Omikron: Ist das jetzt der Anfang vom Ende der Pandemie?

Mit der Omikron-Welle werden sich zahlreiche Menschen in Deutschland infizieren, die dann eine Immunität gegen das Virus hätten.

Mit der Omikron-Welle werden sich zahlreiche Menschen in Deutschland infizieren, die dann eine Immunität gegen das Virus hätten.

Es wirkt, als sei Deutschland in einer Corona-Zeitschleife gefangen. Ein neues Jahr hat begonnen, aber die alten Probleme bleiben. Wieder breitet sich eine neue Corona-Variante in Deutschland aus. Wieder steht eine schwere Infektionswelle bevor. Wieder läuft Deutschland dem Virus hinterher, als es frühzeitig in die Schranken zu weisen. Wieder gerät die Bundesregierung unter Zugzwang, wieder treffen sich Ministerpräsidenten, um neue Corona-Maßnahmen zu beraten. Wieder wird statt über Lockerungen über weitere Einschränkungen diskutiert.

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Ein wirklicher Lichtblick scheint nach nunmehr zwei Jahren Pandemie nicht in Sicht zu sein. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder dürften nach ihrem heutigen Treffen nur wenige positive Botschaften zu verkünden haben. Händeringend suchen Bund und Länder nach einem Weg, das Virus unter Kontrolle zu bringen. Eine Erkenntnis setzt sich bei all dem immer deutlicher durch: So schnell, wie das Coronavirus aufgetaucht ist, wird es nicht verschwinden. Der Erreger ist gekommen, um zu blieben.

Coronavirus lässt sich nicht ausrotten

„Dieses Virus jetzt aus der Welt zu schaffen, ist ungefähr so, als würde man versuchen, den Bau einer Trittsteinbahn zum Mond zu planen. Das ist unrealistisch“, sagte Michael Osterholm, Epidemiologe an der Universität von Minnesota in Minneapolis, Anfang vergangenen Jahres dem Nature-Magazin. Die Fachzeitschrift hatte damals mehr als 100 Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Immunologie, Infektiologie und Virologie zur Zukunft des Coronavirus befragt. Die Möglichkeit, dass Sars-CoV-2 ausgerottet werden könnte, stuften nur wenige von ihnen als realistisch ein. Allerdings hat die Umfrage auch Hoffnungsvolles zu bieten. Denn 90 Prozent der Experten waren der Meinung, dass der Erreger endemisch werden könnte.

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Während sich bei einer Pandemie, wie wir sie derzeit erleben, das Virus über Länder und Kontinente hinweg ausbreitet, würde es bei einer Endemie nur noch in einer bestimmten Region oder Population dauerhaft auftreten. Es wäre damit nicht verschwunden, sondern würde noch jahrelang in Teilen der Weltbevölkerung grassieren – im Sommer womöglich etwas schwächer, im Winter wieder etwas stärker.

Omikron macht Endemie wahrscheinlicher

Als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Umfrage des Nature-Magazins teilgenommen haben, wussten sie nicht, dass bald eine Virusvariante auftauchen würde, die tatsächlich den Weg zur Endemie ebnen könnte. Die Rede ist von Omikron.

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„Mit Omikron ist das Erreichen der endemischen Lage wahrscheinlicher als bisher, weil die Virusvariante so extrem effizient in der Ausbreitung ist, dass sie jeden mit unzureichender Immunität treffen wird“, sagte Ralf Bartenschlager, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Virologie, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Geimpft, genesen oder ungeimpft: Omikron trifft alle

Die erstmals Ende November in Südafrika nachgewiesene Mutante ist ansteckender als alle bisherigen Versionen des Coronavirus und verdrängt die in Deutschland dominierende Delta-Variante. Das RKI stuft in seinem aktuellen Wochenbericht das Risiko, dass sich Ungeimpfte mit Omikron infizieren, als „sehr hoch“ ein.

Aber auch Genesene und doppelt Geimpfte haben aus Sicht des RKI ein hohes Infektionsrisiko. Denn Omikron kann die durch die Impfung beziehungsweise Erkrankung aufgebauten Immunantworten teilweise umgehen, wie mehrere internationale Studien gezeigt haben. Das heißt, auch Genesene und doppelt Geimpfte können sich mit der Virusvariante infizieren – wenngleich sie wohl bei einer Ansteckung weniger schwer erkranken dürften als Ungeimpfte.

Besser vor Omikron geschützt sind dreifach Geimpfte. Ihr Infektionsrisiko schätzt das RKI derzeit als „moderat“ ein. Wissenschaftliche Untersuchungen legen jedoch nahe, dass der Schutz der Boosterimpfungen vor Infektionen mit der Zeit nachlässt. Somit dürften auch dreifach Geimpfte zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder Gefahr laufen, sich mit Omikron zu infizieren.

Omikron-Welle könnte breite Immunität erzeugen

In den folgenden Wochen könnten somit neben Ungeimpften auch Genesene und Geimpfte in Kontakt mit der Virusvariante kommen. „Früher oder später wird sich jeder mit Omikron infizieren“, ist Virologe Bartenschlager überzeugt. Auf jede Infektion mit dem Coronavirus reagiert das menschliche Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern, die an den Erreger binden und so verhindern, dass dieser in die Zellen eindringt. Gleichzeitig wird die Produktion von Gedächtniszellen angeregt, die sich das Virus merken, bei einer erneuten Infektion die Immunantworten beschleunigen und so einen anhaltenden Schutz aufbauen.

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Kommt es nun zu einer raschen Ausbreitung von Omikron und folglich zu einer hohen Zahl an Infizierten, könnte eine weitreichende Immunität in der Bevölkerung entstehen, die das Virus in Schach halten, wohl aber nicht eliminieren wird.

Nicht ohne Grund spricht Isabella Eckerle, Leiterin des Zentrums für neuartige Viruserkrankungen an der Uni Genf, deshalb von einer kommenden „Exit-Welle“. Omikron könne „das ‚Ticket‘ in die endemische Situation“ werden, schrieb die Virologin Anfang Dezember vergangenen Jahres auf Twitter. Ähnlich äußerte sich der Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, Christian Drosten, wenige Wochen nach Eckerles Tweet in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Ich gehe davon aus, dass Omikron die Sars-CoV-2-Variante sein wird, die uns in die endemische Phase begleiten wird.“ Er bezeichnete die Virusvariante als „das erste postpandemische Virus“.

Virologe: „Omikron wird nicht die letzte Variante des Coronavirus sein“

Die Formulierung „postpandemisch“ klingt verlockend, doch der Weg aus der Pandemie hin zur Endemie könnte noch einmal sehr hart werden. Zumal nicht alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler derart zuversichtlich sind wie Drosten und Eckerle, dass Omikron tatsächlich eine endemische Phase einläutet. Kann sein, muss aber nicht, lautet vielmehr die weit verbreitete Antwort. Auch, weil es noch einige Unsicherheiten gibt. Zum Beispiel ist nicht klar, ob Omikron wirklich die letzte besorgniserregende Variante sein wird, oder ob nicht doch noch ein ansteckenderer und gefährlicherer Nachfolger auftaucht, der Einfluss auf das Infektionsgeschehen und damit auf den Eintritt in die endemische Phase nimmt.

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Hierbei dürfte auch die Immunität in anderen Ländern eine Rolle spielen. Denn in Staaten, wo noch viele Menschen dem Coronavirus schutzlos gegenüberstehen, ist das Risiko höher, dass sich neue Virusvarianten entwickeln. Diese könnten dann nach Deutschland eingeschleppt werden. „Ich denke, Omikron wird nicht die letzte Variante des Coronavirus sein“, sagte Friedemann Weber, Leiter des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Es kann durchaus sein, dass noch mal eine Variante entsteht, die sich von Omikron so unterscheidet wie Omikron von Delta.“

Durchseuchung als Mittel zur Endemie ist risikoreich

Aber selbst eine Durchseuchung mit Omikron birgt Risiken: „Wenn die Omikron-Welle ungebremst durch die Bevölkerungsschichten in Deutschland geht, wird eine endemische Phase relativ schnell erreicht“, sagte Bartenschlager, „das hätte aber einen zu hohen Preis.“

Zum einen würde eine Durchseuchung mit einer solch ansteckenden Virusvariante zu einer hohen Zahl an Infizierten führen, die sich isolieren, beziehungsweise deren Kontaktpersonen in Quarantäne müssten. Dieses Bild zeigt sich derzeit in Großbritannien, wo wegen Omikron die Infektionszahlen explosionsartig steigen, sich etliche Infizierte in Selbstisolierung begeben müssen, sodass es etwa in Kliniken zu Personalengpässen kommt.

Omikron-Welle könnte kritische Infrastruktur belasten

Vor einem solchen Szenario warnt der Corona-Expertenrat der Bundesregierung auch in Deutschland. „Schnell steigende Inzidenzen bergen hohe Risiken für die kritischen Infrastruktur in Deutschland“, schrieb das Gremium Mitte Dezember vergangenen Jahres in einer Stellungnahme. Gemeint sind etwa Krankenhäuser, Feuerwehren, Rettungs- oder Telekommunikationsdienste, sowie Strom- und Wasserversorger. Die Expertinnen und Experten forderten, sofort umfassende Vorbereitungen zum Schutz der kritischen Infrastruktur zu treffen.

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Sollte absehbar in den kommenden Wochen die Belastung durch hohe Infektionszahlen und Personalausfälle zu hoch werden, ist kurzfristig eine weitere Intensivierung der Kontaktbeschränkungen erforderlich.

Expertenrat der Bundesregierung

In einer neuen Stellungnahme von Anfang Januar, die dem RND vorliegt, betont der Expertenrat jetzt noch einmal, dass vor allem die medizinische Versorgung während der Omikron-Welle sichergestellt werden müsse. „Ein hohes Patientenaufkommen kombiniert mit akutem Personalmangel kann innerhalb von kurzer Zeit die allgemeine medizinische Versorgung in Deutschland gefährden“, heißt es. Hauptaugenmerk sollten die Notaufnahmen und Normalstationen der Kliniken sein. „Sollte absehbar in den kommenden Wochen die Belastung durch hohe Infektionszahlen und Personalausfälle zu hoch werden, ist kurzfristig eine weitere Intensivierung der Kontaktbeschränkungen erforderlich.“

Einen Vorschlag, um die Belastungen der kritischen Infrastruktur so gering wie möglich zu halten, haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Ressortchefinnen und –chefs der Länder am Mittwoch für die heutige Bund-Länder-Runde unterbreitet. Sie wollen die Quarantäne- und Isolierungszeit für Personal in wichtigen Versorgungsbereichen verkürzen, geknüpft an einen negativen PCR-Test. Auch über diese Regelung wollen Bund und Länder bei ihrem heutigen Treffen beraten. Unter Corona-Expertinnen und –Experten erntete sie viel Zustimmung; der Expertenrat äußerte sich nicht konkret zu dem Vorhaben.

Schwere Erkrankungen auch mit Omikron möglich

Zum anderen besteht bei einer Durchseuchung mit Omikron die Gefahr, dass Ungeimpfte oder Menschen mit Vorerkrankungen unter Umständen schwer erkranken können, was das Gesundheitssystem bei sehr hohen Infektionszahlen auch überlasten würde. Die Folge wären überfüllte Kliniken und steigende Sterbezahlen.

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Zwar deuten bisherige Studien aus Großbritannien und Südafrika darauf hin, dass Omikron seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt, auch bei Ungeimpften; aber das Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung ist nicht auf null gesunken. Es wird also immer Menschen geben, die an einer Omikron-Infektion schwer erkranken werden. Das größte Erkrankungsrisiko haben weiterhin Ungeimpfte, von denen es noch zu viele in Deutschland gibt, gerade auch in den höheren Altersgruppen.

Und wie steht es um die Krankheitsschwere in der Endemie? Bleibt das Coronavirus weiterhin gefährlich?

„Das Coronavirus wird sich hoffentlich so entwickeln, dass es nur noch selten schwere Verläufe verursacht“, hofft Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Essen. Ein Gedanke, der keineswegs unrealistisch ist. Gibt es doch bereits vier Coronaviren, die zu den saisonalen, harmlosen Erkältungsviren gehören: HCoV-229E, HCoV-NL63, HCoV-HKU1 und HCoV-OC43. Sie können zwar mitunter schwere Lungenentzündungen hervorrufen, vor allem bei älteren und immungeschwächten Menschen, aber vorwiegend verursachen sie nur milde Erkältungssymptome.

Müssen wir uns jährlich gegen Covid-19 impfen lassen?

Genauso so eine Art von Krankheitserreger könnte auch das Coronavirus Sars-CoV-2 werden. Erst wenn das Virus kaum noch schwere Krankheitsverläufe hervorruft, könne zudem auf Maßnahmen wie Masken und das Abstandhalten verzichtet werden, meint Dittmer. Seine Hoffnungen gehen sogar noch ein Stück weiter: „Ich hoffe, dass sich das Coronavirus weiter abschwächt und noch harmloser wird als die Influenzaviren.“

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Die Influenzaviren, die Auslöser der echten Grippe sind, treten nur saisonal auf, gehen aber mit einer höheren Krankheitsschwere einher als die Corona-Erkältungsviren. Gegen die Grippe gibt es einen Impfstoff, der jährlich an die zirkulierenden Varianten der Influenzaviren angepasst werden muss. Ob eine regelmäßige Auffrischung auch bei Covid-19 notwendig sein wird, wissen Impfstoffforscherinnen und Impfstoffforscher noch nicht.

„Das ist jetzt der Fall, aber in welchem Rhythmus sich die Menschen auf Dauer nachimpfen lassen müssen, ist nicht vorherzusehen“, sagte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, dem RND. „Da müssen wir die weiteren Entwicklungen abwarten.“

Immunität und Virusentwicklung für Endemie entscheidend

Einfluss darauf dürfte auch die evolutive Entwicklung des Virus nehmen, ebenso wie beim Beginn der Endemie. „Ich denke letztlich hängt es von dem Wechselspiel zwischen der jeweiligen vorherrschenden Virusvariante und der Immunität in der Bevölkerung ab, wann wir die endemische Phase erreichen werden“, erklärte Virologe Weber. „Es wird keinen festen Punkt geben, an dem man sagt: Jetzt ist die Pandemie vorbei, und es beginnt die Endemie.“

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Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Virologe Dittmer. Die genetische Veränderung des Coronavirus, die mit einer geringeren Krankheitsschwere einhergeht, und eine breite Immunität seien entscheidend für den Übergang von der Pandemie zur Endemie. „Erst dann haben wir einen Punkt erreicht, wo wir das Virus einfach akzeptieren können, genauso wie wir andere Viren im Winter auch akzeptieren.“

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