Löwenmaske oder Blackfacing? Rassismusvorwürfe gegen Kinderfilm
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GVV5TMI7OFAMJENPK4BBR5357U.jpg)
Blackfacing oder Superheldenmaske? Die elfjährige Hedvig soll in dem norwegischen Animationsfilm „Sowas von Super“ eine Superheldin werden. Bei der Berlinale wurde dem Kinderfilm von der Organisation ARTEF Rassismus vorgeworfen.
© Quelle: Qvisten Animation
Keine Sektkorken. Keine Umarmungen. Keine Ansprachen. Kein Berlinale-Applaus. Die für Montag (20. Februar) geplante Galapremiere des norwegischen Kinderfilms „Helt super“, der deutsche Titel lautet „Sowas von Super“, in der Reihe „Generation Kplus“ der 73. Berliner Filmfestspiele fiel flach. Die Absage kam für die skandinavischen Filmemacher überraschend. Grund waren Bedenken einer Antirassismusorganisation über die „stereotype Darstellung von Farbigen“. Ein in der Geschichte der Berlinale bisher einzigartiger Vorgang.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Die Einwände trafen am 19. Februar, nur einen Tag vor der geplanten Berlinale-Präsentation, mit einem Brief bei der Generation-Kplus-Leitung, Sebastian Markt und Melika Gothe, ein. Erhoben wurden sie von der Anti-Racism Taskforce for European Film (ARTEF), 2021 vom damals neuen Direktor der Europäischen Filmakademie, Mathijs Wouter Knol – einem langjährigen leitenden Berlinalemitarbeiter – initiiert. Diese Organisation widmet sich dem Kampf gegen „institutionellen Rassismus im europäischen Kino“. Und hatte Anzeichen davon in „Sowas von Super“ ausgemacht.
Die Gala wurde abgesagt, der Film nicht aus dem Programm genommen
Das Festival habe diese Bedenken daraufhin der Produktionsfirma und dem Norwegischen Filminstitut mitgeteilt. Man sei, so die Pressestelle der Berlinale in einem Statement gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), „mit der Produktionsfirma übereingekommen, dass beide Seiten mehr Zeit benötigen, um einen Weg zu finden, die Vorführung angemessen zu gestalten“. Ganz aus dem Programm genommen wurde der Film zum Bedauern von ARTEF allerdings nicht.
Worum es im Film geht: „Sowas von Super“ erzählt von der elfjährigen Hedvig, deren Vater der Superheld Superlion (dt. Superlöwe) ist, in dessen Fußstapfen sie nun treten soll. Hedvig ist indes nicht so recht für die wirkliche Welt gemacht, sie verkriecht sich lieber in ihre Computerspiele. Größtes Problem aber: Sie hat keine erkennbaren Superkräfte. Der Film war im September 2022 in den norwegischen Kinos angelaufen und hatte den Publikumspreis beim Tromsø International Film Festival junior gewonnen. Bis dato hatte niemand rassistische Inhalte moniert. Der zuständige Verleih bewirbt „Sowas von Super“ als „spannendes, witziges und warmherziges Superheldenabenteuer für die ganze Familie“.
ARTEF besorgt über Darstellungen, die „im kolonialen Denken wurzeln“
ARTEF übersandte dem RND am späten Donnerstagabend (23. Februar) eine mehrseitige Stellungnahme in englischer Sprache, in der die Vorwürfe ausgeführt wurden. Namentlich nicht genannte „Kolleginnen und Kollegen“ hätten bei ARTEF auf den Film aufmerksam gemacht und „ihre Besorgnis über die ,Darstellungen von Blackface und die Animalisierung schwarzer Menschen‘ zum Ausdruck gebracht“.
„In diesem Film“, so heißt es in der Erklärung, „verwandeln sich die weißen Helden in Löwen, die im Gegensatz zu Löwen dunkelbraune Hände und teilweise dunkelbraune Gesichter und Körper haben, was – wie unsere Kollegen betonten – Darstellungen sind, die im kolonialen Denken wurzeln, in dem schwarze Menschen historisch gesehen entmenschlicht und mit Tieren verglichen wurden“.
Sichtung ergibt: Superheldenmasken statt Blackfacing
Die Superlion-Masken der Protagonistin und ihres Superheldenvaters – so ergab eine Sichtung des Films durch das RND – bestehen tatsächlich aus einer goldbraunen Mähne und einer braunen Halbgesichtsmaske, die – ähnlich wie bei der Comicfigur Batman – Stirn, Augen und Nase bedeckt. Zu dunkel ist diese Maske für die klassische „Gesichtsfarbe“ von Löwen. Aber Blackfacing, also das rassistisch geprägte Schminken eines Weißen als Schwarz in Theater, Kino und anderen Unterhaltungsformen (à la Al Jolson im ersten Tonfilm „The Jazz Singer“), ist über die gesamte Filmlänge nicht auszumachen.
An Raubtiere angelehnte Kostüme sind zudem im Superheldengenre nicht ungewöhnlich – siehe DCs Figur der Catwoman (im Kino zuletzt von Zoe Kravitz dargestellt, zuvor von Michelle Pfeiffer und Halle Berry) oder Marvels Black Panther (gespielt von dem 2020 verstorbenen schwarzen Schauspieler Chadwick Boseman). In „Sowas von Super“ tritt auch noch eine echte schwarze Figur auf: Thomas ist der beste Freund von Hedvig – ein schüchterner, etwas tollpatschiger Junge, der ihr Mut zuspricht und durchweg als Sympathieträger erscheint.
Norwegen reagiert verständnislos auf die Vorbehalte
Verständnislos reagierten die Norweger auf das Aus für die Gala. Kjersti Mo, Direktorin des norwegischen Filminstituts (NFI), erklärte gegenüber der dänischen Tageszeitung „Berlingske Tidende“, dass sie von der Vorgehensweise der Berlinale „sehr überrascht“ gewesen sei. „Wir haben der Berlinale klar gesagt, dass wir glauben, dass der Film für sich selbst spricht, dass er nichts ist, vor dem man warnen muss“, sagte Mo.
Die künstlerische Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, so die Direktorin weiter, stünden heutzutage unter großem Druck. „Wenn ein Kinderfilm mit einer einfachen und guten Botschaft Gefahr läuft, abgesagt zu werden, muss man sich fragen, welche Art von Filmen von zukünftigen Festivals noch akzeptiert werden.“
Norwegisches Filminstitut lässt sich von ARTEF-Website streichen
Zu einem von ARTEF anberaumten Gespräch sei keiner der Filmemacher erschienen, beklagte die Antirassismusorganisation. Am Donnerstag habe das norwegische Filminstitut dann ARTEF nach eigenen Angaben darum gebeten, „von unserer Website gestrichen zu werden, da es die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung von ARTEF einstellen und nicht mehr öffentlich mit uns in Verbindung gebracht werden möchte“.
Das Stream-Team
Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
„Just Super“, so der internationale Titel des norwegischen Films, wurde dann doch noch auf der Berlinale gezeigt – am vergangenen Dienstag im Cubix-Kino mit einer Filmeinführung, bei der das Team von Regisseur Rasmus A. Sivertsen anwesend war, sowie am Mittwoch im Zoopalast. Die Karteninhaber wurden von der Berlinale allerdings über die ARTEF-Bedenken informiert.
Am Eingang des jeweiligen Kinos war der Hinweis der Berlinale zu lesen, Inhalte des Films könnten „von historisch marginalisierten Gemeinschaften als beleidigend empfunden“ werden. Die beiden Aufführungen sind laut der Pressestelle der Berlinale problemlos verlaufen: „Es gab keinerlei Bemerkungen oder negativen Kommentare“, hieß es.
Als „Missverständnis“ sieht die in Deutschland für „Sowas von Super“ zuständige Agentur „das pressebüro“ den Fall. Der Animationsfilm sei in 150 Länder verkauft, der Start in den deutschen Kinos ist für den 31. August vorgesehen.