„Radikalisierte Schlossherrin“ Gloria von Thurn und Taxis: Künstler rufen zum Boykott auf
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Bekannt für kontroverse Aussagen: Gloria Fürstin von Thurn und Taxis.
© Quelle: Armin Weigel/dpa
September 2015: Angela Merkel entscheidet, Tausende von Asylsuchenden über die Grenze nach Deutschland einreisen zu lassen. Kurze Zeit später gibt Gloria von Thurn und Taxi einem Regensburger Regionalfernsehsender ein Interview. Darin sagt sie zum Thema Flucht: „Wir stehen am Rand des Dritten Weltkriegs. Man könnte fast sagen, diese Völkerwanderung, die hier auf uns zuströmt, ist schon eine Art Krieg.” Es ist nicht das erste Mal, dass sie provoziert. 2001 sagt sie in einer Talkshow: „Der Schwarze schnackselt gerne.” Nur zwei Beispiele für verbale Entgleisungen der gebürtigen Stuttgarterin.
Aussagen wie diese sind es, die rund 100 Künstler und Künstlerinnen aus Regensburg kritisieren. In einem offenen Brief fordern sie einen Boykott der Regensburger Schlossfestspiele - die Fürstin ist Schirmherrin der Veranstaltung. In dem Brief, aus dem „Welt“ und „Süddeutsche Zeitung“ zitieren, heißt es demnach: „Mit Entsetzen beobachten wir seit Jahren die rechtskonservative Radikalisierung von Frau Gloria von Thurn und Taxis.” Die Fürstin falle seit Jahren durch „rassistische, homophobe und wissenschaftsfeindliche Äußerungen auf“.
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, handelt es sich bei den Unterzeichnenden um mehr als 100 lokale Künstler, Schauspieler, Musiker, kulturelle Initiativen und Kunstvereinigungen. Die Verfasser des Briefs werfen von Thurn und Taxis vor, sich mit einem AfD-Landtagskandidaten an einer Kundgebung beteiligt zu haben. Zudem verharmlose sie sexuellen Missbrauch durch Geistliche und den Klimawandel. An die Leser und Leserinnen des Briefes ergeht eine klare Bitte: den Festspielen fernzubleiben.
Initiiert hat die Aktion der Fotograf und Konzeptkünstler Johann Höschl. Er sagt: „Man darf die Augen nicht vor so einem extrem rechten, geschlossenen Weltbild verschließen.” Es gehe darum, eine Diskussion zu entfachen. Wie die „Süddeutsche Zeitung” berichtet, gehören zu den Unterzeichnern des Briefs Popmusiker wie Andi Teichmann (Gebrüder Teichmann, beigeGT) und Monique S. Desto, aktuelle Trägerin des Bayerischen Kulturförderpreises, Vertreter der renommierten Internationalen Kurzfilmwoche Regensburg und des Transit Filmfestes.
Plattform „Thurn und Toxisch“ sammelt kontroverse Aussagen der Fürstin
Kritik an Gloria von Thurn und Taxis gab es in den vergangenen Jahren immer wieder, und die wurde sogar öffentlich bei den Festspielen geäußert. Beim Auftritt mit seiner Band „Revolverheld” sagte der Sänger Johannes Strate vor Tausenden Zuschauern und Zuschauerinnen: „Wir spielen auf dem Grund einer Frau, mit deren Werten wir überhaupt nicht übereinstimmen.” Dann sprach er die Seenotrettung von Geflüchteten an, den Missbrauch in der katholischen Kirche und die Nähe der Fürstin zu Stephen Bannon, dem früheren Berater von Donald Trump und Mitgründer des rechtspopulistischen Internetseite „Breitbart”.
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Klare Kante: Revolverheld machten während ihres Auftritts bei den Regensburger Schlossfestspielen keinen Hehl daraus, dass sie die politische Linie der Schirmherrin komplett ablehnen.
© Quelle: Annette Riedl/dpa
Und auch andere Akteure machen Front gegen Glora von Thurn und Taxis. So sammelt die DGB-Jugend Oberpfalz auf der Plattform „Thurn und Toxisch” kontroverse Aussagen der Fürstin, und das „Bündnis solidarische Stadt Regensburg” bittet Künstler seit Jahren, „Abstand von einer Aufführung zu nehmen”.
Wie Johann Höschl findet, läuft der Protest aber bislang ins Leere. Der „Süddeutschen Zeitung” sagte Höschl, der stetige Gegenwind gegen die „erzkonservative Radikalisierung” der Schlossherrin werde von den Bürgern in Regensburg gerne als „ach, immer diese Linksradikalen” abgetan. In der Stadt gelte von Thurn und Taxis als „unsere schrullige Adlige im Schloss”, sagt Höschl. „Wir wollen den Druck erhöhen, indem wir ihn jetzt noch breiter in der ganzen Stadtgesellschaft verankern.”
Die Stadt Regensburg distanziert sich von den Aussagen der Schirmherrin, wie die „Welt” berichtet. Regensburg stehe für Vielfalt und Offenheit, sagte demnach eine Sprecherin und wies darauf hin, dass es sich bei den Festspielen nicht um eine städtische Veranstaltung handle.
Simply Red und Eros Ramazotti sollen auftreten
Für den Konzertveranstalter ist der Protest ein Sturm im Wasserglas. „Die 100 Künstler, die unterschrieben haben, kennt hier in Regensburg kein Mensch”, zitiert die „Welt” Reinhard Söll, den Inhaber der Konzertagentur Odeon Concerte. Die Initiatoren seien „linksradikale Leute, die die Fürstin hassen”. Dieses Jahr sollen unter anderem Simply Red und Eros Ramazotti bei den Schlossfestspielen im Juli auf der Bühne stehen, bis zu 30.000 Menschen werden erwartet.
Und was sagt Gloria von Thurn und Taxis zu dem Boykottaufruf? Der „Süddeutschen Zeitung” schrieb sie: „Eine Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt, divers und tolerant zu sein, sollte die freie Meinungsäußerung auch von den Menschen tolerieren, die nicht ihre eigene Meinung widerspiegeln.”
RND/dad