwaan. Bei einem sogenannten Magenbypass, dem Operationsverfahren, für das sich auch Reiner Calmund entschieden hat, kommt es häufig zum sogenannten Dumpingsyndrom. Nach der Aufnahme der falschen Speisen drohen Verdauungsprobleme mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sowie Herz-Kreislauf-Probleme und Schwindelanfälle durch Unterzuckerung. Außerdem müssen Patienten und Patientinnen mit Magenbypass Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin B12 einnehmen, da auch die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen aus der Nahrung gestört ist, sagt de Zwaan. Zudem müsse nach starkem Gewichtsverlust oft eine Hautfalte entfernt werden, wobei es wegen der großen Wundfläche zu Wundheilungsstörungen kommen kann.

Wann aber kann die OP trotzdem sinnvoll sein? De Zwaan verweist auf die medizinischen Leitlinien. Demnach kommt eine bariatrische Operation ab einem Body-Mass-Index (Gewicht durch Körpergröße in Metern zum Quadrat) von 40 aufwärts in Betracht, oder ab einem Body-Mass-Index von 35, wenn Begleiterkrankungen wie Diabetes Typ 2 vorliegen. Die Leitlinien sehen auch vor, dass die Betroffenen zuvor bereits auf anderem Wege versucht haben müssen, ihr Gewicht zu reduzieren.

Psychologisches Gutachten erforderlich

Während allerdings die Operationen von den Krankenkassen übernommen werden, gebe es nur wenig Unterstützung für Menschen mit Adipositas, die auf andere Weise Gewicht verlieren wollen. Einige chirurgische Kliniken böten daher selbst ein Programm mit einer Ernährungsberatung und medizinischer Unterstützung für Menschen mit schwerem Übergewicht an, ehe sie operieren. Insgesamt bleiben die Aussichten, dauerhaft an Gewicht zu verlieren, bei stark Adipösen jedoch gering: „Wenn jemand so schwer ist, ist es sehr schwierig, dauerhaft abzunehmen“, sagt de Zwaan.

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Damit die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer OP übernehmen, fordern sie in der Regel auch eine psychologische Bescheinigung an. Zwaan selbst stellt solche Gutachten aus. „Damit soll ausgeschlossen werden, dass jemand an einer unbehandelten und ausgeprägten psychischen Erkrankung leidet“ erklärt sie. Jemand, der etwa an schweren Depressionen leidet und keine professionelle Unterstützung hat, für den sei die OP nicht geeignet.

Patienten und Patientinnen müssten stabil genug sein, um nach dem Eingriff gut für sich sorgen zu können – und mit den möglichen unangenehmen Folgen zurechtzukommen. „Die meisten sagen zwar, dass sich ihre Lebensqualität durch die Operation verbessert hat. Es gibt aber auch welche, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben“, sagt de Zwaan. Krankenkassendaten zeigten, dass Betroffene nach dem Eingriff öfter psychologische Hilfe in Anspruch nehmen als davor. Dafür gebe es verschiedene mögliche Gründe: Entweder seien sie vorher einfach noch nicht mit solchen Angeboten in Berührung gekommen – bei einer bariatrischen Operation hingegen werden die Patienten und Patientinnen oft in multidisziplinären Teams betreut, denen auch Psychologen und Psychologinnen angehören.

Am besten ist Prävention

Die andere Erklärung wäre, dass sich das psychische Wohlbefinden bei einigen tatsächlich infolge des Eingriffs verschlechtert: „Der Grund dafür könnte sein, dass Essen bei Adipösen eine Funktion als Ersatzbefriedigung hat, die dann entfällt. Es ist aber auch möglich, dass die Stoffwechselumstellung und insbesondere das veränderte Mikrobiom im Darm nach der OP die Stimmung beeinflussen“, sagt de Zwaan. So werden Auswirkungen der Darmflora auf die Psyche seit einiger Zeit diskutiert. Warum Betroffene nach der OP öfter psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, sei aber noch nicht abschließend geklärt: „Wir wissen es noch nicht genau“, sagt de Zwaan.

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Adipöse, die ohnehin bereits psychisch labil waren, seien aber in jedem Fall auch danach besonders gefährdet: „Wer vorher schon psychische Probleme hatte, der hat sie nach dem Eingriff natürlich auch, die lassen sich nicht wegoperieren“, sagt de Zwaan. In der ersten Zeit nach der OP gebe es zwar eine Phase der Euphorie, wegen des schnellen Gewichtsverlusts: „Dann holt es einen aber schnell wieder ein.“

Die Adipositas selbst, betont de Zwaan, sei dabei keine psychische Erkrankung: „Es ist eine Zivilisationskrankheit, die aus einem sehr ungünstigen Zusammenspiel aus Genen und Umwelt entsteht, und ein Problem der Überflussgesellschaft. Unser Körper ist nicht darauf ausgerichtet, Nahrung immer zur Verfügung zu haben. Um nicht zu viel zu essen, müssen wir uns ständig kognitiv bremsen.“ Der Einzelne sei damit oft überfordert. De Zwaan fordert daher genau wie die deutsche Adipositas-Gesellschaft ein Handeln von der Politik, die der Lebensmittelindustrie mehr Vorgaben machen soll. Der Nutri-Score, eine verständliche Kennzeichnung zum Nährwert von Lebensmitteln, sei ein erster Ansatz, auch wenn dieser bisher noch freiwillig sei, sagt die Expertin: „Da die meisten Diäten bei Menschen mit schwerem Übergewicht nur kurzfristig Wirkung zeigen und Operationen nur das letzte Mittel sein können, bleibt die Vorbeugung der beste Weg zur Bekämpfung von Adipositas.“

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