Ernährungspsychologe erklärt, wieso der Veganuary immer beliebter wird
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Wer vegan isst, lebt umweltfreundlicher und verursacht kein Tierleid. Da kann man schon mal glücklich sein.
© Quelle: Unsplash
Kein Fleisch, kein Käse, kein Honig: Diese Produkte streichen Teilnehmende des Veganuary für einen Monat von ihrem Speiseplan. Die dahinterstehende, 2014 in Großbritannien gegründete Organisation wirbt auch in diesem Jahr wieder dafür, dass Menschen sich einen Monat lang ohne tierische Produkte ernähren. Wer sich auf der Webseite registriert, bekommt 31 Tage lang Mails mit Tipps zugeschickt, kostenfrei. Starten kann man jederzeit.
Der Veganuary, also der tierproduktfreie Januar, passt in den Zeitgeist. Laut einer aktuellen Online-Umfrage von „YouGov Deutschland“ haben bereits 4,4 Prozent der deutschen Bevölkerung (3,7 Millionen Menschen) bewusst am Veganuary teilgenommen, weitere 21,4 Prozent haben eine bewusste Teilnahme geplant oder Interesse daran. Gab es im Jahr 2016 noch 0,8 Millionen Veganerinnen und Veganer hierzulande, so waren es laut Statista im Jahr 2022 schon 1,58 Millionen. Auch die Zahl der Vegetarierinnen und Vegetarier in Deutschland wächst stetig. Das Statistikportal beziffert sie mit ingesamt 7,9 Millionen Menschen.
Vegan ist nicht per se ungesund
Seit einigen Jahren gibt es den Veganuary nicht mehr nur in Großbritannien. Auch in den USA, in Chile, Südafrika und Deutschland läuft die Kampagne. Für den Veganuary 2022 hatten sich weltweit mehr als 629.000 Menschen registriert, meldet die Organisation – so viele wie noch nie zuvor. Tier- und Umweltschutz sowie die eigene Gesundheit zu stärken seien die hauptsächlichen Aspekte, die Menschen zur Teilnahme bewegten. Deutschsprachige Influencerinnen und Prominente wie Marie von den Benken, Matthias Weidenhöfer und Aljosha Muttardi unterstützen die Kampagne von Veganuary.
Wie gesund vegane Ernährung ist, wird weltweit von Ernährungswissenschaftlern unterschiedlich eingeschätzt. „Natürlich, wenn ich vegan lebe, muss ich auf bestimmte Vitamine besonders achten“, sagt Johann Christoph Klotter, Professor für Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda. Aber wenn das gegeben sei, schließe er sich den Experten an, die Veganismus nicht für gesundheitsschädlich halten. Ähnlich sieht das die Deutsche Gesellschaft für Ernährung: „Ob sich Vegetarier bzw. Veganer gesundheitsfördernd ernähren, hängt von deren Lebensmittelauswahl ab.“
Nachhaltigkeit als Wert
Warum der Veganuary immer beliebter wird, versucht Ernährungspsychologe Klotter zu erklären. „Wenn man etwas verändern will, sind solche Ausnahmezustände attraktiv, weil sie überschaubar sind“, sagt er. 31 Tage dauert das Veganuary-Programm – innerlich wisse man also schon, dass man danach zur Normalität zurückkehren könne. Hinzu komme, dass es einen ganz klaren Trend zu Vegetarismus und Veganismus gebe – und einen Wandel bei den Werten.
„Ich halte eine Vorlesung ‚Nachhaltige Ernährung‘. Die heute 20- bis 25-Jährigen wissen viel mehr über den Klimawandel als die Studierenden vor zwei Jahrzehnten“, erzählt der Professor. Und wer über das Thema Nachhaltigkeit nachdenke, schränke seinen Fleischkonsum zumindest deutlich ein. Denn Fleisch hat eine recht schlechte Klimabilanz.
Fleisch und die Treibhausgase
Der Ökologe Joseph Poore von der britischen Oxford-Universität hatte 2019 für den „Spiegel“ berechnet, dass deutsche Veganer etwa zwei Tonnen Treibhausgase weniger als Fleischesser pro Jahr produzierten. Eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020 zeigt, dass für das Herstellen eines Kilos Rindfleisch 30,5 Kilogramm Treibhausgase in die Luft gepustet werden, für ein Kilo Schweinefleisch 4,1 Kilo – aber für Fleischersatz auf Sojabasis nur 2,8 Kilogramm je Kilo Endprodukt. Wer sich außerdem mit dem Zusammenhang zwischen Sojamonokulturen in Brasilien und Viehfutter beschäftigt, lernt, dass vor allem Fleischesser mit ihrer Nachfrage das Abholzen von Regenwäldern fördern.
Sich ausgewogen vegetarisch oder vegan zu ernähren, hat also viele persönliche und gesellschaftliche Vorteile. Doch der Veganuary richtet sich nicht nur an Privatpersonen. Auch Unternehmen zählen zur Zielgruppe der Organisation. Sie unterstützt Firmen laut eigener Aussage dabei, ihre rein pflanzlichen Produkte besser zu vermarkten. Diese Chance, den eigenen Umsatz zu steigern und sich öffentlichkeitswirksam als an Nachhaltigkeit interessiertes Unternehmen darzustellen, nutzen zum Beispiel Aldi Nord und Aldi Süd, Penny, Rossmann, DM, Lieferando, Ikea und Subway.
Auf vielen der Webseiten der Unternehmen wird gut sichtbar platziert für den Veganuary und die damit verbundenen Produkte geworben. Auch die Deutsche Bahn nutzt den Aktionsmonat und bietet im Bordbistro ab Januar drei Bestseller in der veganen Variante an: Chili sin Carne, Flammkuchen und vegane Currywurst. Das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ verglich den Veganuary sogar mit dem angebotsstarken Monat rund um den Black Friday.
Vegane Produkte lohnen sich auch für Unternehmen
Wie sehr Fleischersatzprodukte boomen, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Im ersten Quartal des Jahres 2020 stieg die Produktion von vegetarischen Brotaufstrichen, Sojabratlingen oder Tofu um 37 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des vorigen Jahres. Klar, dass Unternehmen von dieser Nachfrage profitieren wollen.
Das Marktforschungsunternehmen Nielsen hat ausgewertet, dass im Jahr 2022 die Bruttowerbeausgaben für den Veganuary im Vergleich zum Vorjahr um das 2,5-Fache gestiegen seien. Der Monat Januar habe sich als „wichtiger Aktionsmonat für die Lebensmittelindustrie“ etabliert. „Dabei sollten werbetreibende Unternehmen vor allem die weibliche Zielgruppe sowie die Altersgruppe der 18- bis 49-Jährigen im Blick haben“, empfiehlt Nielsen.
„Der Veganuary ist der ideale Neujahrsvorsatz, eine nachhaltige Inspiration, ein positives Gemeinschaftserlebnis“, sagt Ria Rehberg, internationale Geschäftsführerin von Veganuary. „Menschen probieren aus, wie eine vegane Ernährung im Alltag funktioniert – und welche enormen Auswirkungen diese Ernährungsform hat. Das hat nichts mit Verzicht zu tun. Das macht einfach Spaß.“
RND/saf/vv