“Man fühlt sich ausgeliefert”: Eine Supermarktleiterin über ihren Alltag in der Corona-Krise
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Jacqueline Jacoby (25) leitet einen Edeka-Markt in Sehnde in der Region Hannover.
© Quelle: dpa/RND/Montage
"Der Ansturm auf unsere Supermärkte ging eigentlich schon recht früh los, ziemlich genau vor einem Monat – nachdem die Empfehlung der Bundesregierung kam, Hamsterkäufe* zu machen. Kunden fingen an, genau die Produkte auf Vorrat zu kaufen, die auf Notfallvorratslisten auftauchen: Konserven, Kartoffeln, Mehl, H-Milch und so weiter. Dementsprechend haben wir unsere Waren dann aufgestockt. Unser 1750 Quadratmeter große Edeka-Markt liegt in der Fußgängerzone in Sehnde, quasi mitten im Wohngebiet. Wir haben den Bedarf der anfänglichen Hamsterkäufe sofort gespürt. Ich muss aber sagen: Da habe ich es aber noch unterschätzt.
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Irgendwann hat sich die Lage tagtäglich mehr zugespitzt. Es fing vor etwa drei Wochen an, dass wir uns fragten: Wo ist eigentlich das ganze Toilettenpapier? Aktuell sind es vor allem Getränke, H-Milch, Nudeln, aber auch frische, alltägliche Lebensmittel wie Obst Gemüse oder speziell Ingwer – viele versuchen wohl gerade, ihr Immunsystem noch zu stärken. Von heute auf morgen scheint irgendwie alles zurückgestellt, was sonst gilt, es geht jetzt nur noch um die Grundversorgung.
“Denken nur von Tag zu Tag”
Aber es geht auch um die Gesundheit – von unseren Kunden und unseren Mitarbeitern. Da haben wir eine große Verantwortung. Inzwischen gibt es für alle Marktinhaber jeden Tag Updates zu neuen Maßnahmen von der Edeka-Gruppe: Wo und wie wir Desinfektionsmittel einsetzen sollen, welcher Sicherheitsabstand eingehalten werden muss, wie viele Leute gleichzeitig in die Filialen dürfen. Neu ist etwa, dass Kunden angewiesen werden, sich immer einen Einkaufswagen zu nehmen.
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Jacqueline Jacoby (25) leitet einen Edeka-Markt in Sehnde in der Region Hannover.
© Quelle: Privat
Im Moment gehe ich jeden Tag zu Arbeit und weiß nicht: Was kommt heute noch auf uns zu? Bisher haben wir nur zwei bestätigte Corona-Fälle im Ort, aber es herrscht die ganze Zeit über Anspannung. Man ist sich ständig am desinfizieren, man fühlt sich ausgeliefert. Im Moment gibt es auch keinen Spielraum für irgendetwas, wir denken nicht bis nächste Woche, im Moment denken wir nur von Tag zu Tag.
Trotzdem ist es schön zu sehen, dass alle Hand in Hand arbeiten. Das rechnen wir den Mitarbeitern sehr hoch an. Andere arbeiten zu Hause und haben die Aufgabe, dort zu bleiben. Unsere Mitarbeiter müssen jeden Tag hier erscheinen. Es ist bemerkenswert, wie das gerade das Teamgefühl stärkt. Es sind alle voll dabei und zeigen Einsatz, alle wollen das Ganze bestmöglich über die Bühne bringen. Niemand zieht sich raus.
“Von Schlägereien im Supermarkt gehört”
Auch die meisten Kunden sind dankbar, oder zeigen zumindest einen gesunden Respekt. Sie kommen uns so weit es geht entgegen – in dem sie eben Abstand halten. Aber natürlich gibt es auch Menschen, die nicht verstehen, wieso die Selbstbedienungstheken geschlossen sind, oder wieso es gerade kein Klopapier gibt. Vieles verteilen wir gerade sowieso nur direkt aus dem Lager heraus, wie Hefe, Mehl oder eben Toilettenpapier. Ich habe auch schon von Schlägereien im Supermarkt gehört. Bei uns gab es so etwas zum Glück nicht.
Ich bin sehr froh über meinen Job und würde auch nicht tauschen wollen. Man merkt, wie wichtig Supermarktmitarbeiter (genau wie Lieferanten und Partner) sind – und wie sicher der Job auch ist. Ich bin froh, dass ich arbeiten kann. Auch wenn es oft zu Diskussionen mit Kunden kommt im Moment, bekommen wir doch viel positives Feedback. Viele winken und rufen uns einfach zu: Danke, dass ihr das jetzt macht. Ein Kunde hat ein Herz gebastelt, auf dem steht “Danke, dass ihr da seid". Das hängt jetzt bei uns im Büro.
*Anmerkung der Redaktion: Die Bundesregierung hat nicht zu Hamsterkäufen aufgerufen. Sondern rät unabhängig von der Corona-Krise zu bestimmten Vorräten, die Sie immer im Haus haben sollten. Hier geht’s zum Ratgeber.
RND