Mithilfe von E-Zigaretten zum Nichtraucher werden – geht das?
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Kann man die E-Zigarette zur Rauchentwöhnung nutzten? Experten bewerten diese Frage unterschiedlich.
© Quelle: Frank Leonhardt/dpa
Rauchen ist ungesund. Das wissen die meisten Raucher und Raucherinnen. Trotzdem ist es schwer, damit aufzuhören. Oft braucht es dazu viel Unterstützung, Motivation und Hilfe. Einfacher scheint es da, einen Zwischenschritt einzulegen. Wer es sich nicht zutraut, gleich ganz zu einer nicht rauchenden Person zu werden, der kann wenigstens, so der Gedanke, ein bisschen gesünder leben: Indem er oder sie auf die E-Zigarette umsteigt.
Vom Rauchen zum Dampfen zum kompletten Verzicht: Tatsächlich hätten im vergangenen Jahr 11 Prozent der 16 Millionen Raucher in Deutschland zur E-Zigarette gegriffen, um sich das Rauchen abzugewöhnen, sagt der Berliner Lungenfacharzt Thomas Hering. Als Entwöhnungsmethode sei sie somit viel attraktiver als Ersatzprodukte wie Kaugummis und Pflaster.
Dampfen ist weniger schädlich als Rauchen
Aber ist der Zwischenschritt über die E-Zigarette wirklich sinnvoll? In dieser Frage herrscht auch unter Experten und Expertinnen keine Einigkeit. Was richtig ist: Das Dampfen ist nach derzeitigen Erkenntnissen wohl weniger schädlich, als Tabak zu rauchen, sagt etwa das Bundesinstitut für Risikobewertung. E-Zigaretten enthalten keinen Tabak. In der Regel wird eine nikotinhaltige Flüssigkeit (Liquid) erhitzt, mit dem Verdampfen kann sie eingeatmet werden.
Das Problem bei der Beurteilung des Risikos: E-Zigaretten sind ein neues Phänomen und Langzeitstudien deshalb rar. “Es könnte also auch sein, dass die Menschen in ein paar Jahren alle krank werden, das weiß man nicht”, sagt Professor Robert Bals vom Universitätsklinikum des Saarlands im RND-Interview. Derzeit gewinnen Forschende noch viele neue Erkenntnisse über die Auswirkung von E-Zigaretten auf den Körper.
Vor Kurzem zum Beispiel fanden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Ohio State University heraus, dass das Dampfen die Mundflora stärker als Rauchen beeinflusst. Eine Analyse von Bakterien hatte gezeigt, dass sich bei Dampfern schon nach einigen Monaten unter dem Zahnfleisch Bakteriengemeinschaften ansiedeln und Entzündungsprozesse anstoßen, wie sie für Parodontitis typisch sind.
Krebsexpertin: Gefahr von E-Zigaretten wird überschätzt
Die Gefahr, die von E-Zigaretten ausgehe, werde in Deutschland maßlos überschätzt, findet allerdings Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Fast die Hälfte der Menschen stuften sie als genauso gefährlich ein wie Tabakzigaretten, 10 Prozent als noch gefährlicher. Meldungen aus den USA über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von E-Zigaretten dürften ihren Anteil an dieser Wahrnehmung haben.
Im vergangenen Herbst war die Zahl der Lungenkranken in Zusammenhang mit E-Zigaretten rasant angestiegen. Betroffene erlebten meist Husten, Atemnot und Schmerzen im Brustkorb, oft auch Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit, Schwindel und Fieber, manchmal auch entzündete Lungen. Bei einigen Betroffenen führte Lungenversagen zum Tod. Die Vereinigten Staaten, wo die Zusammensetzung von Wirkstoffen in E-Zigaretten weniger stark reguliert ist, griffen durch: Der Verkauf von E-Zigaretten mit Geschmacksrichtungen wurde beschränkt. Inzwischen gibt es die Vermutung, dass die Todesfälle in Zusammenhang mit einem Zusatzstoff stehen, der in THC-haltigen Liquids verwendet wurde. In Deutschland und Europa gab es keinen vergleichbaren Anstieg an Lungenschädigungen.
Zwischenschritte auf dem Weg zum optimalen Gesundheitsziel einlegen
Laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikoforschung glaubt einer von fünf Befragten, dass sich E-Zigaretten zur Rauchentwöhnung eignen: “Mehr als die Hälfte aller Befragten hält E-Zigaretten für ungeeignet, um sich das Rauchen abzugewöhnen“, heißt es in der Mitteilung von April 2020.
Krebsexpertin Mons bemängelte dagegen am Mittwoch bei einem Onlinesymposium der Frankfurt University of Applied Sciences, dass die negative öffentliche Wahrnehmung von E-Zigaretten sich auch negativ auf den Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, auswirke. Ähnlich sieht es Suchtforscher Heino Stöver: Die Fehlwahrnehmungen in der Bevölkerung führten zu einer “kollektiven Demotivation“ in Bezug auf einen Umstieg. Stöver etwa rät dazu, nicht immer das optimale Gesundheitsziel, die Abstinenz, anzusteuern, sondern Zwischenschritte einzulegen. Vor diesem Hintergrund sei die E-Zigarette sicher ein wichtiges Mittel.
Pneumologen sehen E-Zigarette kritisch
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin widerspricht: E-Zigaretten seien zur Tabakentwöhung nicht geeignet. Wer sie nutze, sei nicht abstinent, sonder ersetze lediglich ein schädliches Produkt gegen ein anderes, so der DGP-Präsident, Michael Pfeifer, in einer Mitteilung.
“Ich selbst empfehle das meinen Patienten nur in ganz, ganz wenigen Fällen, in denen man sonst nicht weiterkommt”, sagt auch Bals. Das beziehe sich auf Menschen mit schweren Lungenerkrankungen, die trotzdem weiter rauchten. “Da rate ich auch selten mal, dass man den Übergang zur E-Zigarette mal ausprobieren könnte. Aber dann muss man schon sicherstellen, dass das nicht der letzte Schritt war.” Bei weniger extremen Fällen sieht der Experte das dagegen kritischer. “Am besten ist es, ganz aufzuhören.” Wenn man einmal die Motivation aufgebracht habe, sei das auch leichter, als eine Zwischenlösung einzuschieben.
Es gebe zwar einige Studien, die zeigten, dass unter der Voraussetzung, dass E-Zigaretten Teil eines Entwöhnungsprogramms sind, mehr Menschen mit dem Rauchen aufhörten. “Allerdings hören die meisten nicht ganz mit dem Rauchen auf, sondern bleiben an den E-Zigaretten kleben”, sagt Bals. Zudem merkt er an, dass E-Zigaretten meist als Konsumprodukt und nicht als Entwöhnungstool genutzt würden: “Wenn man ein Nikotinkaugummi kauft, dann ist klar, dass man das nicht kaut, weil das Spaß macht, sondern weil man mit dem Rauchen aufhören will.”
asu/dpa/epd/RND