Große Stimme, wichtige Stimme: Barbra Streisand wird 80
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Barbra Streisand feiert 80. Geburtstag.
© Quelle: picture alliance / AP Images
Barbara Streisand strich nur das zweite „a“ im Vornamen und wurde zu Barbra. Sonst blieb sie am Broadway wie auch in Hollywood so, wie sie war. Ratschläge, sich die Nase korrigieren zu lassen, schoss Streisand in den Wind. Sie kam an mit ungerichteten Zähnen und Silberblick. Und machte alle ganz verliebt in das „Funny Girl“ (1968), in ihre Dolly Levi aus „Hello Dolly!“ (1969) und in Judy Maxwell, den coolen Quirl mit Schiebermütze auf Taschenjagd in „Is‘ was Doc“ (1972). Streisand holte alle Musik- und Kinopreise, die es zu holen gab, fuhr Rekorde ein, die einzeln aufzulisten den Platz hier allein füllen würden. Und hatte auch nicht zu knapp Romanzen. Dabei hatte ihr die Mutter prophezeit, aus ihr würde nie etwas werden.
Nicht mal die Stimme ihrer Tochter mochte die Mama, wie das oft so ist bei Müttern, die selbst einmal Sängerin hatten werden wollen. Und es gab keinen Vater, der Barbra beistand – Emanuel Streisand starb, als sie gerade 15 Monate alt war. So zog Barbra mit ihrem High-School-Zeugnis vom jüdischen Viertel von Brooklyn über den Fluss nach Manhattan, bezog ein Apartment in der Theaterwelt der 48th Street. Und wollte erst recht ein Star werden. Es der Mutter zeigen.
Ein Kolumnist schwärmte: Sie wird noch in 50 Jahren singen
Im Lion, einem Schwulenklub im Greenwich Village, hatte Streisand 1960 ihren ersten Auftritt und gewann an jenem Abend auch gleich den Gesangswettbewerb. Drei Oktaven – Gänsehaut. Der berühmte US-Kolumnist Robert Ruark war begeistert. „Wenn sie ‚Cry Me a River‘ singt, dann kriegst du auch einen Fluss“, schrieb er 1963. Und prophezeite, dass sie, falls dann noch gute Songs geschrieben würden, auch in 50 Jahren noch ein Star sein würde, diese eben doch aparte Frau, der schon in Teenagerzeiten jemand Ähnlichkeit mit dem Profil der Nofretete-Büste bescheinigt hatte. Recht sollte Ruark haben – 55 Jahre später, 2018, erschien ihr vorläufig letztes Album „Walls“.
Streisand sang alles mit mehr Gefühl als die anderen: Musicalsongs, Jazzstandards, Weihnachtslieder, das „Vater unser“ und „Honey Pie“, die ulkige Swing-Nummer der Beatles. Von „The Way We Were“ (1973) waren alle gerührt, ebenso von „Evergreen“ (1976) und dem Duett „You Don‘t Bring Me Flowers“ mit Neil Diamond (1978). Ihr von den Bee Gees geschriebener und produzierter Schmachtfetzen „Woman in Love“ schubste im Sommer 1980 Queens Raprock „Another One Bites The Dust“ von der Spitze der US-Charts.
Streisands jüngste Single war vor vier Jahren die Anti-Trump-Tirade „Don‘t Lie to Me“: „Du änderst die Tatsachen, um deine Taten zu rechtfertigen“, sang sie. „Alles, was mühsam erbaut wurde, zerfällt unter deiner Herrschaft“ und „Wie kannst du schlafen, wenn die Welt brennt?“ Es war ein Song für die Midterms, für ein Amerika, das aufwachen und den Mann, den es zum Staatslenker bestellt hat, in die Schranken weisen sollte.
Patriarchenland Hollywood: Der Regie-Oscar blieb Streisand verwehrt
Nicht alles glückte ihr. Dass der Publikumsrenner „Yentl“ (1983), ihr Regiedebüt über einen von ihr selbst gespielten jüdischen Teenager, der im Osteuropa der vorvorigen Jahrhundertwende das Patriarchat austrickste, bei den Oscars nicht einmal als bester Film oder für die beste Regie nominiert wurde, empfand Streisand ebenfalls als Ausdruck anhaltender männlicher Unterdrückung: „In Hollywood kann eine Frau eine Schauspielerin sein, eine Sängerin, eine Tänzerin. Aber lass nicht zu, dass mehr aus ihr wird“, klagte sie. Um dann Steven Spielbergs Trosteswort zu zitieren, „Yentl“ sei „der beste Film, den ich seit ‚Citizen Kane‘ gesehen habe“.
Bei Twitter schickt sie bis heute politische Statements in die Welt. Die überzeugte Demokratin, die schon 1971 auf Richard Nixons „Feindesliste“ stand, engagiert sich für Frauenrechte und für Israel, für den Klimaschutz und – ihr einziges Kind Jason aus ihrer ersten Ehe mit Elliott Gould ist schwul – für die LGBTQ-Gemeinde. Wie sie Anfang der Nullerjahre Präsident George W. Bush mit beißender Kritik überzog, so ging und geht Streisand bis heute regelmäßig mit Trump ins Gericht.
Streisand über Putin: „Er verhält sich wie Hitler“
Und die Enkelin galizischer und russischer Großeltern hält sich auch bezüglich Wladimir Putin nicht zurück: „Er behauptet, die Ukraine von Nazis zu befreien, während er sich wie Hitler verhält“, twitterte sie am 26. Februar, nennt den russischen Despoten einen „Lügner“ und „Kriegsverbrecher“ und hebt die Erinnerung an einzelne Opfer des Krieges hervor – an einen jungen Medizinstudenten, der sein Leben lang Menschen hätte heilen können oder an den 96-jährigen Boris Romantschenkow aus Charkiw, der die Vernichtungslager der Nazis überlebt hatte, um in „Putins faschistischem Krieg“ zu sterben. Das einzelne Schicksal macht die Tragödie erst klar.
John Lennons „Imagine“ packte sie auch auf ihr letztes Album, das Lied, das durch den Krieg in der Ukraine wieder in aller Munde ist. „Halt mich für eine Träumerin“, singt sie, „aber ich bin nicht allein. Ich hoffe, du schließt dich uns eines Tages an und die ganze Welt wird eins.“ Naiv nennt mancher Lennons Zeilen in zynischen Zeiten wie diesen. Dabei ist „Imagine“ mit seinem Traum von der friedlichen Evolution zum Guten vielleicht der wichtigste Popsong aller Zeiten.
Streisand hätte sogar einen Riesen klein aussehen lassen
Wiederholt bedauerte Streisand, deren bislang letzter Leinwandauftritt 2012 der Klamauk „Unterwegs mit Mom“ war, nicht in mehr Filmen aufgetreten zu sein. Angebote gab es zur Genüge. Sie hätte das Call Girl Bree Daniels im Thriller „Klute“ (1971) spielen können, eine Rolle, die dann Jane Fonda den Oscar brachte. Bevor Liza Minelli den Zuschlag erhielt, war sie als Sally Bowles im Musical „Cabaret“ (1972) im Gespräch gewesen.
Und sie hätte die Eva Peron in „Evita“ (1996) darstellen sollen, was dann Madonna übernahm – allerdings oscarfrei. Dafür hätte Shirley MacLaine, die heute ihren 88. Geburtstag feiert (gelegentlich feiern beide zusammen), um ein Haar ihre Rolle der Fanny Brice in „Funny Girl“ bekommen – Streisands Hollywooddebüt samt Academy Award.
Gerüchteweise hatte sie in John Guillermins Remake von „King Kong“ (1976) die „weiße Frau“ spielen sollen. Das kam nicht zustande. Gut für King Kong. Wie klein und alt hätte der Giga-Affe auch an der Seite dieser Frau ausgesehen.