Beuys Fettecke, Cattelans Banane und nun eine Gurke in Neuseeland: Debatte über Grenzen der Kunst
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Eine Gurkenscheibe, wie man sie in einem Cheeseburger von McDonalds findet, klebte der Künstler an die Decke einer Galerie.
© Quelle: picture alliance/KEYSTONE
Es ist die alte Diskussion: Wann darf sich Kunst Kunst nennen? Schon Joseph Beuys Fettecke, bei der der deutsche Künstler 1982 fünf Kilogramm Butter in einer Ecke der Kunstakademie Düsseldorf platzierte, löste eine Debatte aus, die später sogar vor Gericht landete. Denn vier Jahre später, kurz nach dem Tod des Künstlers, kratzte ein Hausmeister die Butter beim Saubermachen ab. Er hatte die Fettecke nicht als Kunstinstallation erkannt.
Doch wer sich ein wenig näher mit Beuys Wirken beschäftigt hat, weiß, dass Fett wie auch Filz in seinen Werken eine wichtige Rolle gespielt haben. So will er einst einen Flugzeugabsturz überlebt haben, weil er mit Fett eingerieben und in Filz eingewickelt war. Letzteres stellte sich später zwar ein wenig als Mythos heraus, lässt sich aber vielleicht als künstlerische Freiheit abtun.
Künstler klebt Gurkenscheibe an Decke einer Galerie
Jetzt ist die „Was ist Kunst“-Debatte erneut hochgekocht. Dieses Mal jedoch in Neuseeland – ganz am anderen Ende der Welt. Hier hat ein australischer Künstler namens Matthew Griffin eine Essiggurke oder besser gesagt eine Gurkenscheibe, wie man sie ansonsten in einem Cheeseburger der US-amerikanischen Fast-Food-Kette McDonalds findet, an die Decke einer Galerie in Auckland geklebt. Dort war sie bis Ende Juli ausgestellt und mit einem Preisschild von 10.000 Neuseeländischen Dollar, umgerechnet mehr als 6000 Euro, versehen.
Ob sich jedoch tatsächlich ein Käufer für das zumindest ungewöhnliche Kunstwerk gefunden hat, darüber wollen weder der Galerist in Auckland noch das Kunstmanagement von Griffin in Australien sprechen. „Wir geben grundsätzlich keine Informationen über Verkaufspreise von Kunstwerken“, sagte ein Sprecher von Fine Arts in Sydney, die den Künstler in Australien vertreten, am Telefon.
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Installation löst Debatte im Internet aus
Verkauft oder nicht verkauft – im Internet hat die Installation eine Debatte ausgelöst. Während einige das Werk als „Perfektion“, „suberb“ oder „unbezahlbar“ bezeichneten, machten sich andere darüber lustig. „Ich wurde genau dafür als Teenager einmal von der Polizei aus einem McDonalds geworfen, und jetzt ist es Kunst“, schrieb ein Instagram-Nutzer beispielsweise. Im ArtForum dagegen bezeichnete der Kunstkritiker Wes Hill das Schaffen des Australiers als „eine süffisante Unterbietung von sich selbst ernst nehmen und Eigensinn“.
Griffin habe sich „einen einzigartigen Ruf“ dafür erworben, „was wir in Australien ‚to take the piss‘ nennen“ oder übersetzt‚ als jemand, der andere gerne veralbert. Letztendlich wolle Griffin einen Job, der ihm genug Geld einbringe, „um seine Zähne reparieren zu lassen“, schreibt Hill. So habe er in mehreren Videoarbeiten den Vorschlag unterbreitet, allen Künstlern über 35 eine kostenlose Zahnbehandlung zu ermöglichen. „Er scherzt offensichtlich“, so Hill, aber der Witz sei oftmals eben der einzige Punkt in seinem Schaffen. Das Museum für moderne Kunst in Sydney beschreibt die Arbeit des 1976 geborenen Künstlers deswegen auch als eine Kombination aus „ironischem Humor mit einer gewissen DIY-Sensibilität“.
Zutatenliste eines Cheeseburgers im Begleittext
Auch mit „Pickle“ scheint sich der Künstler über sich selbst, die Welt und den Betrachter lustig zu machen. Auf Instagram ist als Begleittext zum Kunstwerk die lange Liste der Zutaten eines Cheeseburgers aufgelistet – neben vielen Farb- und Konservierungsstoffen steht da auch besagte Essiggurke. Letztere haftete übrigens mit ihrer eigenen klebrigen Soße an der Decke und zeigte weder Anzeichen von Verfall noch blätterte sie ab.
Im Interview mit dem „Guardian“ sagte Ryan Moore, der Direktor von Fine Arts in Sydney, dass „eine humorvolle Reaktion auf das Werk“ völlig in Ordnung sei. „Es ist ja auch lustig“, meinte er. Mit einem Kunstwerk unterschiedliche Reaktionen hervorzurufen, sei Teil der Freude an der Arbeit.
Moore schätzt die Arbeit von Griffin aber nicht nur, weil sie mit Humor als Stilmittel arbeitet, sondern auch, weil sie den Traditionen der zeitgenössischen Kunst folgt und „die Art und Weise hinterfragt, wie Wert und Bedeutung zwischen Menschen generiert werden“. Die unvermeidliche Frage, ob Pickle „Kunst“ sei, störe ihn dabei nicht. „Generell entscheiden nicht Künstler darüber, ob etwas Kunst ist – sie sind diejenigen, die Dinge tun“, sagte Moore. „Ob etwas als Kunstwerk wertvoll und bedeutungsvoll ist, hängt davon ab, wie wir als Gesellschaft es gemeinsam nutzen oder darüber sprechen.“
Butter, Gurke oder doch lieber eine Banane?
Griffins Werk erinnert dabei nicht nur an das Schaffen des deutschen Künstlers Beuys. Auch der italienische Künstler Maurizio Cattelan hatte mit einem seiner Werke ähnlich kritische Diskussionen hervorgerufen. So hatte Cattelan eine reifende Banane, die 2019 während der Kunstausstellung Art Basel in Miami an die Galeriewand geklebt wurde, für 120.000 US-Dollar verkauft. Die Banane wurde schließlich von der Wand gezupft und vom New Yorker Performancekünstler David Datuna verspeist.
Wie einst die Banane hat auch das Kunstwerk „Pickle“ die Betrachter zu vielen interessanten Gesprächen angeregt. Andrew Thomas, der Co-Direktor der Michael Lett Gallery in Auckland, der die Gurke ausstellte, sagte dem „Guardian“, sie sei ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung gewesen und habe die Besucher dazu angeregt, „über die verschiedenen Ideen nachzudenken, die darin enthalten sind“. „Es gab viele Lächeln, dicht gefolgt von einigen interessanten und engagierten Gesprächen“, sagte Thomas.
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