Die Show geht einfach weiter bei den Golden Globes
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Doppelgold: Steven Spielbergs Film „The Fabelmans“ gewann als bestes Drama – und er selbst als bester Regisseur.
© Quelle: IMAGO/UPI Photo
The Show must go on: So lautet das unwiderrufliche Versprechen der Unterhaltungsindustrie, nicht nur in Hollywood. Egal ob Unglück oder Skandal: Eine unbespielte Bühne darf es nicht geben. Und doch verwundert es ein wenig, wie hoch die Stardichte der US-Film- und Fernsehbranche bei den Golden Globes am Dienstagabend im Beverly Hilton Hotel war.
Dabei schien es noch im Vorjahr so, als sei die Organisation hinter dem undotierten Preis erledigt. Der Verband der Auslandspresse in Hollywood (HFPA) stand heftig in der Kritik wegen Diskriminierung in den eigenen Reihen und dem Verdacht der Bestechlichkeit. Niemand wollte mit dem versprengten Häuflein der weniger als 100 Auslandsjournalisten (und damals wenigen Auslandsjournalistinnen) noch etwas zu tun haben. So schien es jedenfalls. Und nun?
Golden Globes: „Ich bin hier, weil ich schwarz bin“
Nun zielte der gastgebende Stand-up-Comedian Jerrod Carmichael gleich bei seiner Begrüßung auf den Elefanten im Raum: „Ich werde Ihnen sagen, warum ich hier bin“, sagte er auf der Bühne. „Ich bin hier, weil ich schwarz bin.“
„Ich werde nicht sagen, dass sie eine rassistische Organisation sind“, fügte er süffisant hinzu. „Aber bis zum Tod von George Floyd hatten sie kein einziges schwarzes Mitglied, also macht mit dieser Information, was ihr wollt.“ Und dann erwähnte er noch, dass seine Gage für den Abend bei einer halbe Million Dollar liege. Das war immerhin ehrlich.
Hollywood wollte offenbar endlich mal wieder feiern im prächtigen im Ballsaal des Hotels und sich einstimmen auf die viel wichtigere Oscarshow im März. Passenderweise stimmen die rund 10.000 Mitglieder der Oscar-Academy von Donnerstag an über die Preise ab. Da kann es nicht schaden, sich schon mal im Glanz von goldenen Weltkugeln zu sonnen und dabei an dem wie immer ausgiebig kredenzten Champagner zu nippen – zumal der US-Sender NBC die Sause nun wieder live in amerikanische Wohnzimmer übertrug. Die Globes waren und sind immer noch zuerst ein Marketinginstrument.
Zweifellos gab es würdige Gewinner: Steven Spielberg zum Beispiel, dessen „The Fabelmans“ als bester Film und er selbst als bester Regisseur im Dramafach gekürt wurde, hat nach eigenen Worten seinen persönlichstes Werk vorgelegt. In dem Film schaut der 76-Jährige zurück auf seine Kindheit. Er habe lange gezögert, seine Geschichte zu erzählen, so Spielberg. Jeder würde sein Leben als Erfolgsgeschichte sehen, aber niemand wisse, wer er wirklich sei.
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Geadelt wurde der Abend durch eine eingespielte Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sich in der Vergangenheit schon bei mancher bedeutenderer Veranstaltung zu Wort gemeldet hatte. Selenskyj zeigte gewohnte Siegeszuversicht: „Das Blatt wendet sich, und es ist bereits klar, wer gewinnen wird“, prognostizierte er unter lautem Beifall.
Offenbar genügen Hollywood die vom Globe-Verband angeschobenen Reformbemühungen. Die Vereinigung ist inzwischen deutlich diverser zusammengesetzt, hat sich ethische Standards verordnet, und die Zahl der Stimmberechtigten hat sich verdoppelt. Vor allem aber hat die HFPA alle Rechte an der Globe-Marke an den umtriebigen Milliardär Todd Boehly verkauft.
Überschätzt werden die Globes allerdings nach wie vor: Als Oscarauguren taugten die Auslandsjournalisten in den vergangenen Jahren nur ab und zu. Das liegt schon daran, dass hier zwischen „Drama“ und „Komödie“ unterschieden wird. Bei den Oscars in zwei Monaten kann dagegen kann nur einer gewinnen, entweder Spielbergs „The Fabelmans“ oder die irische Tragikomödie „The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh.
Andererseits: So hoch sollte man die Maßstäbe vielleicht auch nicht anlegen in einem Land, in dem hochrangige Politiker auch dann einfach weitermachen, als wenn nichts geschehen wäre, wenn sie als Lügner enttarnt werden. Vielleicht sollte man schon froh sein, wenn Preisverleihungen einvernehmlicher ablaufen als zum Beispiel die Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses
Hollywood hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Auch schönstes Kino wie „The Fabelmans“ oder auch „Tár“ über eine übergriffige Dirigentin (Cate Blanchett gewann, gehörte aber zu den wenigen, die der Show fernblieben, offiziell wegen Dreharbeiten) schwächelt seit der Corona-Pandemie an der Kasse. Große Unternehmen entlassen Mitarbeiter. Die Krise ist noch lange nicht vorbei.
Aber was soll‘s: Die Show in Hollywood geht garantiert weiter.